Der Tanz mit der Kobra. Angelika StormЧитать онлайн книгу.
und ging dann den spirituellen Weg. Und wie du siehst, ich bin vollkommen gesund geworden.“ Ja, ich war stolz darauf, soviel für mich erreicht zu haben. Jo fand das sehr interessant und fragte weiter: „Ja, du bist gesund geworden. Aber wie kam es, dass du Heilerin wurdest?“ „Ich bekam während einer Meditation eine Botschaft. Nutze deine Hände, wofür ich sie dir gegeben habe: Heile. Als ich aus der Meditation heraus kam, hatte ich das Gefühl, ich hätte Hände, wie Schaufelbagger. Das erzählte ich dort während der Ausbildung. Wir waren 33 Leute. Ich war die einzige, bei der das passiert war und alle gratulierten mir. Von da an hatte ich kaum noch Pause. Alle kamen zu mir und wollten die Hände aufgelegt haben.“
Meine Gedanken schweiften zurück. Ich erinnerte, wie lange ich brauchte, meine Fähigkeit anzunehmen und auch anzuwenden. Nie hätte ich damit gerechnet, dass ich einmal so einen Weg gehen würde. „Du hast also etwas visualisiert, “ sagte Jo in meine Gedanken hinein. „Nein, ich habe eine Botschaft bekommen.“ „Aha, du hast auch innerlich Stimmen gehört.“ Ich war irritiert und schaute Jo fragend an. Er hob zu einer Erklärung an. „Du hast in dir Stimmen gehört und dann ein Bild gesehen, stimmt das?“ „Ja, so kann man sagen“, dehnte ich. „Also“, sagte Jo, „hast du visualisiert und Stimmen gehört.“ Was für eine Unterstellung! „Nein, ich habe eine Botschaft bekommen, das ist ein Unterschied.“ Jo blieb hartnäckig bei seiner Meinung und ich war verstimmt. Seitdem habe ich ihm von meiner Ausbildung sehr wenig erzählt. Ich legte ihm mal die Hände auf, wenn er Schmerzen hatte, aber ansonsten hielt ich mich zurück.
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Wir packten in Jo´s Firma einige Pakete mit Miniaturen für Kunden ein. Ich saß dann am Rechner und schrieb die Versandpapiere. Plötzlich stand Jo, wie ein kleiner Junge, vor mir. Er legte die Hände auf sein Herz und erzählte mir mit schmerzlichem Blick, dass er einen Offenbarungseid abgelegt hatte. Ich fand es seinerzeit sehr ehrlich, dass er es mir sagte und bedachte nicht die möglichen Konsequenzen. Wieder einmal erging er sich in Details, die ich gar nicht so erfassen konnte und wollte. Er, der immer so ehrlich war, wurde von Geschäftsleuten über den Tisch gezogen. „Gott sei Dank, hatte ich diese kleine Firma noch, auf die ich mich dann zurückziehen konnte“, schloss er mit Geste auf die Produkte in seiner kleinen Firma seine Beichte. Er tat mir leid. Es musste schlimm sein, ein großes Unternehmen mit 30 Angestellten und auch den Status zu verlieren. Ich stand auf und nahm ihn in den Arm und tröstete ihn. „Ich liebe dich nicht, weil du eine Firma hast, sondern dich als Mensch.“ Einige Zeit standen wir umschlungen mitten in der Firma. Dann löste ich die Umarmung und sagte burschikos: „So, nun haben wir genug gejammert, lass uns den Rest hier fertig machen.“
Jo lachte erleichtert und wir arbeiteten gemeinsam weiter. Ja, das machte mir Spaß. Gemeinsam etwas bewegen und selbst bei der Arbeit zusammen sein. Ich freute mich auf das zukünftige Leben mit ihm. Durch seine Beichte fühlte ich mich nicht mehr so klein und mittellos. Bis vor kurzem nahm ich an, dass Jo eine große Firma hat und sich finanziell keine Sorgen machen müsse. Nun konnten wir gemeinsam mit gleichem Status starten und etwas aufbauen. Ich freute mich.
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Das kleine Mädchen half dem Vater die Elfenbeintasten auf die Tastatur des Klaviers zu kleben. Danach wurde das edle Holz poliert. Stolz erzählte der Vater, dass er Klavierbauer wäre. Zu der Zeit ahnte das kleine Mädchen noch nicht, dass es eine Lüge war und nur dem mangelnden Selbstwert des Vaters entsprang. Warum sonst musste er als Kraftfahrer sein Geld verdienen?
Hilfe für andere
Jo hatte sich sehr mit Psychologie befasst. Da ich auch in dem Bereich einige Ausbildungen hatte, war das immer wieder ein interessantes Thema zwischen uns. Natürlich hatten wir in einigen Dingen unter-schiedliche Meinungen, welche immer wieder zu interessanten Dialogen führten.
Jo leitete eine Psychosegruppe. Ich fand es toll, wie er mit den kranken Menschen umging. Er hatte sogar eine Studie über psychotische Menschen angelegt. Beide waren wir der Meinung, dass die Ursache der Krankheit aus der Familie kommt. Beide waren wir der Meinung, dass es nicht um Schuldzuweisung an die Eltern ging, sondern, dass vieles aus Unwissenheit falsch gemacht wurde.
