Hands up!. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
und mich gebeten, Sie im Auge zu behalten. Was sagen Sie zu meiner ausgezeichneten Schlussfolgerung? Kommen Sie mit und trinken Sie eine Tasse Tee mit mir, und ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit meine hervorragende Lebensgeschichte mitteilen.«
Er schob die Zigarre in den anderen Mundwinkel, nahm ihr den Blumenkorb ab, und Seite an Seite marschierten die beiden durch den Schnee St. James Street hinunter. So unbehaglich sich auch die Fußgänger in diesem Schneegestöber fühlen mochten, ein jeder blieb stehen, um einen Blick auf diesen riesenhaften Mann mit einem Korb Veilchen unter dem Arm zu werfen.
»Ich möchte wetten, Sie werden das noch teuer bezahlen müssen«, brummte er. »Naß bis auf – Ich hoffe, Sie tragen wenigstens warmes Unterzeug! Ich möchte eigentlich wissen, warum es unfein ist, von Unterzeug zu reden, und warum kein Mensch etwas gegen den Ausdruck ›Pelzmantel‹ einzuwenden hat. Ach was. Ist auch eines der großen Rätsel. Guten Tag, Tom.« Er hielt einen Mann auf, der mit gebeugtem Haupt gegen den Schneesturm ankämpfte und an ihnen vorbeizuschlüpfen versuchte.
»Morgen, Mr. Bird – verdammt kalt, was?«
»Man merkt es noch mehr, wenn man vor dem Personaleingang von Hoyce & Drake wartet, nicht wahr, Tom? Niedliches Mädel, was, Tom? Ich möchte aber wetten, Ihre Frau hat nicht dieselbe Meinung. Tun Sie's lieber nicht, Tom, oder ich komme mal eines Tages zu Ihnen, und das wird Ihnen verd... wenig gefallen! Auf Wiedersehen!«
»Sie sind ja fürchterlich!« murmelte sie, als der Mann davoneilte.
»Ich muß so sein«, sagte er gleichgültig. »Es ist die einzige Sprache, die diese Art Leute richtig versteht. Was haben Sie eben gesagt – fürchterlich? Das ist ein seines Wort. Bitte, gehen Sie voran, Miß Bolford.«
Sie traten in das Restaurant ein, Mary Bolford fühlte die Wärme, roch die frischen Backwaren und seufzte behaglich.
»Bestellen Sie, was Sie wollen, bis zum Preise von vierzig Pfennig«, sagte der Spatz. »Ich habe gerade gegessen, und so werden Sie mich entschuldigen, wenn ich beim zehnten Kuchen aufhöre.«
Er schien sich um die anderen Gäste in dem langen Teeraum in keiner Weise zu kümmern und doch –
»Der Kerl da gegenüber in der Ecke ist Sam Larber, der bekannte Hochstapler. Die Zeiten sind jetzt sehr schlecht, und es gibt wenig Goldfische. Es müßte eigentlich einen Unterstützungsfonds für Hochstapler geben, denn die Sonne muß scheinen, um die Leute Dummheiten machen zu lassen. Das Mädel, das mit ihm zusammensitzt, ist Lisa Keane – weiß Gott, kein Engel der Barmherzigkeit! Sehen Sie den kahlköpfigen jungen Menschen, der sich hinter seiner Zeitung versteckt? Ich habe ihm neun Monate verschafft, weil er Autos geklaut hat – klauen heißt mausen – entschuldigen Sie bitte meine ausländischen Ausdrücke.«
»Was halten Sie davon?«
Sie strich ein Stückchen knisterndes Papier glatt und legte es vor ihn auf den Marmortisch.
»Ich halte überhaupt nichts von Hundert-Pfund-Noten – ich träum' bloß davon«, erwiderte er und fügte ganz unzusammenhängend hinzu: »Jedenfalls, weil er sich verheiraten will. Ich sah, wie er den Schein vor Ihren Augen hin und her schwenkte, und dachte erst, er versuchte einen guten Eindruck bei Ihnen zu machen. Ich war eigentlich etwas enttäuscht, denn Mr. Maddison hat mir niemals den Eindruck eines Schürzenjägers gemacht, und dann wurde mir auf einmal klar, was das Ganze bedeuten sollte.«
Wenn sie auch Reporter war, Frau war sie doch geblieben, denn sie fragte neugierig:
»Wen heiratet er denn?«
»Eine Dame.«
»Es war ihr Bruder, der mit einem anderen Herrn am Eingang der Bank sprach. Danty heißt der andere. Was Rex verliert, läuft auf einem kleinen Umweg in Dantys Tasche. Die Buchmacher haben das Leben von Rex versichern lassen – der Gedanke, daß sie mal ihr jährliches Einkommen verlieren könnten, ist ihnen mehr als widerwärtig. Und wenn er sich mal in dem großen Teich der Spekulanten blicken läßt, schärfen alle Haifische ihre Zähne. Sein Geld ist so leicht zu bekommen – oder sagen wir lieber nicht sein, sondern das Geld, was er seinen guten Freunden abpumpen kann? Ist das Klatsch oder Verleumdung?«
»Beides – wenn ich es drucken lassen würde«, lächelte sie zurück.
