Die Abenteuerin. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
ist, aber ich glaube, daß diese Erkrankung kein Zufall sein kann. Ich fühlte mich vollkommen wohl, bis ich eine Tasse Tee trank. Dann mußte ich mich auf mein Zimmer bringen lassen. Gleich darauf setzte das furchtbare Zittern und Frösteln ein. Können Sie nicht schnell einen Arzt rufen lassen?«
»Ich will alles tun, was in meinen Kräften steht«, erwiderte Mr. Grandman, der sehr gutmütig und menschenfreundlich war.
Nun ging er doch etwas besorgt nach unten. Wenn man der hübschen jungen Dame, wie sie annahm, tatsächlich etwas eingegeben hatte, dann mußte die ›Quadrat-Jane‹ oder einer ihrer Helfershelfer im Hause sein.
Als er in die Halle zurückkam, wartete der Butler auf ihn.
»Entschuldigen Sie, Sir ... Wir haben bis zu einem gewissen Grad Glück. Ein Autofahrer, dem der Betriebsstoff ausgegangen ist, kam soeben zum Haus und bat um ein paar Liter Benzin –«
»Ja, und worum handelt es sich?«
»Es trifft sich gut, daß er Arzt ist. Ich sagte ihm gleich, daß Sie ihn sprechen möchten.«
»Großartig«, erwiderte Grandman begeistert. »Bringen Sie ihn bitte gleich in die Bibliothek.«
Der große junge Mann machte einen sympathischen Eindruck. Er entschuldigte sich sofort bei Mr. Grandman, daß er ausgerechnet ein Fest habe stören müssen.
»Es ist unendlich liebenswürdig von Ihnen, daß Sie mir helfen wollen. Mein blödsinniger Chauffeur hat mir tatsächlich zwei leere Kanister ins Auto gestellt. Es ist unglaublich, was sich die Angestellten heutzutage leisten!«
»Ich freue mich sehr, daß ich Ihnen helfen kann, Doktor«, erklärte Mr. Grandman in bester Stimmung. »Aber vielleicht können Sie mir auch einen Dienst erweisen.«
Der junge Mann sah ihn argwöhnisch an.
»Ist etwa jemand hier im Hause krank?« fragte er. »Ich habe meinem Partner nämlich versprochen, in den nächsten drei Monaten keinen Patienten zu behandeln. Das klingt zwar etwas unliebenswürdig, aber Sie müssen verstehen, daß ich mich in letzter Zeit schwer überarbeitet habe und mich augenblicklich auf Erholungsurlaub befinde.«
»Sie würden uns aber einen sehr großen Gefallen tun, wenn Sie sich der jungen Dame annähmen«, entgegnete Grandman ernst. »Ich bin vollkommen ratlos, denn ich weiß nicht, wie ich ihren Zustand beurteilen soll. Zu allem Unglück ist der Dorfarzt gerade nicht anwesend.«
»Setheridge ist mein Name«, stellte sich der Arzt vor, »Nun gut, dann ist es selbstverständlich. Ich werde die Patientin sofort untersuchen. Es war unhöflich von mir, nicht gleich auf Ihre Bitte einzugehen. Wo ist die Dame denn jetzt? Sicherlich handelt es sich um einen Ihrer Gäste.«
»Nein, das gerade nicht«, entgegnete Mr. Grandman zögernd. Sie ist hier ... zu Besuch.«
Er führte ihn zu dem Zimmer der Kranken. Der Arzt trat ein und betrachtete die immer noch zitternde Patientin mit dem selbstbewußten Lächeln, das alte, erfahrene Ärzte in solchen Situationen zeigen.
»Nun, wie geht es Ihnen?« fragte er verbindlich.
Er fühlte ihren Puls und sah auf die Uhr. Mr. Grandman stand in der offenen Tür und bemerkte, daß Dr. Setheridge die Stirn runzelte und ein ernstes Gesicht machte. Dann beugte sich der Arzt über die Kranke, sah ihr in die Augen, streifte ihren Ärmel zurück und schüttelte den Kopf.
»Ist es ernst?« fragte sie ängstlich.
»Das gerade nicht, wenn Sie bald sachgemäße Pflege bekommen. Aber wahrscheinlich werden Sie einen Teil Ihres schönen Haares verlieren«, sagte er und schaute lächelnd auf das braune Haar, das ihren Kopf auf dem Kissen umrahmte.
