Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2. Dr. Phil. Monika EichenauerЧитать онлайн книгу.
bewilligten immer weniger Psychotherapieleistungen. Es wurden spezifische Vorgaben für erforderliche Ausbildungen gemacht, und vorhandene Ausbildungen – außerhalb der Methoden der Delegationspsychologie – fanden wenig Beachtung, obwohl damit längst erfolgreich gearbeitet worden war. Nun aber sollten wissenschaftlich anerkannte Methoden nachgewiesen werden. Und so ging ein Großteil der psychologischen Psychotherapeuten in durch die KV anerkannte Institute und absolvierte dort zusätzliche Ausbildungen. Dennoch gab man nur 50 % der Diplom-Psychologen im Fachbereich Psychotherapie die Zulassung um eine Praxis zu eröffnen oder zu erhalten. Und schließlich wurde das Honorar für die KV zugelassenen Diplom-Psychologen völlig zusammengestrichen – trotz des am 31. Dezember 1998 verabschiedeten Psychotherapeutengesetzes und trotz der Reduktion der Zahl der Zulassungen. Oder war es wegen des Psychotherapeutengesetzes? Heute arbeiten Diplom-Psychologen als Psychologische Psychotherapeuten ganz brav und zahm in ihren Praxen und warten darauf, dass ein ärztlicher Kollege sie in irgendeinem medizinischen Versorgungszentrum oder in einem anderen Netzwerk haben möchte – nur um auch dort noch bevormundet und ausgenutzt zu werden. Es ist immer das Gleiche: Die hervorragende Arbeit der Psychologischen Psychologen wird gerne genommen, aber bitte umsonst … oder aber preiswert.
In den Medien wurde das tradierte Bild „Psychotherapie“ nicht wirklich korrigiert. Der Grund liegt auf der Hand: Der kleine Mann auf der Straße sollte gefälligst die Finger von der Psychologie und von den Psychologen und der Psychotherapie lassen – im Gegenzug breitet sich populär Wissenschaftliches in Form ungezählter Veröffentlichungen aus und/oder wird im Fernsehen diskutiert oder verfilmt dargeboten. Denn Psychologie und Psychotherapie hätte ihm, dem kleinen Mann, ja helfen können, sich gesünder zu fühlen, gesund zu werden und komplexe Sachverhalte zu erkunden und zu verstehen, Konflikte und Probleme zu lösen und die Zusammenhänge zwischen Körper, Psyche und Seele nachzuvollziehen. Menschen hätten lernen können, Konflikte anders als durch Krankheit zu lösen. Auch Abwehrmechanismen, die gleichzeitig auch Schutzmechanismen sind und irgendwann schädigend einwirken können – wenn sie nicht mehr angemessen sind – wären unter Umständen bewusst geworden, je nach Therapierichtung, und hätten individuell Erkenntnis geben können, weshalb der Patient in bestimmten Situationen schweigt, krank, ohnmächtig oder handlungsunfähig wird. Er hätte sich Fragen beantworten können, die er lieber nicht stellen sollte, wie: Warum bringe ich der politischen und wirtschaftlichen Realität eigentlich so viel Vertrauen entgegen und lasse über mein Leben entscheiden? Der kleine Mann und die kleine Frau sollen sich schließlich von Ärzten und Politikern steuern und kontrollieren, sprich, sich schweigend behandeln lassen – und auf psychische Unterstützung gegen diese Art einschränkender Kultur verzichten. Soziale Hilfen sind vorsichtshalber so kompliziert zu beantragen, dass Bürger schon von alleine abwinken und verzichten. Über all dieses Elend in Form von Kriegen, Wirtschaftspleiten, Gier, Manipulation und Unfreiheit, hervorgerufen von der wissenschaftlich und wirtschaftlich begründeten Kultur, soll geschwiegen werden. Dieses individuelle, persönliche Elend haben die Menschen bitteschön allein zu bewältigen. Still und stumm. Zeugen unerwünscht.
Im Rahmen des cartesianischen Wissenschaftsparadigma existiert keine für alle Wissenschaftsbereiche handhabbare Basis, in der erworbenes Wissen im Sinne des menschlichen Wesens, wieder zusammengeführt wird, damit es dem körperlichen, psychischen und seelischen Wohl von Menschen dienen kann.
Ein Freund und ehemaliger Schulkamerad, Dr. Hans Ulrich Gresch, der 2010 sein Buch „Hypnose, Bewusstseinskontrolle und Manipulation“ veröffentlichte und nun mit einem weiteren Buch zu Hypnose und Spaltungsprozessen befasst ist, schrieb mir als Rückmeldung zu meinen Büchern im Juni 2010 per E-Mail:
„Zur Zeit sind wir ja Zeuge eines höchst interessanten Spaltungsprozesses in unserer eigenen Disziplin sowie in der Schwesterdisziplin Psychiatrie. Alles wird "Neuro". Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Psyche insgesamt abgespalten und der dissoziierte Teil ins Dunkel der Ganglien und Synapsen verbannt wird. Dort ist er dann der zwischenmenschlichen Kommunikation entzogen - und nur noch in einem mystifizierenden fachwissenschaftlichen Diskurs "zugänglich". Mystifizierend - weil natürlich der Kenntnisstand der Neuro-Wissenschaften naturwissenschaftlich fundierte Theorien komplexer psychischer Prozesse (zu denen auch die so genannten psychischen Krankheiten zählen) überhaupt nicht zulässt.
