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Die Namenlosen. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Die Namenlosen - Уилки Коллинз


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welchen Beweggründen ich mich mit meinem Verhalten leiten lasse und welche Regelungen für die beiden jungen Frauen zu treffen ich mich gerechtfertigt fühle. Die Anweisungen zu diesen beiden Punkten finden Sie im Detail im nachfolgenden Absatz.

      Ich wünsche, dass die betroffenen Personen ein für alle Mal wissen, wie ich die Umstände betrachte, die das Vermögen meines verstorbenen Bruders in meine Verfügungsgewalt gebracht haben. Sie sollen wissen, dass ich diese Umstände für einen Eingriff der Vorsehung halte, die mir das Erbe wiedergegeben hat, das mir immer hätte gehören sollen. Ich erhalte das Geld nicht nur, weil es mein Recht ist, sondern auch als angemessene Wiedergutmachung für die Ungerechtigkeit, die mir von meinem Vater widerfahren ist, und als angemessene Strafe für meinen jüngeren Bruder wegen der boshaften Intrige, mit der es ihm gelungen ist, mich zu enterben. Sein Betragen als junger Mann war in allen Beziehungen des Lebens gleichermaßen anrüchig, und wie es damals war, so war es (wie sein eigener juristischer Vertreter mir dargelegt hat) auch weiterhin, nachdem ich jeden Umgang mit ihm eingestellt hatte. Offensichtlich hat er der Gesellschaft systematisch eine Frau als seine Ehefrau vorgestellt, die nicht seine Ehefrau war, und hat das moralische Ärgernis noch vollendet, indem er sie später geheiratet hat. Schon mit einem solchen Betragen hat er das Gericht über sich und seine Kinder gebracht. Ich will nicht die Strafe auf mein eigenes Haupt laden, indem ich diese Kinder darin unterstütze, die von ihren Eltern praktizierte Zumutung fortzusetzen, und indem ich ihnen helfe, in der Welt einen Platz einzunehmen, der ihnen nicht zusteht. Sollen sie, wie es sich angesichts ihrer Herkunft schickt, ihr Brot mit Arbeit verdienen. Wenn sie sich geneigt zeigen, die ihnen zukommende Stellung anzuerkennen, werde ich ihnen mit einem Geschenk von jeweils einhundert Pfund helfen, im Leben einen tugendhaften Anfang zu machen. Ich ermächtige Sie, diese Summe auf ihren persönlichen Antrag hin auszuzahlen; dies geschieht mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Quittung und mit der ausdrücklichen Abmachung, dass die derart abgeschlossene Transaktion der Anfang und das Ende meiner Verbindung zu ihnen ist. Die Regelungen, nach denen sie das Haus verlassen, überlasse ich Ihrem Ermessen; ich habe nur noch hinzuzufügen, dass meine Entscheidung in dieser Angelegenheit wie in allen anderen Angelegenheiten definitiv und endgültig ist.“

      Zeile für Zeile und ohne auch nur einmal von den vor ihr liegenden Seiten aufzublicken, las Magdalen die abscheulichen Sätze von Anfang bis Ende. Die anderen im Zimmer versammelten Personen sahen sie alle eifrig an und bemerkten, wie das Kleid über ihrer Brust sich schnell und schneller hob und senkte – bemerkten, wie die Hand, mit der sie das Schriftstück anfangs locker festgehalten hatte, sich unbewusst eng um das Papier schloss und es knüllte, während sie sich mehr und mehr dem Ende näherte – aber sonst entdeckten sie keine äußeren Anzeichen für das, was in ihr vorging. Sobald sie fertig war, schob sie das Schriftstück schweigend von sich und schlug ganz plötzlich die Hände vor das Gesicht. Als sie sie wieder wegzog, sahen alle vier Personen im Zimmer eine Veränderung an ihr. Irgendetwas in ihrem Ausdruck hatte sich subtil und lautlos geändert, irgendetwas ließ die vertrauten Gesichtszüge selbst für ihre Schwester und Miss Garth plötzlich fremd aussehen; es war etwas, das auch in allen späteren Jahren in Verbindung mit diesem Tag nie mehr in Vergessenheit geraten sollte – und nie beschrieben wurde.

      Als sie sprach, richtete sie die ersten Worte an Mr. Pendril.

      „Darf ich Sie noch um einen weiteren Gefallen bitten, bevor Sie Ihre geschäftlichen Regelungen treffen?“, fragte sie.

      Mr. Pendril antwortete förmlich mit einer Geste der Zustimmung. Magdalens Entschlossenheit, sich in den Besitz der Anweisungen zu bringen, hatte offenbar bei dem Anwalt keinen günstigen Eindruck hinterlassen.

      „Sie haben erwähnt, was Sie freundlicherweise in unserem Interesse getan haben, als sie zum ersten Mal an Mr. Michael Vanstone schrieben“, fuhr sie fort. „Sie sagten, Sie hätten ihm alle Umstände dargelegt. Ich möchte – wenn Sie gestatten – ganz sicher sein, was er wirklich über uns wusste, als er diese Anweisungen an seinen Anwalt geschickt hat. Wusste er, dass mein Vater ein Testament gemacht hatte und dass er sein Vermögen meiner Schwester und mir vermacht hat?“

      „Das wusste er“, sagte Mr. Pendril.

