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Satan und Ischariot III. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Satan und Ischariot III - Karl May


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eigentlich das, was man unter einem Walde versteht; die Bäume standen nicht dicht und geschlossen bei einander; auch bildete er einen nur schmalen Streifen, durch den wir gingen. Auf der andern Seite war die freie Prairie, und da weideten die Pferde unter der Aufsicht zweier Indianer. Unsere Pferde waren natürlich auch mitgenommen worden.

      Jetzt wurden wir anders gefesselt, sodaß unsere Hände auf den Rücken zu liegen kamen; dann ließ man uns aufsteigen und band uns die Füße an die Sattelgurte. Auch Jonathan Melton bestieg ein Pferd; dann ging es in nördlicher Richtung galoppierend über die Prairie, welche so breit war, daß wir zwei Stunden brauchten, um sie hinter uns zu legen. Auch hier hatte der gestrige Orkan das Gras mit Sand überstreut.

      Nun sahen wir hohe, belaubte Bäume vor uns und gelangten an das südliche Ufer des Canadian, an welchem entlang sich die Straße nach San Petro und Albuquerque zieht. Freilich darf man da nicht an eine Straße nach unsern Begriffen denken. Von einem Wege sieht man nicht das geringste. Es pflegten eben die Ochsenwagen hier zu fahren; das ist alles.

      Zwischen den Bäumen stand eine alte Karrete, bei welcher sechs Pferde weideten. Die Jüdin saß im Grase, erhob sich aber, als wir uns näherten. Zwei Männer, jedenfalls die gemieteten Kutscher, lagen träge am Boden und blieben auch liegen, als wir kamen. Fünf Komantschen hatten da Wache gehalten, sodaß die Schar des Häuptlings aus dreißig Mann bestand.

      »Wir haben sie!« rief Melton der Jüdin zu. »Hier bring ich dir deinen abgeblitzten Anbeter.«

      Bei den letzten Worten deutete er auf mich. Sie lächelte und nickte ihm vergnügt zu, ohne einen Blick auf mich zu werfen. Was konnte ich gegen eine solche Frechheit anders thun, als schweigen! Da aber warf sich einer, von dem ich es am allerwenigsten gedacht hätte, zu meinem Anwalt auf, nämlich der Häuptling selbst. Er wendete sich zu Melton:

      »Du hast Wort gehalten, und ich halte auch das meinige. Ihr könnt weiterfahren, ohne daß wir euch etwas thun oder etwas nehmen. Vorher aber sieh dir einmal die Krieger an! Winnetou und Old Shatterhand waren gefangen und sollten verbrannt werden; sie entkamen trotz ihrer Fesseln am hellen Tage und haben dann den tapfersten Häuptling der Komantschen und zwölf seiner Krieger getötet. Sie haben ihn nicht liegen lassen zum Fraße der Geier und Koyoten, sondern ihn begraben und zu ihm seine Waffen und seine Medizin gelegt, sodaß er ohne Anstand in die ewigen Jagdgründe gelangen konnte. Sie sind unsere Feinde, aber große, berühmte Krieger und ehrliche Männer. Wer aber und was bist du? – –«

      »Ich bin auch ein Gentleman, der – –« fiel Melton ein.

      »Schweig!« unterbrach ihn der Häuptling. »Als du eine so lange Zeit mit Old Shatterhand redetest, lag ich im Busche hinter euch und habe alles gehört, was du ihm gestanden hast. Du bist kein Krieger, sondern ein feiger Dieb und Betrüger. Ich, der ›große Pfeil, bin in den Städten der Bleichgesichter gewesen und habe viel gesehen. Ich sah auch Menschen, welche man eingesperrt hatte, weil sie feige Diebe und Betrüger waren. Damit man sie von tapfern und ehrlichen Leuten unterscheiden konnte, wurden ihnen die Haare vom Kopfe geschoren. Ich halte mein Wort, indem ich dich gehen lasse, aber zur Unterscheidung von diesen kühnen und ehrlichen Männern sollst du vorher das Haar verlieren. Nehmt es ihm mit euern Messern vom Kopfe!«

      »Mein Haar? Mein – –«

      »Schweig, Kröte, sonst nehme ich dir nicht nur das Haar, sondern das Leben!« donnerte ihn der Häuptling an.

      Freiwillig gehorchte Melton dem Befehle nicht; er schrie und zeterte vielmehr aus Leibeskräften, doch half ihm das gar nichts. Er wurde niedergerissen und von zehn, zwölf nervigen, roten Fäusten festgehalten, worauf ein alter Komantsche ihm das Haar mit dem Bowiemesser herunterschabte. Dies kalte und trockene Rasieren schien, nach den Gesichtern zu schließen, die er schnitt, und nach dem Heulen, welches er hören ließ, weder sehr gefühlvoll vorgenommen zu werden, noch überhaupt etwas sehr Entzückendes zu sein.

