Der viereckige Smaragd. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
schaute auf und sah einen Polizisten vor sich stehen.
»Wie fühlen Sie sich jetzt? Soll ich einen Krankenwagen bestellen? Ich kann Sie gleich in ein Hospital bringen.«
Peter zitterte an allen Gliedern, als er sich aufrichtete.
»Es geht ganz gut«, sagte er etwas unsicher. »Wer waren diese Leute?«
»Ich weiß es nicht. Sie kamen am Ende der Straße an mir vorbei. Es waren sonderbare, kleine Männer mit flachen Nasen und fast affenartigen Gesichtern. Und dann sah ich, wie sie hinter Ihnen her waren, und folgte ihnen. Ich glaube, ich habe Ihr Leben gerettet, junger Mann.«
»Ja, Sie haben mich gerettet.« Peter befühlte seine Kehle.
»Gelaufen sind die Kerle! Ich habe noch niemals einen Menschen so schnell rennen sehen. Hatten Sie denn einen Streit mit ihnen?«
»Nein, ich habe sie in meinem Leben noch nicht gesehen.«
»Hm!« Der Beamte schaute ihn etwas verwundert an. »Ich möchte bloß wissen, wer sie waren. Sie sprachen so ein merkwürdiges Kauderwelsch, das ich nicht verstehen konnte. Ich habe nur ein Wort behalten, vielleicht waren es auch zwei – Orang-Pander oder Bander.«
»Orang Blanga?« fragte Peter schnell und pfiff vor sich hin.
»Dann kennen Sie die Leute also doch?«
»Nein, durchaus nicht, ich vermute nur, welcher Nationalität sie sind – es werden Javaner gewesen sein.«
Der Polizeibeamte wollte ihn nicht gern allein lassen.
»Wo wollen Sie jetzt hingehen?«
»Ich will versuchen, noch eine Unterkunft zu finden.«
Er war noch sehr schwach, denn als er den ersten Schritt tat, drehte sich die Straße und der Polizist um ihn, und wenn der Beamte ihn nicht am Arm gepackt hätte, wäre er hingefallen.
»Wenn ich Sie so allein lasse, werden Sie noch aufgegriffen, weil man annimmt, daß Sie zu viel getrunken haben«, meinte der Mann gutmütig. »Sie wollen eine Unterkunft haben? Warten Sie einmal, ich habe doch irgendwo hier in der Nähe einen Zettel hängen sehen, daß ein Zimmer frei ist.«
Er drehte seine elektrische Taschenlampe an, ging langsam die Straße entlang und leuchtete die Fenster ab. Plötzlich blieb er stehen.
»Hier ist ein Zimmer frei, ich wußte es doch.«
Peter ging langsam und vorsichtig zu ihm hin. Das Licht der Lampe fiel auf ein kleines Plakat an einem Fenster.
›Zimmer an einen anständigen jungen Mann zu vergeben.‹
»Wollen Sie sich hier einquartieren?«
Peter nickte, und der Polizist klopfte leise an die Tür. Es dauerte aber einige Zeit, bis ein schwerer Schritt im Gang hörbar wurde.
»Wer ist dort?« fragte dann eine heisere Stimme.
»Haben Sie keine Angst«, sagte der Beamte. »Ich bin ein Polizist, und hier ist ein Herr, der ein Zimmer sucht.«
Die Tür wurde aufgeschlossen und öffnete sich ein wenig.
»Ich habe zwar ein Zimmer zu vermieten, das stimmt – aber es ist doch ein wenig spät, nicht wahr?«
Der Beamte stieß einen Ruf des Erstaunens aus.
»Sehen Sie einmal an, Sie sind doch Mrs. Inglethorne!«
»Ja, das bin ich«, gab die Frau ärgerlich zu. »Sie von der Polizei kennen mich ja, Sie haben mir schon viel zuleide getan. Mein guter Mann, der so unschuldig wie ein ungeborenes Kind ist, und meinen Mieter, den netten, jungen Mann – beide haben Sie verhaftet!«
Sie betrachtete Peter in dem Schein der elektrischen Taschenlampe. Sie hatte ein aufgedunsenes, rotes Gesicht, einen großen Mund und kleine, zusammengekniffene Augen, war untersetzt und dick. Gekleidet war sie in einen Schlafrock aus rotem Flanell.
»Ich kann Sie nicht aufnehmen, wenn Sie kein Geld haben ich bin früher schon ein paarmal hereingefallen.«
Peter griff in die Tasche, zog eine Pfundnote heraus und zeigte sie ihr.
