Till Eulenspiegel. Hermann BoteЧитать онлайн книгу.
vorgefunden, als sie nachsah, wie er briet.
Der Pfaffe ging in die Küche zum Feuer und sprach zu Eulenspiegel: »Was spottest du über
meine Magd? Ich sehe sehr gut, daß nur ein Huhn am Spieß steckt, und es sind ihrer doch zwei
gewesen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, es sind ihrer zwei gewesen.« Der Pfaffe sprach: »Wo ist
denn das andere geblieben?« Eulenspiegel sagte: »Das steckt doch da! Tut Eure beiden Augen
auf, so seht Ihr, daß ein Huhn am Spieß steckt! Das sagte ich auch zu Eurer Köchin; da wurde
sie zornig.« Da fing der Pfaffe an zu lachen und sprach: »Meine Magd kann nicht beide Augen
aufmachen, denn sie hat nur eins.« Da sprach Eulenspiegel: »Herr, das sagt Ihr, nicht ich.« Der
Pfaffe meinte: »Das ist geschehen, und dabei bleibt es; aber das eine Huhn ist dennoch weg.«
Eulenspiegel sprach: »Nun ja, das eine ist weg und das andere steckt noch. Ich habe das eine
gegessen, da Ihr gesagt hattet, ich sollte ebenso gut essen und trinken wie Ihr und Eure Magd.
Es tat mir leid, daß Ihr gelogen haben würdet, wenn Ihr die beiden Hühner miteinander
gegessen hättet und ich nichts davon bekommen hätte. Damit Ihr an Euren Worten nicht zum
Lügner würdet, aß ich das eine Huhn auf.« Der Pfaffe war damit zufrieden und sprach: »Mein
lieber Knecht, es ist mir nicht um einen Braten zu tun; aber künftig tue nach dem Willen
meiner Haushälterin, wie sie es gern sieht.« Eulenspiegel sagte: »ja, lieber Herr, gewiß, wie
Ihr mich heißet.«
Was danach die Haushälterin Eulenspiegel tun hieß, das tat er nur zur Hälfte. Wenn er einen
Eimer mit Wasser holen sollte, so brachte er ihn halb voll, und wenn er zwei Stücke Holz fürs
Feuer holen sollte, so brachte er ein Stück. Sollte er dem Stier zwei Bunde Heu geben, so gab
er ihm nur eins, sollte er ein Maß Wein aus dem Wirtshaus bringen, so brachte er ein halbes.
Dergleichen tat er in vielen Dingen. Die Köchin merkte wohl, daß er ihr das zum Verdruß tat.
Aber sie wollte ihm selbst nichts sagen, sondern beklagte sich über ihn bei dem Pfaffen. Da
sagte der Pfaffe zu Eulenspiegel: »Lieber Knecht, meine Magd klagt über dich, und ich bat
dich doch, alles zu tun, was sie gern sieht.« Eulenspiegel sprach: »Ja, Herr, ich habe auch
nichts anderes getan, als was Ihr mich geheißen habt. Ihr sagtet mir, ich könne Euren Dienst
mit halber Arbeit tun. Und Eure Magd sähe gern mit beiden Augen, aber sie sieht doch nur mit
einem Auge. Sie sieht nur halb, also tue ich halbe Arbeit.« Der Pfaffe lachte, aber die
Haushälterin wurde zornig und sprach: »Herr, wenn Ihr diesen nichtsnutzigen Schalk länger
als Knecht behalten wollt, so gehe ich von Euch fort.« So mußte der Pfaffe seinem Knecht
Eulenspiegel gegen seinen Willen den Abschied geben.
Doch verhandelte er mit den Bauern, denn der Küster des Dorfes war kürzlich gestorben. Und
da die Bauern einen Küster nicht entbehren konnten, beriet und einigte sich der Pfaffe mit
ihnen, daß sie Eulenspiegel zum Küster machten.
Die 14. Historie sagt, wie Eulenspiegel in dem Dorf Büddenstedt Küster wurde und wie der
Pfarrer in die Kirche schiß, so daß Eulenspiegel eine Tonne Bier damit gewann.
