Feuer im Schloss. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
räusperte sich unbehaglich, obwohl gar kein Grund zur Verlegenheit da war. Sie schien seine schwache Seite berührt zu haben. »Bitte, sagen Sie mir doch ehrlich, warum Sie hierhergekommen sind.«
»Erstens, weil ich Mr. Lorney gern habe; zweitens, weil mein Leben mehr oder weniger durch einen alten Rechtsanwalt bestimmt wird, der in London wohnt. Wenn er sagt: ›Gehen Sie in ein Internat!‹ dann muß ich in ein Internat gehen. Und wenn er mir rät, meine Ferien in einem Gasthaus in einer gottverlassenen Gegend zu verbringen, dann muß ich das auch tun.«
»Ist er Ihr Familienanwalt?«
Sie wandte sich im Sattel halb zu ihm.
»Habe ich Ihnen meine Lebensgeschichte noch nicht erzählt? Das ist aber wirklich nicht nett von mir ...«
Und sie berichtete ausführlich, während sie weiterritten. Dick hatte kaum Gelegenheit, selbst; etwas zu sagen, bis sie zum Gasthaus zurückkamen.
»Ich kann diesen Romeo nicht ausstehen«, erklärte sie plötzlich ohne jeden Zusammenhang.
»Welchen Romeo?«
»Ich mag ihn einfach nicht«, fuhr sie fort, ohne auf seine Frage einzugehen, »selbst wenn er noch so schicke Pyjamas hat und mir die schönsten Rosen aus Mr. Lorneys Garten zuwirft. Das gibt noch was, wenn er erfährt, daß sie abgerissen worden sind. – Die ganze Sache war beinah romantisch: Ich schaute heute morgen so gegen sieben Uhr zum Fenster hinaus. Allerdings hatte ich ein süßes hellblaues Nachthemd an, und so kann man natürlich dem jungen Mann keinen großen Vorwurf machen. Jung ist andererseits auch wieder übertrieben: Am Hinterkopf hat er schon eine ganz schön dünne Stelle. Männer sollten doch lieber einen Hut aufsetzen, wenn man auf sie herunterschauen kann.«
»Ach, meinen Sie Keller?« fragte Dick überrascht.
»Ja, so heißt er wohl.«
»Warum mögen Sie ihn denn nicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ach, ich weiß nicht. Wahrscheinlich ist es ein Instinkt, der mich vor ihm warnt. Ich möchte nicht wissen, was er von mir dachte, als ich die Rose auffing und sie ihm wieder zuwarf. – Gefällt er Ihnen denn?«
Dick sagte nichts, aber plötzlich wurde er sich vollkommen bewußt, daß er diesen Keller ohne weiteres hätte umbringen können.
»Eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus, nicht wahr? – Haben Sie übrigens den ›Alten‹ zu Gesicht bekommen? Mrs. Harris sagt, er wäre in der vergangenen Nacht draußen auf dem freien Platz vor dem Schloß gesehen worden. Wollen wir nicht einmal die Höhlen durchsuchen, ob wir ihm begegnen? Es heißt, er wäre total verrückt und hätte seinen Wärter mit dem Hammer erschlagen. Aber mir kann ja nichts passieren, wenn Sie dabei sind!«
»Nehmen Sie überhaupt irgend etwas ernst?« fragte er gereizt. Sie schaute ihn bewundernd an.
»Sie nehme ich ernst. Viel ernster als sonst jemanden, der mir bisher den Hof gemacht hat.«
»Aber ich denke ja gar nicht daran, Ihnen den Hof zu machen«, protestierte er entrüstet.
»Nein, dazu hatten Sie ja niemals Gelegenheit. Man kann eine junge Dame schließlich nicht auf dem Tennisplatz umarmen, und auch ein Ritt in die schöne Gegend ist zu dem Zweck nicht gerade praktisch. Nein, hätte heute morgen der Mond statt der Sonne geschienen, so hätte ich wahrscheinlich eine tadellose Julia abgegeben – das heißt, wenn mein Partner nicht gerade Mr. Keller gewesen wäre.«
Kurz vor dem Gasthaus wurde sie wieder ernst und erzählte Dick, wie nett Mr. Lorney zu ihr war. Sie konnte sich erinnern, daß er jedesmal an ihren Geburtstag gedacht hatte, als sie noch ein kleines Kind war, und ihr auch später immer wieder Geschenke geschickt hatte, oft ohne äußeren Anlass.
