Blut und Scherben. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.
Ingo Bayer.« Thomas kritzelte nachdenklich auf seinem Block.
Patrick schüttelte den Kopf. »Eckermann und Börder sind im gleichen Alter, können also Kumpels gewesen sein. Wie alt ist dieser Ingo Bayer?«
»Sechsundzwanzig«, antwortete Lars sofort.
»Also zehn Jahre jünger als die anderen beiden. Rainer Eckermann, ich tippe auf Rainer Eckermann.«
»Soll ich weitere Informationen zu dem Mann recherchieren?«, fragte Lars.
»Das ist noch nicht notwendig«, sagte Patrick. »Wir müssen die Fakten zunächst mit unserem Chef durchsprechen.«
»Kein Problem. Dann meldet ihr euch wieder?«
»Ja, machen wir. Lars, danke erst einmal«, rief Thomas ins Telefon.
»Danke!«, schloss sich Patrick an.
Thomas legte auf. Patrick hatte gleich sein eigenes Telefon zur Hand und wählte.
*
Thomas las noch einmal Lars Meiers Bericht. Er konnte sich allerdings nicht auf den Inhalt konzentrieren. Patrick Arnold hatte am Telefon das Wir betont, aber KHK Werner Tremmel ließ nicht davon ab. Es gab in diesen Minuten eine Besprechung, an der Thomas nicht teilnehmen sollte. Ein Zeichen oder nur Ressourcenschonung. Thomas verstand es mehr als Zeichen. Er war der ungeliebte Sohn. Es war nicht das erste Mal, dass Werner Tremmel Thomas bei einer Ermittlungsarbeit ausgegrenzt hatte. Handlangertätigkeiten waren in Ordnung. Thomas durfte Patrick zuarbeiten, den Dreck aufräumen. An Patrick lag es nicht, aber Patrick wollte offensichtlich auch nichts riskieren, wollte Werner Tremmel nicht verärgern. Dieser sture tremmelsche Charakter. Jürgen Kowalski war da anders, und Thomas wusste auch noch, dass sich Kowalski und Tremmel nicht riechen konnten. Thomas war nicht Kowalski, aber da machte Werner Tremmel anscheinend keinen Unterschied. Es gab Gerüchte, dass Werner Tremmel Thomas’ Versetzung zunächst abgelehnt hatte. Tremmel wollte keinen von Kowalskis Leuten, auch wenn Arbeit genug da war.
Thomas atmete tief durch, als plötzlich die Bürotür aufflog. Patrick stürmte in den Raum, griff sich Jacke und war schon fast wieder zur Tür hinaus. Er stoppte.
»Ich habe ihm gesagt, dass du die Infos rangeholt hast.«
»Und?«
Patrick zuckte mit den Schultern. »Du kannst jetzt wenigstens in Ruhe Mittag machen. Wir fahren in die Bunger Allee. Der Alte will sich ein Bild machen, Zeugen finden und verhören.«
»Na dann viel Erfolg.«
Patrick nickte, zögerte noch kurz, verließ dann aber das Büro. Er schloss die Tür leise hinter sich. Die ersten Schritte ging er noch langsam den Flur entlang, dann begann er zu laufen, die Treppe hinunter und nach hinten hinaus auf Parkplatz des Präsidiums. Werner Tremmel stand mit dem Dienstwagen bereits an der Torausfahrt. Patrick öffnete die Beifahrertür und ließ sich in den Sitz fallen. Werner Tremmel gab sofort Gas. Die Fahrt nach Charlottenburg in die Bunger Allee 17 dauerte nur zwanzig Minuten. Werner Tremmel parkte auf dem Gelände einer Tankstelle gegenüber dem Appartementgebäude. Sie gingen über die belebte Straße und standen vor den Klingelschildern.
»Wie viele sind das?«, fragte Werner Tremmel. »Hundert, zweihundert?«
Patrick zuckte mit den Schultern, beugte sich vor und versuchte die Namen auf den Klingelschildern zu entziffern. Werner Tremmel überlegte nicht lange und drückte einen Knopf in der obersten Reihe.
»Der Hausmeister heißt Böhmer oder so, ist ein bisschen schlecht zu lesen.« Werner Tremmel drückte die Klingel gleich ein zweites Mal.
Der Hausmeister hieß Werner Blöhmer, hatte aber ansonsten nichts mit Werner Tremmel gemein. Er war zehn Zentimeter kleiner und bestimmt zwanzig Kilogramm schwerer, dafür aber etwa im selben Alter.