Als Eulenspiegel in dem Dorf Küster geworden war, konnte er laut singen, wie es sich für
einen Mesner gehört. Nachdem der Pfaffe mit Eulenspiegel wieder einen Küster hatte, stand er
einmal vor dem Altar, zog sich an und wollte die Messe halten. Eulenspiegel stand hinter ihm
und ordnete ihm sein Meßgewand. Da ließ der Pfaffe einen großen Furz, so daß es durch die
ganze Kirche schallte. Da sprach Eulenspiegel: »Herr, wie ist das? Opfert Ihr dies unserm
Herrn statt Weihrauch hier vor dem Altar?« Der Pfaffe sagte: »Was fragst du danach? Das ist
meine Kirche. Ich habe die Macht, mitten in die Kirche zu scheißen.« Eulenspiegel sprach:
»Das soll Euch und mir eine Tonne Bier gelten, ob Ihr das tun könnt.« Der Pfaffe sagte: »ja,
das soll gelten.« Sie wetteten miteinander und der Pfaffe sprach: »Meinst du, daß ich nicht so
keck bin?« Und er kehrte sich um, machte einen großen Haufen in die Kirche und sprach:
»Sieh, Herr Küster, ich habe die Tonne Bier gewonnen.« Eulenspiegel sagte: »Nein, Herr, erst
wollen wir messen, ob es mitten in der Kirche ist, wie Ihr sagtet.« Eulenspiegel maß es aus: da
fehlte wohl ein Viertel bis zu Mitte der Kirche. Also gewann Eulenspiegel die Tonne Bier.
Da wurde die Haushälterin des Pfaffen wiederum zornig und sprach: »Ihr wollt von dem
schalkhaftigen Knecht nicht lassen, bis daß er Euch durchaus in Schande bringt.«
Die 15. Historie sagt, wie Eulenspiegel in der Ostermesse ein Spiel machte, daß sich der
Pfarrer und seine Haushälterin mit den Bauern rauften und schlugen.
Als Ostern nahte, sagte der Pfarrer zu seinem Küster Eulenspiegel: »Es ist hier Sitte, daß die
Bauern jeweils in der Osternacht ein Osterspiel aufführen, wie unser Herr aus dem Grabe
aufersteht.« Dazu müsse er helfen, denn es sei Brauch, daß die Küster es zurichten und leiten.
Da dachte Eulenspiegel: Wie soll das Marienspiel vor sich gehen mit den Bauern? Und er
sprach zu dem Pfarrer: »Es ist doch kein Bauer hier, der gelehrt ist. Ihr müßt mir Eure Magd
dazu leihen. Die kann schreiben und lesen.« Der Pfarrer sagte: »Ja, ja, nimm nur dazu, wer dir
helfen kann, es sei Weib oder Mann; auch ist meine Magd schon mehrmals dabei gewesen.«
Der Haushälterin war das lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Spruch
dazu auswendig. Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie mit sich; er und sie
wollten die drei Marien sein. Und Eulenspiegel lehrte den einen Bauern seine Verse auf
lateinisch. Der Pfarrer war unser Herrgott und sollte aus dem Grabe auferstehen.
Als Eulenspiegel mit seinen zwei Bauern vor das Grab kam – sie waren als Marien
angezogen -, sprach die Haushälterin als Engel im Grab ihren Spruch auf lateinisch: »Quem
quaeritis? Wen suchet Ihr hier?« Da sprach der eine Bauer – die vorderste Marie -, wie ihn
Eulenspiegel gelehrt hatte: »Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenhure.« Als die Magd hörte,
daß sie ihres einen Auges wegen verspottet wurde, ward sie giftig und zornig auf
Eulenspiegel, sprang aus dem Grab und wollte ihm mit den Fäusten ins Gesicht hauen. Sie
schlug aufs Geratewohl zu und traf den einen Bauern, so daß ihm ein Auge anschwoll. Als das
der andere Bauer sah, schlug auch er mit der Faust drein und traf die Haushälterin an den
Kopf, daß ihr die Flügel abfielen. Da das der Pfarrer sah, ließ er die Fahne fallen und kam
seiner Magd zu Hilfe. Er fiel dem einen Bauern ins Haar und raufte sich mit ihm