Auch im vorigen Jahr hatte sie ihre Ferien bei ihm verbracht. Sie merkte, daß er auch abweisend und rau sein konnte, aber ihr gegenüber war er immer von der gleichen Freundlichkeit. Es war eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften, daß er alten Freunden unbedingt treu war.
»Meiner Meinung nach kann er Mr. Keller nicht leiden«, sagte sie abschließend.
Dick wunderte sich darüber, denn er konnte nicht wissen, daß die beiden sich schon von früher kannten.
»Wenn Mr. Lorney Mr. Keller zufällig irgendwo sieht, wendet er kein Auge von ihm. Wenn er erst herausbekommt, daß er seine Rosen abgerissen hat, gibt es Krach.«
Keller stand in der Diele, als die beiden zurückkamen. Wie gewöhnlich war er äußerst elegant angezogen. Dick suchte auf seinem Hinterkopf nach Anzeichen einer beginnenden Glatze, konnte aber nichts dergleichen feststellen.
»Hallo, sind Sie ausgeritten?« fragte Keller unnötigerweise, nickte Dick zu und wandte sich dann mit einem gequälten Lächeln an Anna.
»Ich habe Sie heute morgen schon gesehen.«
Anna übersah seine ihr entgegengestreckte Hand.
»Essen Sie im großen Speisezimmer zu Mittag?« fragte sie.
»Ja«, entgegnete Keller schnell.
»Na, dann sehen Sie mich heute noch dreimal«, tröstete sie ihn und ging die Treppe hinauf, um sich umzuziehen.
Keller sah ihr nach, bis sie oben angekommen war.
»Wer ist das eigentlich?« erkundigte er sich dann bei Dick.
Aber es hörte ihm niemand zu, denn Dick war nach draußen gegangen. Mr. Keller nahm solche Abfuhren nicht übel. Er lächelte gutmütig, ging in die Gaststube, wo das Fremdenbuch lag, und blätterte darin herum, als der Wirt hereintrat.
»Ah, guten Morgen, Mr. Lorney. – Wer ist denn die hübsche junge Dame, die hier im Haus wohnt?«
Mr. Lorney fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah den jungen Mann fest an.
»Mr. Keller, ich habe gehört, daß Ihnen Ihr Zimmer nicht gefällt. Ich stelle Ihnen jetzt Nummer drei zur Verfügung. Die Mädchen haben Ihnen leider ein wenig komfortables Zimmer gegeben.«
»Wer ist denn nun die junge Dame?« wiederholte Keller. »Hat sie Verwandte hier? – Das ist sie doch wohl: Miss Anna Jeans aus Lausanne.«
»Ja, Miss Jeans wohnt hier.«
»Wer ist sie denn?«
»Ein Gast.«
»Sind ihre Angehörigen auch hier?«
Mr. Lorney hatte es satt. »Soviel ich weiß, hat die junge Dame keine Angehörigen, wenn Sie ihre Eltern meinen sollten. Ich kannte ihren Vater, und ich kenne ihren Rechtsanwalt. Sie kommt hierher, um ihre Ferien hier zu verbringen. – Wollen Sie sonst noch was wissen?« fragte er in geradezu beleidigendem Ton.
Mr. Keller lachte unbekümmert.
»Dann können Sie mich ihr eigentlich mal vorstellen.«
»Anscheinend haben Sie sich bereits selbst mit ihr bekannt gemacht. Ich fand eine meiner Rosen unten auf dem Gartenweg. Im allgemeinen ist es nicht nötig, Verbotstafeln anzubringen, daß keine Blumen gepflückt werden dürfen, denn ich habe nur Leute im Haus, die wissen, was sich gehört.«
Keller überhörte diese Grobheit.
»Wie lange haben Sie das Gasthaus eigentlich schon?«
»Zwei Jahre und neun Monate. Ich kann Ihnen das genaue Datum sagen, wenn es Sie interessiert. Viertausendsechshundert Pfund habe ich dafür gezahlt und außerdem fünftausend für Renovierung und Einrichtung ausgegeben. Sind Sie nun zufrieden?«
Keller lachte laut.
»Mit diesem Benehmen werden Sie keine Gäste anlocken. Ich glaube, ich muß Ihnen mal beibringen, etwas höflicher zu sein.«
Lorney sah ihn ruhig an, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Man hat mir gesagt, daß Sie ein reicher junger Mann aus Australien sind. Derartige Leute verliere ich nicht gern als Gäste, aber ich fürchte,