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Winnetou Band 2. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Winnetou Band 2 - Karl May


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unseres Beistandes zu bedienen. Der Fall war für ihn

       ebenso betrübend wie für sein Geschäft gefährlich.

       Er besaß ein einziges Kind, einen Sohn, Namens William, fünfundzwanzig Jahre alt und unverheiratet,

       dessen geschäftliche Dispositionen dieselbe Gültigkeit hatten, wie die des Vaters, der mit einer deutschen

       Frau verheiratet gewesen und selbst deutscher Abstammung war. Der Sohn, mehr träumerisch als

       tatkräftig angelegt, hatte sich mehr mit wissenschaftlichen, schöngeistigen und Büchern metaphysischen

       Inhaltes als mit dem Hauptbuch beschäftigt und sich nicht nur für einen bedeutenden Gelehrten, sondern

       sogar für einen Dichter gehalten. In dieser Überzeugung war er durch die Aufnahme einiger Gedichte in

       einer der deutschen Zeitungen New Yorks bestärkt worden. Auf irgend eine Weise war er auf die Idee

       geraten, eine Tragödie zu schreiben, deren Hauptheld ein wahnsinniger Dichter sein sollte. Um dies zu

       können, hatte er gemeint, den Wahnsinn studieren zu müssen, und sich eine Menge darauf bezüglicher

       Werke angeschafft. Die schreckliche Folge davon war gewesen, daß er sich nach und nach mit diesem

       Dichter identifizierte und nun glaubte, selbst wahnsinnig zu sein. Vor kurzem hatte der Vater einen Arzt

       kennen gelernt, welcher angeblich die Absicht gehabt hatte, eine Privatheilanstalt für Geisteskranke

       gründen zu wollen. Der Mann wollte lange Zeit Assistent berühmter Irrenärzte gewesen sein und hatte

       dem Bankier ein solches Vertrauen einzuflößen gewußt, daß dieser ihn gebeten hatte, die Bekanntschaft

       seines Sohnes zu machen, um zu versuchen, ob sein Umgang mit dem letzteren von guter Wirkung sei.

       Von diesem Tage an hatte sich eine innige Freundschaft zwischen dein Arzte und Ohlert junior

       entwickelt, welche die ganz unerwartete Folge hatte, daß beide ganz plötzlich - - verschwanden. Nun erst

       hatte der Bankier sich genauer nach dem Arzte erkundigt und erfahren, daß derselbe einer jener

       Medizinpfuscher sei, wie sie zu Tausenden in den Vereinigten Staaten ungestört ihr Wesen treiben.

       7

       Tailor fragte, wie dieser angebliche Irrenarzt heiße, und als der Name Gibson und dessen Wohnung

       genannt wurde, stellte es sich heraus, daß wir es da mit einem alten Bekannten zu tun hatten, welchen ich

       bereits wegen einer anderen Angelegenheit einige Zeit lang scharf im Auge gehabt hatte. Ich besaß sogar

       eine Photographie von ihm. Sie lag im Bureau, und als ich sie Ohlert zeigte, erkannte dieser sofort den

       zweifelhaften Freund und Arzt seines Sohnes.

       Dieser Gibson war ein Schwindler ersten Ranges und hatte sich lange Zeit in verschiedenen

       Eigenschaften in den Staaten und Mexiko herumgetrieben. Gestern war der Bankier zu dem Wirt

       desselben gegangen und hatte erfahren, daß er seine Schuld bezahlt habe und dann abgereist sei, wohin,

       das wisse niemand. Der Sohn des Bankiers hatte eine bedeutende Barsumme mitgenommen, und heute

       war von einem befreundeten Bankhause in Cincinnati die telegraphische Meldung eingelaufen, daß

       William dort fünftausend Dollars erhoben habe und dann nach Louisville weiter gereist sei, um sich von

       dort seine Braut zu holen. Das letztere war natürlich Lüge.

