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Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang SchneiderЧитать онлайн книгу.

Der Gärtner war der Mörder - Wolfgang Schneider


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hängen geblieben, den er seit Jahren regelmäßig besuchte, weil er eine ordentlich sortierte Rock-Abteilung zu bieten hatte. Er liebte diesen Laden: die prall gefüllten Regale ließen kaum Platz zum Treten und es gab immer etwas unbekanntes oder seltenes zu entdecken. Der Besitzer, der es mit den Öffnungszeiten nicht so genau nahm, war ein Musik-Fetischist erster Güte und immer für ein Fachgespräch zu haben. Er hatte Sedlmeyer zuvor in eine Diskussion über die Brasilianische Heavy-Metal Szene im allgemeinen und Sepultura im besonderen verwickelt und es hatte geschlagene dreieinhalb Stunden gedauert, bis er den Laden wieder verlassen hatte, zusammen mit einer Rarität von Pantera mit dem Titel „Metal Gods '89“. Und anschließend war er auf dem Nachhauseweg am Viktualienmarkt vorbei gekommen; weil er schonmal in der Gegend und das Wetter so schön war hatte er den spontanen Beschluss gefasst, dem Biergarten dort einen Besuch abzustatten.

      Sedlmeyer tätschelte geistesabwesend seine Jackentasche, in der sich die neu erworbene CD befand, sah sich nach der Bedienung um und winkte zu ihr hinüber, als er sie schließlich entdeckt hatte.

      „A Mass, bittschön“, bestellte er. Dann sah er sich ein bisschen um und fasste die Belegschaft an seinem Biertisch ins Auge. Der ältere Mann war offenbar mit seiner Frau da, die beiden wirkten mürrisch und so, als ob sie den Gesprächsstoff für dreissig Ehejahre bereits in den ersten fünf erschöpfend behandelt hätten. Grantiges älteres Ehepaar, vermutlich zwei Bayern kategorisierte der Kriminologe in ihm gedanklich. Ihm gegenüber saßen drei junge Männer, die sich angeregt über Fußball unterhielten, Rheinisch sprachgefärbt und wortgewaltig, jeder mit einer ziemlich leeren Mass vor der Nase. Die Bedienung kam und stellte ihm sein Bier hin.

      „Bittschön, macht sechs sechzig“.

      „Mach' ma sieben“, sagte er und zahlte. Die Rheinischen Fußballfans gegenüber wurden derweil auf zwei Dinge zugleich aufmerksam, die sie zwangen, ihr Gespräch zu unterbrechen: erstens, ihre fast leeren Masskrüge und zweitens, die Anwesenheit der Bedienung.

      „Wir nehmen auch noch drei Maas“, sagte der eine. Das brachte ihm zwei böse Blicke ein: den einen von der Bedienung, die es besser gefunden hätte, wenn ihm das schon vorher bei Sedlmeyer's Bestellung eingefallen wäre. Den anderen vom grantigen Bayern, der bei einem langgezogenen aaa im Wort „Mass“ wahrscheinlich Mordphantasien bekam. Sedlmeyer hob seinen Bierkrug und prostete in die Runde.

      „Prost Kollege“ sagte der Bier-Besteller unter den Rheinländern lachend. Sedlmeyer lächelte zurück und nahm einen tiefen Schluck. Dann zog er seine schwarze Lederjacke aus und legte sie neben sich über die Bierbank, nicht ohne zunächst seine Hand darauf liegen zu lassen – die neu erworbene CD zusammen mit seiner Jacke im Biergarten zu verlieren, wäre in seinen Augen eine schwerwiegende Katastrophe gewesen.

      „Was meinste, Kollege, gewinnen wir morgen gegen die Polskis?“ wurde er gefragt. Sedlmeyer war sich bewusst, dass heute die Fußball-Europameisterschaft begonnen hatte, allerdings hatte er es bisher versäumt, sich um Details wie Spielpläne zu kümmern oder passende Fan-Emotionen zu entwickeln. Offenbar spielte morgen Deutschland gegen Polen. In seiner ganzen Fußball-Unkundigkeit antwortete er:

      „Auf alle Fälle! Was meint ihr?“ Ein anderer Rheinländer antwortete ihm:

      „Dat is so sischa wie nochmal wat, dat wir det jewinne!“. Sedlmeyer hörte interessiert zu, als der erste Rheinländer sich einschaltete und die Fußballdiskussion wieder in kompetente Bahnen zu lenken begann:

      „So sicher ist das überhaupt nicht, die Polen haben einen top Torwart, der hat eine super Saison bei Celtic Glasgow gespielt. Und wen haben wir? Den Lehmann, den alten Knacker!“

      „Ne Torwart is doch überhaup' nüt wischtisch! De Sturm entscheidet än Spiel, nit de Torwart! Un wen hant de Pole im Sturm? Lauter halve Hähnsche!“ ereiferte sich Rheinländer Nummer zwei.

