Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
schlug und schalt und trieb einen schrecklichen
Unfug. Die junge Frau weinte und schrie: »Seid Ihr
hergekommen zu schelten, so wartet doch, bis Ihr des
Ursach findet! Ich habe den allerbesten Mann, und er
ist gut und bieder, wer aber seinen Willen nicht tut,
dem geht er in seinem Zorn gleich ans Leben. Darum,
Mutter, habt weisen Sinn und hütet Euch, Arges
wider ihn zu sprechen, denn er ist so zornmütig, daß
er alles, was seinem Willen entgegen ist, im Zorn
richtet und vernichtet.«
»Hoho! Morgen ist auch noch ein Tag!« höhnte die
Mutter. »Wie schlimm dein Mann sei, das macht mir
den geringsten Kummer! Nicht ein Haar stark acht ich
seiner! Du alberne Trine! Dir muß der Teufel durchs
Hirn fahren, daß du wagst, mir, deiner Mutter, mit
deinem Mann zu dräuen!«
»Mutter, ich dräue Euch ja nicht!« verteidigte die
Tochter sich. »Ich sage Euch ja nur die Wahrheit; ich
darf Euch doch wohl raten, meinen Mann baß zu grüßen,
denn wolltet Ihr ihm tun, wie meinem Vater, so
zerbläut er Euch den Rücken, und obschon Ihr nicht
viel Haares mehr habt, ist's dessen noch genug, daß
er's Euch ausreißt!«
»Das wäre ein Hauptwerk!« erwiderte böse die
Mutter. »Ich fürcht ihn nicht, und wenn er so groß wie
ein Berg wäre; nicht mehr und nicht weniger fürcht
ich ihn, wie deinen Vater! Was hat der ausgerichtet
mit mir nun die zwanzig Jahre? Noch heute geb ich
ihm um kein Haar breit nach!«
Während dieser Schalkrede der ältern Frau standen
der Schwäher und der Tochtermann an einer heimlichen
Stelle, wo sie jedes Wort hörten und der Alte
sprach leise zu seinem Schwiegersohn: »Ich bin in-
niglich froh, daß Ihr meiner Tochter starren Sinn bezwungen,
und gern hinterlasse ich Euch und ihr mein
Hab und Gut, wenn ich dahinfahre.« Der Schwiegersohn
bedankte sich für die freundliche Gesinnung des
Schwähers, der dann wieder zu ihm sprach: »Ratet
mir doch, wie ich Eurer Schwieger tue, die mir allezeit
widerstrebt und mir mein Leben so bitterlich
vergällt! Wär es nur zu machen, daß sie etwa ein Jahr
vor ihrem Tode wenigstens von ihrer Härte ließe, so
hätte ich die sonderste Freude und all mein Leid ein
Ende!«
Darauf verhieß der Schwiegersohn die Schwiegermutter
gut zu machen auf seine Weise, wenn der
Schwiegervater ihm das nicht wehren wolle. Der
sprach: »Ich will Euch nichts verwehren, siedet oder
bratet sie, so will ich noch Holz dazu tragen.«
Der Ritter nahm alsbald heimlich vier flinke starke
Knechte, vermaß sich großen Zorns, und ging nach
der Kemnate, wo noch die Alte saß, und immerfort
auf ihn und ihre Tochter schalt. Als sie ihn kommen
sah, grüßte sie ihn spöttisch: »Seid Gott willkommen,
Herr Engelhart!« »Schönsten Dank, Frau Schlechthart!
« klang sein Gegengruß, und dabei trat er fest an
sie heran und sprach: »Frau, laßt Eure Unart, das bitt
ich Euch, gegen Euern und meinen Herrn. Er sollte
Euch ungezählte Schläge auf Euern Rücken mit einer
eichenen Elle zumessen, bis Euch so weh würde, daß
Ihr ein gut Weib würdet.«
»Ei!« sprach sie: »ich höre wohl, daß Ihr viele so
erschlagen habt, lieber Herr Guguguk! Ich habe aber
doch bisher noch Haut und Haar behalten, hoff es
auch noch länger zu tragen! Was hab ich aber Euch
getan?«
»Ihr scheltet täglich meinen Herrn, Euern Mann,
und verleidet ihm sein eignes Haus!« antwortete der
junge Ritter; sie war aber gleich mit der Gegenrede
zur Hand: »In meinem Hause heiße ich Kratzmaus!
Ich kann darin sein Meister sein, wie mein eigner, und
es soll ihm Gott, so lang ich lebe, nun keinen einzigen
guten Tag mehr geben!«
»Und gibt Gott mir Glück«, sprach der Schwiegersohn,
»so acht ich, daß Ihr noch, ehe wir voneinander
gehen, Eure bösen Ränke und Schwanke laßt.«
»Daß es Euch nur nicht mißglücke!« rief sie,
»sonst habt Ihr, so mir der große Gott von Schaafhausen,
nur Schande und Spott davon!«
»Ich weiß, was Euch so irr und wirr und böse
macht«, nahm der Ritter wieder das Wort. »Ihr habt
zwei Zornbraten hier an jeder Hüfte, davon kommt's,
daß Ihr so üble Sitte habt, wenn Euch die jemand ausschnitte,
das wär vortrefflich gut, denn Ihr würdet
fröhlicher als jemals eine Frau, und für Euern Mann
wär's nicht minder gut.«
»Ach! Ich freue mich, daß Ihr so ein guter Arzt
seid, lehrt doch Eure Kunst meiner Tochter!« war ihre
Antwort. »Habt Ihr auch Bertram feil und Nieswurz?
Ihr mischt wohl Beifuß zum Tranke?« –
»He! Euer Spott ist groß!« rief der Ritter, »aber er
wird Euch gleich versalzen werden; sobald wir Eure
Zornnieren und Zornbraten haben, so werdet Ihr besser
und frommer als ein Kind werden!«
»Genug mit Eurem Klaffen, Klaffer!« schalt die
Frau. Da griffen aber die Knechte auf des Ritters
Wink sie an, warfen sie nieder, und der Tochtermann
wetzte ein großes scharfes Messer, das setzte er ihr an
ihre Hüfte und schnitt ihr durch Gewand und Hemde
eine lange tiefe Wunde, daß ihr Hohnlachen ihr ganz
verging; dann sprach er, indem er ein Stück Fleisch in
ein Gefäß warf: »Seht, Frau, Ihr seid manches Jahr
ein schlimmes Weib gewesen, daran waren Eure
Zornbraten Schuld, die kann ich Euch nicht länger
lassen.« Sie aber lag traurig und schreiend: »Das
wußt ich an mir selbst nicht, aber ich weiß, welcher
Teufel Ihr mich beraten habt!«