Jo ging sogar so weit, dass er psychotische Menschen ins Haus holte und mit ihnen stundenlang arbeitete. Es war jedes Mal ohne Erfolg und ich hoffte, dass er den Menschen keinen Schaden zufügte.
Einmal wollte er mit einem Klienten arbeiten, der stotterte. Er wohnte weiter weg und Jo machte einen Termin bei ihm. Er bat mich mitzukommen. Es würde nicht lange dauern und danach könnten wir schön essen gehen. Ich fuhr mit.
Nach sieben Stunden Therapie platzte mir der Kragen. Der arme Klient wurde von Jo stundenlang in die Mangel genommen. Viel hat es nicht gebracht, außer, dass mein ganzer Tag versaut war. Noch auf dem Rückweg wollte Jo mich überzeugen, dass seine Arbeit richtig war.
Ich wollte Menschen helfen. Jedoch menschenwürdig mit aller Wertschätzung, die jeder Mensch verdient hat. Bei Jo hatte ich den Eindruck, dass er andere mit aller Macht verändern wollte, rücksichtslos ohne auf diesen Menschen einzugehen. Jeder Mensch hat doch einen Grund so zu sein, wie er ist. Also muss ich ihn doch da abholen, wo er steht – jedenfalls ist das meine Auffassung.
Wir fanden keine Einigung.
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Mein Hund, ein Schäferhundmischling, mochte Jo nicht leiden. Ich hatte diese Warnung nicht ernst genug genommen. Es dauerte lange, bis mein Hund ihn akzeptierte. Jo fragte, ob ich den Hund nicht weggeben wolle; er wäre doch so giftig. Ich sagte: „Meinen Hund gebe ich nicht weg. Es gibt uns nur im Doppelpaket.“ Wohl oder übel hatte er das akzeptiert. Jedoch war Jo, solange der Hund lebte, eifersüchtig auf ihn. „Deinen Hund akzeptierst du mit allen Fehlern, so, wie er ist, mich aber nicht. Mich willst du ändern.“ Das sagte er öfter in der Zeit, in der wir zusammen lebten. Obwohl ich es abstritt, hatte Jo Recht. Es gab einige Dinge, die mir nicht gefielen, die ich gerne geändert haben wollte. Zum Beispiel, wenn er Fragen mit Gegenfragen beantwortete und ich irgendwann nicht mehr wusste, wovon wir sprachen. Auch wollte ich nicht, dass er mich immer wieder mit meinen Vorgängerinnen verglich. Jedoch wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich das bei uns eingespielt hatte.
Durch das Interesse von Jo an NLP (neuro-linguistische Programmierung) fing auch ich immer mehr an, mich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Es waren ergänzend zu meinen Ausbildungen viele Techniken enthalten, mit denen ich Menschen helfen konnte. Ich las die Bücher, die Jo mir mitbrachte, nein, ich arbeitete die Bücher durch. Am meisten interessierten mich die Techniken von Milton Erickson und ich kaufte mir von ihm und seinem Schüler Ernest Rossi einige Bücher. Dann entwickelte ich die Diät-Trance. Als die fertig war, holte ich sechs Personen zum Test heran. Auch Jo war mit in der Gruppe. Fünf Personen nahmen ab. Ein Riesenerfolg. Nun begann ich die Diät-Trance öffentlich anzubieten. Zwei bis drei mal im Monat hatte ich eine Gruppe.
Ich bot verschiede Seminare an und hatte einige Klienten. Jo war sehr daran interessiert und arbeitete für mich einen Businessplan aus. Begeistert legte er mir diesen vor und erklärte, wie ich mit der Diät-Trance viel Geld verdienen konnte. Ich war überfordert und lehnte den Plan ab. Das Gewicht so auf das Geld zu legen, widerstrebte mir.
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Oft war ich bei Jo und half ihm in seiner kleinen Firma. Er hatte einen Großhandel mit Miniaturen. Jo zeigte mir sein Warenwirtschaftssystem und ich schrieb Rechnungen und Aufträge. Auch packte ich einige Pakete und half ihm dann bei der Messevorbereitung. Es machte mir Spaß. Die erste Messe, die ich mitmachte, war in Hamburg. „Du bist ja eine Spitzenverkäuferin“, sagte er. Jedoch konnte er es nicht lassen, mir immer wieder zu sagen, wie ich mit den Kunden reden sollte.
Dann kam eine Kundin auf den Stand, die Jo schon länger kannte. Er zog mich mit zu ihr hin und sagte: „Darf ich Ihnen die Nachfolgerin von Nilgün vorstellen. Na ja, der Mensch ist nicht geboren um alleine zu leben.“ Ich kochte innerlich. Wie konnte er nur so einen geschmacklosen Satz sagen! Dann drückte er mir den Auftrag in die Hand, damit ich die Kundin bedienen konnte. Ich war freundlich und bediente. Während des ganzen Auftrages kochte ich innerlich. Wie konnte er nur so taktlos sein!