      „Haben Sie ihm berichtet, wie es kam, dass wir in diese hilflose Lage geraten sind?“

      „Ich habe ihm berichtet, dass Ihr Vater sich bei seiner Eheschließung nicht der Notwendigkeit bewusst war, ein neues Testament zu machen.“

      „Und dass nach seinem Besuch bei Mr. Clare ein neues Testament verfasst worden wäre, wenn nicht das grausige Unglück seines Todes eingetreten wäre?“

      „Auch das wusste er.“

      „Wusste er, dass die unermüdliche Güte und Freundlichkeit meines Vaters gegenüber uns beiden…“

      Zum ersten Mal versagte ihr die Stimme; sie seufzte und legte die Hand ermattet an den Kopf. Norah redete beschwörend auf sie ein; Miss Garth redete beschwörend auf sie ein; Mr. Clare saß schweigend da und sah sie mit wachsendem Ernst an. Sie beantwortete die Vorhaltungen ihrer Schwester mit einem schwachen Lächeln. „Ich werde mein Versprechen halten“, sagte sie. „Ich werde niemandem Kummer bereiten.“ Mit dieser Antwort wandte sie sich wieder an Mr. Pendril und wiederholte standhaft die Frage – wenn auch mit anderen Worten.

      „Wusste Mr. Michael Vanstone, dass es das große Anliegen meines Vaters war, die Versorgung für meine Schwester und mich sicherzustellen?“

      „Er wusste es aus den eigenen Worten Ihres Vaters. Ich habe ihm einen Auszug aus dem letzten Brief Ihres Vaters an mich geschickt.“

      „Aus dem Brief, in dem er Sie bat, um Gottes Willen schnell zu kommen und ihm von dem entsetzlichen Gedanken zu befreien, dass für seine Töchter nicht gesorgt ist? Aus dem Brief, in dem er geschrieben hat, er werde im Grab keine Ruhe finden, wenn er uns ohne Erbe zurückließe?“

      „Aus diesem Brief und diese Worte.“

      Sie schwieg, hielt aber die Blicke immer noch standhaft auf das Gesicht des Anwalts gerichtet.

      „Ich möchte das alles in meinem Kopf festhalten, bevor ich fortfahre“, sagte sie. „Mr. Michael Vanstone wusste von dem ersten Testament; er wusste, was die Niederschrift des zweiten Testaments verhindert hat; er wusste von dem Brief und hat die Worte gelesen. Was wusste er außerdem noch? Haben Sie ihn über die letzte Krankheit meiner Mutter in Kenntnis gesetzt? Haben Sie ihm mitgeteilt, dass sie uns ihren Anteil an dem Geld hinterlassen hätte, wenn sie in Ihrer Gegenwart noch einmal ihre sterbende Hand hätte heben können? Haben Sie zu erreichen versucht, dass er sich wegen des grausamen Gesetzes schämt, das Mädchen in unserer Lage Niemandes Kinder nennt und das es ihm erlaubt, uns so zu benutzen, wie er uns jetzt benutzt?“

      „Ich habe ihm alle diese Überlegungen vorgetragen. Ich habe nichts davon im Unklaren gelassen; ich habe nichts davon ausgelassen.“

      Langsam streckte sie die Hand nach den Anweisungen aus und faltete sie wieder zu der Form zusammen, in der sie ihr übergeben worden waren. „Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Mr. Pendril.“ Mit diesen Worten verbeugte sie sich und schob das Schriftstück sanft über den Tisch zurück; dann wandte sie sich an ihre Schwester.

      „Norah“, sagte sie, „wenn wir beide lange leben und alt werden, und wenn du jemals vergessen solltest, was wir Michael Vanstone verdanken – dann komm’ zu mir, und ich werde dich daran erinnern.“

      Sie erhob sich und ging allein durch das Zimmer zum Fenster. Als sie an Mr. Clare vorüberkam, streckte der alte Mann seine Klauenfinger aus und bekam sie fest am Arm zu fassen, bevor sie sich seiner bewusst wurde.

      „Was verbirgt sich hinter Ihrer Maske?“, fragte er, wobei er sie zwang, sich zu ihm hinunterzubeugen, und ihr eindringlich ins Gesicht sah. „Aus welchen Extremen der menschlichen Temperatur kommt Ihr Mut – aus der tödlichen Kälte oder der glühenden Hitze?“

      Sie zuckte zurück und wandte schweigend das Gesicht ab. Jedem anderen lebenden Mann als Franks Vater hätte sie einen solchen bedenkenlosen Einbruch in ihre eigenen Gedanken übelgenommen. Er ließ ihren Arm ebenso plötzlich fallen, wie er ihn ergriffen hatte, so dass sie zum Fenster gehen konnte. „Nein“, sagte er zu sich selbst, „was es auch sein


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