      Als der Kopf vollständig kahl war, wurde er losgelassen, sprang auf und retirierte hinter den Wagen. Jetzt wendete sich der Häuptling an die Jüdin, welche eben auch hinter dem Wagen verschwinden wollte:

      »Halt, bleib! Der weiße Krieger Old Shatterhand wurde dein Anbeter genannt. Ist er es gewesen?«

      »Ja,« antwortete sie, ohne die Augen niederzuschlagen.

      »Du hast ihn abgewiesen und bist lieber mit dem Manne fortgegangen, der da hinter dem Wagen steckt? Bist du das Weib desselben?«

      »Noch nicht.«

      »Ein rotes Mädchen würde niemals mit einem Manne eine solche Reise machen, dessen Squaw sie nicht ist. Und deine Zunge ist nicht eine Zunge, sondern ein Schlangenzahn, welcher Gift ausspritzt. Tausend rote Squaws und Mädchen würden ja sagen, wenn Old Shatterhand sie begehrte; eine solche Pflanze, wie du bist, wird er nie begehren. Du hast gelogen. Gestehe es!«

      »Ja,« gestand sie kleinlaut.

      »Und wider die Wahrheit spritzest du Gift gegen einen berühmten Krieger, den nur anzuschauen du nicht würdig bist! Du gleichest innerlich dem, mit dem du fahren willst, und sollst ihm auch äußerlich gleichen. Du hast einen großen Krieger beleidigt, der zu stolz war, sich mit einem Worte gegen ein Weib zu verteidigen. Nehmt auch ihr das Haar vom Kopfe! Dann mögen die beiden Kröten dahinfahren, wohin sie wollen!«

      Da erhob die schöne Judith ein Geschrei, welches mich veranlaßte, den Häuptling schnell zu bitten:

      »Avat-Uh ist ein tapferer Mann und großer Krieger; die Squaw ist nicht wert, daß er an sie denkt. Er mag ihr das Haar lassen und sich stolz von ihr und ihrem Gefährten wenden.«

      Da warf er mir einen zornigen Blick zu und antwortete:

      »Wer giebt Old Shatterhand das Recht, einen Befehl des großen Pfeiles‹ zu verbessern? Ein Häuptling und Krieger muß stets wissen, was er redet und thut, und darf nie ein Wort, welches er gesprochen hat, zurücknehmen. Es bleibt dabei. Man nehme auch ihr das Haar!«

      Ich hatte gethan, was ich in meiner hilflosen Lage vermochte, und wendete mich ab, um wenigstens nicht zu sehen, was ich leider hören mußte. Judith schien sich aus allen Kräften zu wehren; sie brüllte, als ob sie gespießt werden sollte. Als sie ruhig war, drehte ich mich wieder um, konnte sie aber nicht sehen, weil sie sich in die Kutsche geflüchtet hatte. Hinter derselben klang jetzt die Stimme Meltons hervor:

      »Der ›große Pfeil‹ mag mir noch einmal sagen, ob er sein Wort halten und die drei Gefangenen wirklich töten wird!«

      »Ich halte mein Wort; sie werden morgen eingemauert,« antwortete der Häuptling. »Nun aber mag das feige Bleichgesicht mit seiner Squaw, die nicht seine Squaw ist, dafür sorgen, daß wir sie nicht länger sehen, sonst nehmen wir ihnen noch mehr als das Haar allein!«

      Die Pferde wurden eiligst vorgespannt, die überflüssigen hinten angehängt; die beiden Kutscher sprangen auf den Bock, Melton stieg zu seiner Judith ein; dann setzte sich das Gefährt in Bewegung. Der Mensch, den wir drüben in Afrika und hier hüben gejagt hatten, entkam abermals, und wir sollten – lebendig begraben werden!

      Wir waren abgestiegen und lagerten im Grase. Die Komantschen hatten heute noch nichts genossen; sie sollten hier essen, ehe der Ritt nach dem Todesthale begonnen wurde.

      Es fiel mir nicht ein, die Hoffnung aufzugeben. Auf Gnade konnten wir freilich nicht rechnen; aber das uns bestimmte Schicksal sollte uns erst morgen werden, und bis dahin hatten wir wenigstens noch zwanzig Stunden Zeit. Und was kann in zwanzig Stunden alles geschehen!

      Von außen her rechnete ich freilich auf keine Hilfe. Wir mußten uns selbst helfen. Aber wie?

      Zunächst lag für uns eine Beruhigung in dem Umstande, daß man uns nicht unnötig vorher quälen zu wollen schien. Der Häuptling hatte gesagt und auch bewiesen, daß er uns achtete. Mehr konnten wir zunächst nicht verlangen.

      Auch wir bekamen zu essen. Es gab Fleisch, und die Portionen, welche wir erhielten, waren so groß wie diejenigen der Komantschen. Da man uns nicht wie Kinder füttern wollte, mußten wir selbst essen, und damit das möglich war, wurden uns die Hände nach vorn frei gegeben, dafür aber die Füße fest zusammengebunden. Natürlich wurde während


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