      „Und? Wen haben wir schon im Sturm?“ antwortete der erste, „Wenn die den Klose spielen lassen, können wir gleich einpacken, der trifft doch das leere Tor nicht, wenn er zwei Meter davor steht!“. Sedlmeyer erwog kurz, sein winziges bisschen Fußball-Wissen in die Diskussion einzubringen und Miroslav Klose's polnische Wurzeln anzusprechen, doch der dritte Rheinländer kam ihm zuvor:

      „Wisste, wat de Klose is? Det is doch sälber ne Pole! Und de Podolski sowieso! Un wennde mi froost: de schieße morje absischtlisch dänebbe! Det wird rischtisch joot!“

      „Und Du?“ wurde Sedlmeyer vom ersten Rheinländer gefragt, „Biste auch Fußball-Fan? Bayern München, oder?“ Jetzt war er in die Bredouille geraten. Weder hatte er einen blassen Schimmer, wie die Dinge in der Bundesliga bestellt waren, noch kannte er sich mit Champion's League, DFB-Pokal oder sonstigem Fußballerischen Grundwissen sonderlich gut aus. Er schaute ab und an ganz gerne mal Spiele im Fernsehen an, allerdings nur die großen Ereignisse, wie beispielsweise die Weltmeisterschaft und das auch nur dann, wenn er von Kollegen dazu animiert wurde. Aber das in diesem Moment schlimmste war, dass er einerseits keine echte Begeisterung verfügbar hatte, für welchen Verein auch immer, und andererseits das Gefühl, als Münchner unter lauter Rheinländern die Bayerische Fahne hochhalten zu müssen.

      „Bayern München, selbstverständlich!“, log er, „hoffentlich gewinnen sie dieses Jahr mal wieder die Meisterschaft!“

      „Du bis' joot, Kolleje, de jäwinne doch eh permanent! Ihr Bayern könntet de andere jo auch mal wat jönne!“ Der erste Rheinländer lachte, hob seine Mass und prostete in die Runde. Dann sagte er:

      „Auf die Bayern! Köln ist in der zweiten Liga versumpft und heute sind wir alle Bayern!“ Dies gefiel offenbar dem grantigen Alten neben Sedlmeyer, der zwar nach wie vor kein Wort sagte, aber mit einem fast unmerklichen Nicken und einem angedeuteten Lächeln mit anstieß. Sedlmeyer nutzte den Moment für einen Versuch, das Gespräch in seichteres Fahrwasser zu lenken.

      „Und auf unser Münchner Bier! Das ist nämlich noch viel besser als der FCB!“ Gemeinsam tranken sie, dann sagte der dritte Rheinländer, schon nicht mehr wirklich nüchtern:

      „Pass bloß opp, Kolleje, sons' bleibe mir alle drei für immer do! Und wohne ab sofocht bei dir dahejm inne Bude!“

      „Jenau, un' du stells' uns jäde Abend zehn Maas hin!“, ergänzte der zweite. Alle drei lachten schallend, Sedlmeyer lachte mit. Dann nahm er noch einen Schluck Bier und sagte:

      „Nein, das geht so nicht, ihr müsst erst mal die Grundlagen lernen, wenn ihr bei mir einziehen wollt. Lektion Nummer eins: die Weißwurst!“

      „Die Lektion haben wir schon längst gelernt, Kollege“, antwortete der erste Rheinländer, „das haben wir gestern schon erledigt. Da waren wir im Andechser am Dom, das kennste bestimmt.“ Zweifellos kannte Sedlmeyer dieses Wirtshaus; gleich neben der Frauenkirche gelegen, dem Münchnerischsten aller Gebäude überhaupt, teilte es sich die Innenstadtlage mit mehreren Traditionsgaststätten, in die man ging, wenn man mal echte bayerische Lebensart kennen lernen wollte. Da die Einheimischen diese aber schon kannten, im Gegensatz zum Rest der Welt, hatte man sich seinem Publikum dort angepasst und die Speisekarte mehrsprachig verfasst; es war allerdings fragwürdig, ob sich „Drei Weißwürscht mit Händlmaier-Senf und einer Brezn“ wirklich rundum bedeutungserhaltend ins Englische übersetzen ließ.

      „Det mit de Haut von de Weißworst is ava ne janz schön umständlischet Jeschäft“, meinte der dritte Rheinländer, „bisse de Worst osjezoge has', is de äjskalt!“ Die drei lachten herzhaft, als sich plötzlich und unvermutet der Alte neben Sedlmeyer einschaltete:

      „Muasdas hoit zuzln, dei Weißwurscht!“. Das schlug ein wie eine Bombe. Alle drei Rheinländer verstummten und sahen den Alten verdattert an. Der hob mit einem Zwinkern sein Weißbierglas und prostete ihnen zu. Die drei sahen sich ratlos an, und Sedlmeyer grinste in sich hinein. Er überlegte kurz, ob er den Zusammenprall der Kulturen so stehen lassen sollte, dann hob er zu einer Erklärung an:

      „Das bedeutet gewissermaßen, den Inhalt aus der Wurst heraus zu saugen, ohne die Haut zu entfernen. Zuzeln eben“. Die Rheinländer sahen ihn fassungslos und leicht angewidert an.

      So ging das ganze noch eine Weile weiter. Die Rheinländer erholten


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