       Es war alle Ursache vorhanden, anzunehmen, daß der Arzt seinen Patienten entführt habe, um sich in den

       Besitz großer Summen zu setzen. William war den hervorragendsten Geldmännern seiner Branche

       persönlich bekannt und konnte von ihnen erhalten, so viel ihm nur beliebte. Infolgedessen galt es, sich

       des Verführers zu bemächtigen und den Kranken nach Hause zu bringen. Die Lösung dieser Aufgabe

       wurde mir anvertraut. Ich erhielt die nötigen Vollmachten und Anweisungen, auch eine Photographie von

       William Ohlert, und dampfte zunächst nach Cincinnati ab. Da Gibson mich kannte, so nahm ich auch

       diejenigen Requisiten mit, deren ich bedurfte, wenn ich in die Lage kommen sollte, mich durch

       Verkleidung unkenntlich zu machen.

       In Cincinnati suchte ich den betreffenden Bankier auf und erfuhr von ihm, daß Gibson sich wirklich bei

       William Ohlert befunden habe. Von da ging es nach Louisville, wo ich in Erfahrung brachte, daß die

       beiden sich Billetts nach St. Louis genommen hatten. Natürlich reiste ich nach, fand aber erst nach

       längerem und angestrengtem Suchen ihre Spur. Hierbei war mir mein alter Mr. Henry behilflich; denn es

       versteht sich ganz von selbst, daß ich ihn sofort aufsuchte. Er war nicht wenig erstaunt, mich als

       Detektive zu sehen, bedauerte den Verlust, den ich durch den Schiffbruch erlitten hatte, auf das

       lebhafteste und nahm mir, als wir uns trennten, das Versprechen ab, nach Lösung meiner jetzigen

       Aufgabe meine Stellung aufzugeben und nach dem wilden Westen zu gehen. Ich sollte dort sein neu

       erfundenes Repetiergewehr probieren, und den Bärentöter wollte er mir auch aufheben.

       Ohlert und Gibson waren auf einem Mississippidampfer nach New Orleans gefahren, wohin ich ihnen

       folgen mußte. Ohlert sen. hatte mir ein Verzeichnis derjenigen Geschäftshäuser gegeben, mit denen er in

       Verbindung stand. In Louisville und St. Louis war ich zu den Betreffenden gegangen und hatte erfahren,

       daß William bei ihnen gewesen sei und Geld erhoben habe. Dasselbe hatte er auch in New Orleans bei

       zwei Geschäftsfreunden getan; die übrigen warnte ich und bat sie, sofort zu mir zu schicken, falls er noch

       kommen werde.

       Das war alles, was ich erfahren hatte, und nun stak ich mitten in der Brandung der Menschenwogen,

       welche die Straßen von New Orleans durchfluten. Wie sich ganz von selbst versteht, hatte ich mich an die

       Polizei gewendet und konnte nun weiter nichts tun, als abwarten, welchen Erfolg die Hilfe dieser Leute

       haben werde. Um nicht ganz untätig zu bleiben, trieb ich mich suchend in dem Gewühl herum. Vielleicht

       kam mir ein günstiger Zufall zu statten.

       New Orleans hat einen ganz entschieden südlichen Charakter, besonders in seinen älteren Teilen. Da gibt

       es schmutzige, enge Straßen mit Häusern, die mit Laubenvorbauten und Balkons versehen sind. Dorthin

       zieht sich dasjenige Leben zurück, welches das Licht des Tages zu scheuen hat. Da sind alle möglichen

       Gesichtsfarben vom krankhaften gelblichen Weiß bis zum tiefsten Negerschwarz vertreten.

       Leierkastenmänner, ambulante Sänger und Gitarrespieler produzieren ihre ohrenzerreißenden Leistungen.

       Männer schreien, Frauen kreischen; hier zerrt ein zorniger Matrose einen scheltenden Chinesen am Zopfe

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       hinter sich her; dort balgen sich zwei Neger, von einem Kreise lachender Zuschauer umgeben. An jener

       Ecke prallen zwei Packträger zusammen, werfen sofort ihre Lasten ab und schlagen wütend aufeinander

       los. Ein dritter kommt dazu, will Frieden stiften und bekommt nun von beiden die Hiebe, welche

       ursprünglich nicht für ihn bestimmt waren.

       Einen bessern Eindruck machen die vielen kleinen Vorstädtchen, welche aus


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