Die Kellnerin kam, und sie trank ihren heißen Tee mit großem Behagen, während Mr. Bird ernsthaft seine zahlreichen Keks knabberte. Als der Teller beinahe leer war, erklärte er:
»Ich bin ein großer, kräftiger Mann und muß vorsichtig leben. Solche Kuchen wirken ganz eigenartig auf mich. Wenn ich so ein Dutzend intus habe, fühle ich mich fast wie bezecht, und alle meine Sorgen verschwinden. Bei zwanzig fange ich an, verrückt zu werden, und reiße dann das Pflaster auf.«
Glücklicherweise hörte er schon bei dem siebenten auf.
»Was soll ich denn mit den hundert Pfund hier anfangen?« fragte sie. »Ich habe das Gefühl, daß ich das Geld unter falschen Voraussetzungen erhalten habe.«
»Ich habe bei Cecilia & Co. ein paar sehr schöne Gesellschaftskleider gesehen«, entgegnete er ernsthaft. »Es ist ein großes Modewarenhaus in der Bond Street – und wenn Sie mich fragen, was die Mode mit den Kleidern noch vorhat, dann sage ich: ›Sprechen wir lieber nicht davon!‹ Da war ein Kleid mit Schulterbändern oben, tragen Sie das, und Sie bekommen den ersten Preis beim Kunst- und Wettschwimmen ...«
»Wer ist eigentlich Danty?«
Sie befand sich in einer neuen Welk, eine Welt, in die sie gerade vor einer Viertelstunde getreten war.
»Ich kenne seinen Namen«, fuhr sie schnell fort. »Danton Morell, er gab mir seine Karte.«
Mr. Bird nickte.
»Selbstverständlich hat er das; er gehört zu dieser Art von Menschenfreunden. ›Komm mal am Abend zu mir, wenn die Dienstboten in das Kino gegangen sind.‹ Danty ist gerissen. Ich bin einer der wenigen, die wissen, wie gerissen er eigentlich ist. Eines schönen Tages werde ich ihm mal meinen Besuch machen und ihm mitteilen, sich ein anderes Jagdgelände zu suchen.« Und dann begann er ihr von allerhand Menschen zu erzählen – von der stets wechselnden Bevölkerung im West End. Von den Männern und Frauen, die kamen und gingen; von dem gütigen alten Herrn, der das ganze Jahr hindurch seine Zimmer im Cecil-Hotel hatte, aber seine Zeit damit verbrachte, zwischen England und New York hin und her zu fahren, um leichtgläubige und vertrauensselige Menschen beim Kartenspiel um ihr Geld zu erleichtern. Er sprach ihr von merkwürdigen Leuten, die keinerlei Beruf hatten, von deren Einkünften nichts bekannt war, und die dennoch ständig in den besten Hotels lebten. Er nannte sie die Einmal-im-Jahr-Leute.
»Sie machen bloß einen einzigen Schlag im Jahre, und das genügt ihnen. Sie sind die bestbezahlten Märchenerzähler der ganzen Welt. Kipling und, wie heißt er doch gleich – Shaw? – verdienen nicht die Hälfte von dem, was den Kerls für ihre Geschichten bezahlt wird.«
»Ich glaube, Sie machen tagtäglich neue Erfahrungen?«
Mr. Bird seufzte.
»Ich glaube, daß mir im Laufe der Zeit alles bekannt geworden ist, was man von den krummen Wegen der Hochstaplergesellschaft wissen muß«, antwortete er.
Aber hierin irrte er sich.
In derselben Nacht rief man ihn nach Nummer 342 in der Brook Street. Mit Hilfe des leichenblassen Mr. Danton Morell brach er die Tür des Schlafzimmers auf und fand dort Rex Leferre – tot – von seiner eigenen Hand getötet. Er lag auf dem Fußboden und der Revolver an seiner Seite. Im gleichen Augenblick hatte Danty die Zettelchen mit den Bleistiftzeilen bemerkt und seine Hand darüber gelegt. Eine Stunde später las Margaret erschüttert die Mitteilung, die der Detektiv nicht gesehen hatte:
»Margaret, mein Liebling, ich bin verloren. Monatelang habe ich spekuliert und heute einen verzweifelten Schritt gewagt auf den Rat von
Luke Maddison. Er hat mich ruiniert – Geld ist sein Gott. Ich bitte Dich um alles in der Welt, traue ihm nicht. Er hat mich von einer Torheit in die andere getrieben. Gott segne Dich. Rex.«
Wieder und wieder