Dies wird im Übrigen auch von führenden Gehirnforschern eingeräumt, die in einem Manifest, das 2004 in Geist & Gehirn erschien, u. a. bemerkten: ‚Nach welchen Regeln das Gehirn arbeitet; wie es die Welt so abbildet, dass unmittelbare Wahrnehmung und frühere Erfahrung miteinander verschmelzen; wie das innere Tun als seine Tätigkeit erlebt wird und wie es zukünftige Aktionen plant, all dies verstehen wir nach wie vor nicht einmal in Ansätzen. Mehr noch: Es ist überhaupt nicht klar, wie man dies mit heutigen Mitteln erforschen könnte. In dieser Hinsicht befinden wir uns gewissermaßen noch auf dem Stand von Jägern und Sammlern.’ Dieses Manifest unterschrieben im Grunde alle die Rang und Namen in der deutschen Neuro-Wissenschaft haben.
Die zeitgenössische Psychiatrie wird demgegenüber nicht müde, psychische Krankheiten als ‚Stoffwechselstörungen des Gehirns’ zu verkaufen und sogar die Psychoanalyse schickt sich an, zur Neuro-Psychoanalyse zu mutieren.
Die Macht der Spaltungsprozesse in der bürgerlichen Gesellschaft könnte eigentlich nicht besser illustriert werden als durch die Tatsache, dass jene Disziplinen, die sich eigentlich anschicken sollten, sie zu überwinden, selbst von diesem Virus befallen sind und dies nicht erst seit Erfindung der bildgebenden Verfahren, durch die es möglich wird, Brainscans zu deuten wie Rorschach-Tintenklekse.
Die Psychiatrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts beispielsweise therapierte und forschte überwiegend mit den Mitteln der Hypnose, also durch absichtliche Erzeugung von Dissoziationen. ‚Hysterikerinnen’ wurden wie Zirkuspferde dressiert und öffentlich zur Schau gestellt. Die ‚multiple Persönlichkeit’ war das Paradigma der psychiatrischen Forschung jener Jahre. Gleichzeitig feierte die Neurologie ihre ersten großen Erfolge und die an Somnambulen gewonnenen Einsichten zur Hysterie wurden neurologisch untermauert.
Dies war die Hochzeit der Neuro-Magie, die bis heute das psychiatrische Denken bestimmt. Die Dialektik der Spaltung brachte allerdings entscheidende Veränderungen der Neuro-Magie hervor. In der offiziellen Psychiatrie und Psychotherapie wurde zunächst die Hypnose versteckt; sie galt zunehmend als anrüchig. Und so spielte auch die Dissoziationstheorie keine Rolle mehr, obwohl sie Ende des 19. Jahrhunderts das psychiatrische Paradigma war.
Freud und Adler verwarfen das Bild des multiplen Bewusstseins zugunsten eines einheitlichen psychischen Apparates; nur C. G. Jung blieb der Dissoziationstheorie treu (was bewirkte, dass seine Richtung sich nicht durchzusetzen vermochte). Dies war eine Dissoziation der Dissoziation, die gekrönt wurde durch die Entwicklung der Verhaltenstherapie, die nunmehr die Psyche insgesamt abspaltete, und, was sich nicht in Verhalten auflösen ließ, ins Dunkel der Blackbox verbannte. Die Blackbox wurde schließlich, tendenziell bereits von Skinner selbst, aufgefüllt mit Neuronen.
Die alte Neuro-Magie des neunzehnten Jahrhunderts ist immer noch da, nunmehr jedoch in larvierter Form: Die Hypnose wurde versteckt in diversen Formen der Psychotherapie, die keine Hypnose sein wollen, wenngleich ihr wirksamer Teil immer noch auf hypnotischen Mechanismen beruht. Auch die Neurologie ist keineswegs eine Theorie, aus der sich die praktischen Maßnahmen ableiten ließen (noch nicht einmal die medikamentöse Behandlung kann neurologisch begründet werden), sondern sie wird wie ein hypnotisches Skript verwendet, um Patienten und das staunende Publikum in Trance zu versetzen.
Diese Spaltung ist teilweise eine Selbsttäuschung, der viele Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen erliegen; dennoch ist das alte psychiatrische Wissen zur Nutzung von Spaltungen nicht verloren gegangen. Es wanderte bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den okkulten Untergrund. Die Symbolfigur dafür ist Gérard Encausse, auch als Mage Papus, bekannt, der nicht nur eine führende Gestalt des Okkultismus im späten 19. Jahrhundert war, sondern auch Klinikchef im Hause des eminenten Neurologen Jules Bernard Luys, dem nicht nur bahnbrechende neurologische Erkenntnisse zu verdanken sind, sondern der zugleich auch psychiatrische Studien zur Hysterie durchführte, in denen die Grenzen zwischen Wissenschaft und Magie äußerst unscharf wurden.
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