»Börder, natürlich habe ich den gekannt«, begann Werner Blöhmer. »Ich kenne nicht alle Kameraden hier, aber der Börder war so ein Typ, mit dem es immer wieder mal Ärger gab.« Werner Blöhmer zögerte. »Das darf man wohl nicht sagen, wenn einer tot ist, oder.«
»Sie brauchen sich vor uns nicht zurückzunehmen«, sagte Werner Tremmel. »Was heißt Ärger? Warum hat Herr Börder Ärger gemacht?«
Werner Blöhmer zuckte mit den Schultern. »Der Börder hat sich oft mit den anderen Mietern aus dem Haus angelegt. Es gab Beschwerden wegen Lärmbelästigung oder wenn der Börder mal wieder das Treppenhaus zugemüllt hat. Natürlich war Börder nicht der einzige, der aufgefallen ist, aber er hatte so eine Art, konnte sich nicht anpassen.«
»Was ist das hier für eine Gemeinschaft?«
»Gemeinschaft, tolle Umschreibung. Eine Gemeinschaft ist das hier bestimmt nicht. Wir haben im Haus keine Familien, da bleibt das soziale auf der Strecke. Ich habe schon in Häusern gearbeitet, da gab es Familien, da gab es zwar auch mal Streit, aber die Leutchen haben sich besser wieder vertragen. Hier wohnen ja fast nur Männer. Sozialwohnungen. Hier zahlt niemand die Miete selbst. Dafür sind die Wohnungen auch sehr klein, fünfunddreißig Quadratmeter, Küchenecke, separate Nasszelle. Vor zehn Jahren war das hier ein Studentenwohnheim.«
»Wie viele Mieter haben Sie?« Werner Tremmel sah kurz zu Patrick, der aber längst Stift und Block zur Hand hatte und eifrig notierte.
Werner Blöhmer folgte Tremmels Blick, sah dann aber wieder den Kriminalhauptkommissar an. »Zweihundertzehn Einheiten, alles belegt.«
»Nur die Wohnung von Herrn Börder steht leer?«, fragte Werner Tremmel.
»Nein, das gibt es bei uns nicht. Wenn ein Mieter raus ist, haben wir bestimmt zehn Neue, die längst Schlange stehen.«
»Das verstehe ich nicht. Warum haben Sie Herrn Börders Wohnung neuvermietet. Hat er zuletzt nicht mehr hier gewohnt?«
»Doch schon, aber dann soll er ja ins Ausland gegangen sein. Ich dachte erst, der macht Urlaub, aber nach fünf Wochen kam das Schreiben der Sozialbehörde. Die Wohnung wurde gekündigt.«
»Gekündigt?«, wiederholte Werner Tremmel. »Wer hat die Wohnung von Herrn Börder gekündigt, wissen Sie das, hat Ihnen das die Behörde mitgeteilt?«
»Nein, so etwas erfährt man von dort nicht, aber ich habe es anders herausgefunden. Hier gibt es ja den Treppenhausfunk.«
»Und, haben Sie einen Namen?«
»Und ob!«
»Dann schießen Sie mal los«, forderte Werner Tremmel.
»Das ist aber eine längere Geschichte.«
»Kein Problem.«
»Also, ich will da niemanden beschuldigen«, druckste Werner Blöhmer herum.
»Sie können frei heraus reden. Die Beschuldigungen übernehmen wir, wenn wir es für angemessen halten.«
»Das werden Sie, das werden Sie.« Werner Blöhmer atmete durch. »Der Typ heißt Rainer Eckermann. Börder hatte zwar noch zwei, drei andere Kumpels, aber dieser Eckermann war am häufigsten da. Den habe ich ständig zusammen mit Börder im Treppenhaus getroffen. Die haben nachts gefeiert, hatten laute Musik an, haben sich gestritten. Die meisten hier im Haus stört das ja nicht, dennoch hat sich immer jemand über Börder und seinen Kumpel Eckermann beschwert.«
»Sie sprechen von Streitereien?«, fragte Werner Tremmel. »Was meinen Sie genau damit?«
»Da gab es mehrere Vorfälle, aber an einen erinnere ich mich besonders gut.« Werner Blöhmer überlegte. »Das war im Februar, ja im Februar. Ich erinnere mich daran, weil ich an diesem Abend noch zum Schneeschippen raus musste. Ich war gerade so richtig am Schwitzen, da fliegt die Haustür auf. Börder stürzt heraus. Der war natürlich besoffen. Gleich hinterher ist ihm Eckermann auf den Fersen. Dann sind die Fäuste geflogen. Ich wollte natürlich dazwischen, als Börder am Boden lag, und da ist Eckermann auch auf mich losgegangen. Zum Glück hatte ich die Schippe, aber er hat mich beschimpft und bedroht, ja, bedroht hat der mich. Leider gab es keine Zeugen, außer Börder selbst. Der hatte sich inzwischen