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Der Redner. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Der Redner - Edgar Wallace


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      Mit zitternden Fingern zog er die Trillerpfeife heraus und pfiff schrill. Dann rannte er um das Gebäude herum und kam gerade vor der Haustür an, als zwei Polizisten und ein Mann in Zivil herbeieilten.

      Chefinspektor Rater war zu einem bestimmten Zweck in die Gegend gekommen, aber als er das laute Alarmsignal horte, verfolgte er seine eigenen Pläne nicht weiter, sondern wandte sich der neuen Aufgabe zu.

      Atemlos erzählte der Polizist, was vorgefallen war, während er mit dem Chefinspektor in die hintere Nebenstraße zurückkehrte.

      »Schon gut«, sagte der Redner ungeduldig. »Einer von den Leuten bleibt vor der Haustür und rührt sich nicht von der Stelle.«

      »Wo ist die junge Dame?«

      Harry hatte weder etwas von ihr gesehen noch gehört. Er äußerte aber die Meinung, daß sie wahrscheinlich ohnmächtig geworden sei. Als Familienvater wußte er aus Erfahrung, was Frauen zustoßen kann, wenn sie sich zu sehr aufregen.

      Der Chefinspektor war schon halb die Treppe hinaufgestiegen und hörte nicht mehr, was Harry zur Erklärung vorbrachte.

      »Das ist das Zimmer«, rief Simpson.

      Der Redner drückte die Türklinke herunter.

      »Verschlossen«, sagte er kurz, bückte sich und schaute durch das Schlüsselloch.

      Er konnte sehen, daß die Glastür zum Balkon weit offenstand, wandte sich um und stellte eine Frage.

      »Ja, ich habe sie aufgelassen. Am Geländer war ein Tau angebunden. Der Täter muß auf diese Weise entkommen sein.«

      »Helfen Sie mir«, erwiderte der Redner.

      Mehrmals stießen die beiden gleichzeitig mit ihren kräftigen Schultern gegen die Füllung. Plötzlich brach das Schloß, und die Tür sprang auf ...

      »Na, wo ist denn der Tote?«

      Simpson starrte bestürzt auf den Boden, aber an der Stelle, wo der Ermordete noch eben gelegen hatte, war nichts mehr zu sehen. Das Zimmer war vollkommen leer!

      Mr. Rater schaute erst auf den Polizisten, dann auf den Boden und schließlich zum Fenster hinaus. Im gleichen Augenblick dachte er an das Haus des Marquis Perello, das auf der anderen Seite des Platzes lag. Aus zwei Gründen dachte er daran. Erstens war Len Witlon in London, und zweitens befanden sich drüben in einem nicht allzu sicheren Safe vier Päckchen geschliffener Smaragde, die erst vor ein paar Tagen aus Argentinien angekommen waren. Die Steine sollten an eine hohe Persönlichkeit in Italien abgeliefert werden. Der Marquis hatte die Polizei benachrichtigt, und der Redner hatte deshalb einen Polizeiposten vor und hinter dem Hause aufgestellt. Er kannte die Namen der beiden Beamten und lehnte sich über das Geländer.

      »Ist Walton hier?«

      »Jawohl.«

      »Martin auch?«

      »Jawohl!« ertönte eine zweite Stimme.

      »Ich möchte nur wissen, warum ausgerechnet Sie hierhergelaufen sind! Sie sollten doch drüben auf Ihrem Posten bleiben!«

      Mr. Raters Schrecken war nicht gering, denn er wußte, wie schnell Len Witlon arbeitete. Er wartete nicht erst, bis die Haustür geöffnet werden konnte, sondern ließ sich an dem Tau auf die Straße hinunter. Fünf Minuten später klopfte er an der Haustür des Marquis Perello. Aber er mußte lange warten. Der Marquis war mit seiner Frau im Theater, die drei Dienstmädchen hatte man im oberen Geschoss eingeschlossen, und der Hausmeister, der mit geladener Pistole den Safe bewachen sollte, lag im Wohnzimmer bewußtlos auf dem Boden. Er war mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen worden. Und der Safe stand offen.

      »Len hat mit vier Leuten gearbeitet«, erklärte der Redner mit philosophischer Ruhe.

      Len Witlon arbeitete stets auf diese Weise. Also hatte Mr. Rater keine große, neue Entdeckung gemacht. Wenn ein Streich gelungen war, trennten sich die Komplicen und verließen das Land auf verschiedenen Wegen.