»Welche Krankheit habe ich denn?«
»Scharlach, meine Dame.«
»Scharlach!« wiederholte Mr. Grandman entsetzt. »Aber das ist doch nicht möglich!«
Der Arzt ging aus dem Zimmer und nahm den Hausherrn beiseite, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
»Daran ist leider nichts zu ändern – die junge Dame hat tatsächlich Scharlach. Haben Sie eine Ahnung, wo sie sich angesteckt haben könnte?«
»Das ist ja entsetzlich, daß wir Scharlach hier haben!« stöhnte Mr. Grandman. »Ich habe das ganze Haus voll vornehmer Gäste.«
»Nun, ich brauche Ihnen wohl nicht den Rat zu geben, Ihren Gästen nichts davon mitzuteilen. Das wichtigste ist, daß wir die junge Dame aus dem Haus schaffen.«
»Aber wie soll ich denn das machen?«
Der Doktor fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Natürlich möchte ich es nicht gern selbst tun«, sagte er langsam, »aber ich kann eine Schwerkranke nicht ohne weiteres hier liegenlassen; würden Sie gestatten, daß ich Ihr Telefon benütze?«
»Gewiß, telefonieren Sie, soviel Sie wollen, aber sorgen Sie um Himmels willen dafür, daß sie fortkommt!«
Mr. Grandman brachte den Arzt zur Bibliothek, wo der junge Mann telefonisch seine Instruktionen gab. Allem Anschein nach verlief die Unterhaltung zur Zufriedenheit, denn er kam bald in die Halle zurück, wo Mr. Grandman nervös auf ihn wartete und aufgeregt mit den Fingern auf der Tischplatte trommelte.
»Ich habe einen Krankenwagen bestellt, aber er kann erst um drei Uhr kommen. Auf jeden Fall paßt das vorzüglich, denn dann sind Ihre Gäste bereits im Bett und schlafen, und die meisten Angestellten vermutlich auch. Wir können sie dann aus dem Haus bringen, ohne daß jemand es merkt.«
»Ich bin Ihnen zu größtem Dank verpflichtet«, erwiderte Mr. Grandman erleichtert. »Wenn Sie mir Ihr Honorar nennen wollen, zahle ich es Ihnen sofort.«
Mr. Grandman kam ein Gedanke. »Wäre es möglich, daß die junge Dame irgendein Mittel beigebracht bekommen hat, das die Erkrankung verursachte?«
»Wie kommen Sie denn darauf?« fragte Setheridge schnell.
»Sie fühlte sich sehr wohl, bis sie eine Tasse Tee trank. – Ich will Sie lieber gleich ins Vertrauen ziehen«, sagte der Hausherr leise. »Die Dame ist Detektivin. Ich habe sie hierherkommen lassen, damit sie das Eigentum meiner Gäste schützt. In der letzten Zeit sind mehrere Diebstähle vorgekommen, die alle von einer Frau ausgeführt wurden. Sie haben wahrscheinlich auch schon von der berüchtigten ›Quadrat-Jane‹ gehört. Ich wollte verhindern, daß das Fest in meinem Hause gestört wird, und habe sie deshalb hergebeten. Sie sollte darauf achten, daß nichts von den Schmuckstücken meiner Gäste gestohlen wird. Als ich sie bei ihrer Ankunft vor dem Essen begrüßte, war sie gesund und wohlauf. Später trank sie dann eine Tasse Tee, und kurz darauf zeigten sich Schüttelfrostanfälle und Fieber.«
Der Doktor nickte nachdenklich. »Es ist merkwürdig, was Sie mir da erzählen. Obgleich alle Symptome von Scharlach bei ihr vorhanden sind, habe ich auch noch andere Anzeichen beobachtet, die nicht zu dem Krankheitsbild passen. Meinen Sie, daß diese gefürchtete Diebin, die ›Quadrat-Jane‹, tatsächlich bereits hier in Ihrem Hause ist?«
»Ja, sie muß hier sein – oder wenigstens einer ihrer Helfershelfer. Es ist ja in den Zeitungen genügend darüber geschrieben worden. Stets arbeitet sie mit mehreren Leuten zusammen.«
»Glauben Sie, daß sie der jungen Dame oben im Zimmer ein Mittel beigebracht hat, um sie für eine gewisse Zeit unschädlich zu machen?«
»Der Gedanke liegt doch sehr nahe.«
»Da haben Sie recht. Der Plan wäre gut ausgedacht. Auf jeden Fall sind aber heute Abend so viele Leute hier im Haus, die aufpassen, daß Sie nichts für Ihre Gäste zu befürchten brauchen.«
Miss Smith war in dem Flügel des Schlosses untergebracht, in dem die Dienerschaft wohnte, aber glücklicherweise lag ihr Zimmer abseits, so daß sie mit den anderen nicht in Berührung kam.
Mr. Grandman ging im Lauf des Abends noch mehrmals zu ihr hinauf, sah zur Tür hinein, die nur angelehnt war, stellte jedesmal fest, daß der Arzt an ihrem Bett saß, und war damit zufrieden.
Gegen