»Nun gut, kommen Sie herein«, sagte sie mürrisch.
Peter dankte dem Polizisten für seine Hilfe und folgte dann der Frau in den engen, übelriechenden Gang.
Das Schicksal spielte Peter Dawlish einen sonderbaren Streich, als es ihn in das unordentliche Heim von Mrs. Inglethorne führte.
Sie knipste das Licht an und führte ihn auf einer kurzen Treppe mit hohen Stufen in das obere Stockwerk.
»Hier ist das Zimmer.«
Er trat hinter ihr in einen Raum, der nach der Straße zu lag und der beste in dem kleinen Hause war.
Zu seinem größten Erstaunen war er gut eingerichtet. Ein neues Bett stand darin, die Wände waren erst kürzlich neu tapeziert worden, und die beiden billigen Drucke, die den Schmuck des Zimmers bildeten, waren noch in gutem Zustand.
»Hier wohnte mein letzter Mieter, er hat das Zimmer selbst möbliert«, erklärte Mrs. Inglethorne schnell. »Er war wirklich ein netter Mann, der beste und liebenswürdigste, den ich kennengelernt habe.«
»Ist er wieder ausgezogen?«
Sie schaute ihn argwöhnisch von der Seite an, als ob sie dächte, er sei bereits genau über das Schicksal dieses Mannes informiert.
»Man hat ihm fünf Jahre aufgebrummt, weil er in ein Haus in Blackheath eingebrochen hatte. Mein Mann sitzt eine siebenjährige Strafe ab, und es gab wirklich keinen ehrlicheren Menschen als ihn.«
Ein merkwürdiges Zusammentreffen, dachte Peter Dawlish, daß er, der erst kürzlich aus dem traurigen Gefängnis in Dartmoor entlassen worden war, das leere Zimmer eines Mannes beziehen sollte, der eben im Gefängnis vielleicht seinen Platz eingenommen hatte. Er saß womöglich in derselben Zelle, im Flügel B, wo er auch untergebracht gewesen war.
»Zahlen Sie mir – acht Shilling an. Ich werde Ihnen die Pfundnote wechseln und den Rest morgen früh herausgeben.«
Mrs. Inglethorne streckte die Hand aus. In dem hellen Licht der Deckenlampe sah sie noch unvorteilhafter und abstoßender aus.
Aus gewissen Anzeichen schloß er, daß sie trank. Sie nahm das Geld, das er ihr reichte, zog eine Kommodenschublade auf und nahm zwei frische Laken heraus, mit denen sie das Bett bezog. Offenbar war der frühere Mieter an verhältnismäßig großen Luxus gewöhnt, denn die Bettücher waren aus feinstem Leinen. Später entdeckte Peter auch, daß die Kissen und das Plumeau mit besten Daunen gefüllt waren. Das Bett selbst war sehr kostbar und gehörte zu den teuersten, die man in der Tottenham Court Road kaufen konnte.
»Er hat sich nur das Beste angeschafft«, sagte Mrs. Inglethorne, als sie eine Pause in ihrer Beschäftigung machte, um von ihrem abwesenden Mieter zu erzählen.
Gleich darauf ging sie aus dem Zimmer und ließ einen schwachen Geruch nach Schnaps zurück. Peter entkleidete sich langsam und freute sich auf die Nachtruhe, denn seit einer Woche hatte er in keinem Bett gelegen.
Das Lager war angenehm und weich – zu weich. Obwohl er verzweifelt müde war, warf er sich von einer Seite auf die andere und versuchte vergeblich, einzuschlafen. Er hatte etwa zwei Stunden so gelegen, bis er ein wenig einschlummerte. Aber plötzlich wachte er wieder auf.
Ein schriller Schrei hatte ihn geweckt. Er setzte sich aufrecht im Bett und lauschte. Wieder drang dieser unheimliche Laut von unten herauf. Er hielt ihn für das Geschrei einer Katze, denn keine menschliche Kehle schien solche Töne hervorbringen zu können.
Er stand auf, ging zur Tür, öffnete sie und lauschte ins Treppenhaus. Plötzlich erschrak er, denn er hörte das Schluchzen und angstvolle Rufen eines Kindes.
»Ich will zu meinem Vater! Ich will zu meinen Vater!«
Dann hörte er die heisere Stimme von Mrs. Inglethorne. Sie schien