      Len machte niemals den Fehler, auf althergebrachte Weise vorzugehen; seine Methoden waren originell und einzigartig. Niemand außer Len hätte ein möbliertes Haus am Burford Square gemietet, um dort mit vieler Mühe einen Mord vorzutäuschen. Dadurch versammelte er die ganze Polizei der Gegend an dem vermeintlichen Ort des Verbrechens und lenkte ihre Aufmerksamkeit von dem anderen Haus ab, in das er einbrechen wollte.

      Eine genaue Durchsuchung des Gebäudes brachte nichts Neues an den Tag, nur fand man im Kamin des Speisezimmers eine Anzahl verkohlter Papiere und einen kleinen roten Zettel, der nur halb angebrannt war. Die Aufzeichnungen darauf handelten offenbar von Reisewegen, Berechnungen von Fahrpreisen und dergleichen mehr. Mr. Rater steckte ihn sorgsam in die Tasche und zog möglichst viele Erkundigungen ein. Der einzige Anhaltspunkt wurde am nächsten Morgen von einem Polizisten geliefert, der an der Ecke der Queen Victoria und der Cannon Street den Verkehr regelte. Er hatte einen Wagen mit einer Dame beobachtet. Ganz sicher war er allerdings nicht, daß es sich wirklich um eine Frau gehandelt hatte. Aber er nahm es an. Sie schlüpfte gerade in ein Kleid, als er sie sah, und Kopf und Oberkörper waren davon verdeckt.

      Die Nachforschungen auf dem Bahnhof Cannon Street blieben erfolglos, denn dort war während der fraglichen Zeit keine Dame in einem Auto angekommen. Sie mußte also weiter nach Osten gefahren sein.

      Der Redner war ein guter Psychologe und kannte auch den Charakter des Verbrechers. Witlon war gegen Damen stets zuvorkommend und hatte sich bestimmt davon überzeugt, daß seine schone Verbündete in Sicherheit war.

      Polizist Simpson war vollständig niedergeschmettert, daß sich sein erster Mordfall wieder in Dunst und Nebel aufgelöst hatte. Der Redner fragte ihn nach der Dame, die um Hilfe gerufen hatte.

      »Sie sprach mit einem fremden Akzent«, erwiderte Simpson.

      »Ich will jedes Wort hören, das sie Ihnen gesagt hat.«

      Der Polizist dachte intensiv nach und rieb sich eifrig seine Stirn, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen. Aber er hatte die Unterredung vollkommen vergessen.

      »Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Es ist mir nur aufgefallen, daß sie trotz allen Stöhnens und Seufzens nach ihrer Armbanduhr sah. Das habe ich zweimal genau beobachtet.«

      »Es war doch gegen elf?«

      Der Polizist meinte, es wäre etwas später gewesen.

      »Die Sache ist mir jetzt vollkommen klar«, sagte Mr. Rater.

      Als Simpson gegangen war, zog der Redner einen kleinen Briefumschlag mit dem halbverbrannten roten Zettel aus der Tasche und rekonstruierte die Aufzeichnungen ...

      Ein britischer Torpedobootzerstörer sichtete eines Morgens im Golf von Biskaya den Passagierdampfer »Emil«. Bald holte er ihn ein und signalisierte dem Kapitän zu stoppen. Es war ein Vergnügungsdampfer, der eine Reisegesellschaft nach Marokko und Madeira bringen sollte. Von London war er um Mitternacht abgefahren, kurz nach dem Einbruch im Hause des Marquis Perello.

      Die hübsche Spanierin Avilez, die sich auch unter den Passagieren befand, wurde von allen als Schönheit bewundert. Erst im letzten Augenblick war sie an Bord gekommen. Sie protestierte heftig gegen ihre Verhaftung und hätte bei dem Versuch, ein kleines Paket über Bord zu werfen, beinahe das Tintenfass über ihr Tagebuch geschüttet.

      Das war recht seltsam, denn das Päckchen enthielt siebzehn geschliffene Smaragde, von denen keiner unter zehn Karat hatte.

      Kurz nach ihrer Ankunft in London verhörte Mr. Rater die Gefangene. Alle seine Fragen beantwortete sie mit einem Hochmut, wie man ihn nur bei Spanierinnen findet.

      Am nächsten Morgen erschien in der Londoner Presse eine Mitteilung, die der Redner selbst sehr sorgfältig ausgearbeitet hatte. Schriftlich drückte er sich etwas ausführlicher aus als mündlich.

      Ein Teil der Beute aus dem Einbruch bei Marquis Perello ist bei der Verhaftung einer gewissen Inez Avilez gefunden worden. Der Leiter der Bande, die den überaus schlau durchdachten Plan zur Ausführung brachte, hat dieser jungen Dame offensichtlich einen Weg zur


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