Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
auch dem Teufel eine Kanne, dieser aber
nahm den Trunk nicht an, weil er wohl wußte, daß es
des Richters Ernst nicht war.
Nun geschah es von ungefähr, daß ein Weib ein
Schwein daher trieb, welches nicht nach ihrem Willen
ging, sondern die Kreuz die Quere, da schrie das zornige
Weib im höchsten Ärger dem Schwein zu: »Ei so
geh zum Teufel, daß dich der mit Haut und Haar
hole!«
»Hörst du, Geselle?« rief der Richter dem Teufel
zu. »Jetzt greife hin und nimm das Schwein.« Aber
der Teufel antwortete: »Es ist leider der Frau nicht
Ernst mit ihrem Wort. Sie würde ein ganzes Jahr lang
trauern und sich grämen, nähme ich ihr Schwein. Nur
was mir im Ernste gegeben wird, das darf ich nehmen.
«
Ähnliches geschah bald hernach mit einem Weib
und einem Kind. Das letztere ging auch nicht so, wie
die Frau es lenken wollte, so daß sie auch zu schreien
begann: »Hole dich der Teufel, und drehe dir den
Hals um!« »Hörst du, Geselle?« fragte da wieder der
Richter. »Das Kind ist dein, hörst du nicht, daß man
es dir ernstlich gibt?«
»O nein, es ist auch nicht ihr Ernst!« antwortete der
Teufel. »Sie würde bitterlich wehklagen, nähme ich
sie beim Wort, und das Kind nicht fahren lassen.«
Jetzt sahen beide ein Weib, das hatte viel mit
einem Kinde zu schaffen, welches heftig schrie und
sich sehr unartig gebärdete, so daß die Frau voll Unwillens
war und ausrief: »Willst du mir nicht folgen,
so nehme dich der böse Feind, du Balg!«
»Nun? nimmst du auch nicht das Kind?« fragte der
Richter ganz verwundert, und der Teufel antwortete:
»Ich habe des keine Macht, das Kindlein zu nehmen.
Dieses Weib nähme nicht zehn, nicht hundert und
nicht tausend Pfund, und gönnte mir im Ernst das
Kind; wie gern ich's auch nähme, darf ich doch nicht,
denn es ist nicht des Weibes rechter Ernst.«
Nun kamen die beiden recht mitten auf den Markt,
wo das dichteste Volksgedränge war, da mußten sie
ein wenig stille stehen, und konnten nicht durch das
Gewimmel und Getümmel schreiten. Da wurde ein
Weib des Richters ansichtig, das war arm und alt und
krank und trug ein großes Ungemach; sie begann laut
zu weinen und zu schreien, und ließ vor allem Volk
folgende heftige Rede vernehmen: »Weh über dich,
Richter! Weh über dich, daß du so reich bist und ich
so arm bin; du hast mir ohne Schuld, göttliche und
menschliche Barmherzigkeit verleugnend, mein einziges
Kühlein genommen, das mich ernährte, von dem
ich meinen ganzen Unterhalt hatte. Weh über dich,
der du es mir genommen hast! Ich flehe und schreie
zu Gott, daß er durch seinen Tod und bitteres Leiden,
die er für die Menschheit und für uns arme Sünder
trug, meine Bitte gewähre, und die ist, daß deinen
Leib und deine Seele der Teufel zur Hölle führe!« Auf
diese Rede tat der Richter weder Sage noch Frage,
aber der Teufel fuhr ihn höhnisch an und sprach:
»Siehst du, Richter, das ist Ernst, und den sollst du
gleich gewahr werden!« Damit streckte der Teufel
seine Krallen aus, nahm den Richter beim Schopf,
und fuhr mit ihm durch die Lüfte von dannen, wie der
Geier mit einem Huhn. Alles Volk erschrak und
staunte, und weise Männer sprachen die Lehre aus:
»Es ist ein unweiser Rat,
Der mit dem Teufel umgaht.
Wer gern mit ihm umfährt,
Dem wird ein böser Lohn beschert.«
Star und Badewännlein
Vor einem Wirtshaus im Walde hielt ein junger stattlicher
Reitersmann, da trat eine feine Maid aus der
Türe, grüßte ihn züchtig, und fragte, was er begehre.
Da heischte er einen Becher kühlen Weins, den brachte
ihm die Jungfrau. Der Reitersmann trank aber nicht
eher, bis die Maid mit ihren roten Lippen von dem
Weine genippt und den Trunk ihm kredenzt hatte.
Während er nun trank, trat die Wirtin aus der Türe,
ein häßliches Weib von brauner Gesichtsfarbe und
widrigem Ansehen. Die fragte der Reitersmann:
»Holla, Frau Wirtin! Ihr habt fürwahr ein feines
Töchterlein! Nicht also?« – »Nein, Herr!« antwortete
die Wirtin, »diese Dirne da ist nicht meine Tochter,
sie ist nur meine angenommene Magd, hat nicht Eltern
und Heimat mehr. Habe sie angenommen aus
Barmherzigkeit.«
Der Reitersmann fühlte Liebe zu der schönen
Maid, stieg ab vom Roß, begehrte ein Nachtquartier,
und daß ihm die Magd ein Fußbad rüste, weil er gern
mit ihr reden wollte. Die Wirtin gebot der Magd in
den Garten zu gehen, und Rosmarin, Thymian und
Majoran für das Bad zu pflücken. Dies tat sie gern
und freudig, ging und brach die Kräuter, da flog ein
Star auf ein Sträuchelein neben ihr und sang und
sprach: »O weh du Braut! Du sollst dem Junker die
Füße zwagen in dem Badewännelein, darin du hierher
getragen worden! Dein Vater ist vor Herzeleid gestorben,
und deine Mutter hat sich schier um dich zu
Tode gegrämt!
O weh du Braut, du Findelkind!
Weißt nicht, wer dein Vater und Mutter sind!«
Da erschrak die fromme Maid und grämte sich, rüstete
das Bad unter Tränen in dem kleinen Wännelein,
und trug's hinauf in die Stube, wo der junge Ritter
ihrer harrte. Als der sie weinen sah, fragte er:
»Warum weinest du, Schönste? Willst du nicht lieber
mit mir fröhlich sein?«
»Wie kann ich mit Euch fröhlich sein?« fragte sie
weinend zurück. »Ich weine über das, was mir der
Star sang, da ich drunten im Garten