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Professors Zwillinge: Von der Schulbank ins Leben. Else UryЧитать онлайн книгу.

Professors Zwillinge: Von der Schulbank ins Leben - Else Ury


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längst Urgroßmutter sein, Suse, wenn du die Jungen von Piccola nicht immer verschenkt hättest. Setze doch die Alte aus, wenn es Sommer ist, und behalte lieber eine von den Kleinen.«

      »Meine Piccola aussetzen? Ebenso kannst du mir raten, dich auszusetzen, Herbert. Du wirst noch leichter ohne mich fertig, als meine Piccola.«

      »Koch sie dir sauer«, brummte der Bruder. Trotzdem er sich häufig mit Suse zankte, wünschte er doch, die erste Geige bei seinem Zwilling zu spielen. Er ging in sein nebenan gelegenes Zimmer, nach seinen Laubfröschen zu sehen. Vielleicht prophezeiten die besseres Wetter.

      Plötzlich schrie er in den höchsten Fisteltönen: »Suse – Suse – eine Überraschung – komm' schnell!«

      Die Schwester, die sofort voll Neugier eiligst der Aufforderung nachkommen wollte, blieb mit einem Male stehen. »Nee, ich komme nicht – du schickst mich bloß in den April.«

      Das laute Lachen, das aus dem andern Zimmer zu ihr herüberklang, zeigte, daß sie ihren Zwilling richtig eingeschätzt hatte.

      Auf ihrem niedlichen Rosenknospensofa nahm Suse Platz und starrte nachdenklich auf das geklebte Zeugnis vor sich auf dem Tisch. Eigentlich konnten die Eltern mit der Versetzungszensur ganz zufrieden sein. Daß sie in Mathematik keine Leuchte war, wußten sie ja. Ob Mutti noch böse war? Es war Suses liebevollem Herzen ein unbehagliches Gefühl, wenn sie jemanden erzürnt hatte, und nun gar ihre Mutti! Ach was, sie ging einfach mit ihrer Zensur zu Mutti hinunter. Mutti würde schon wieder gut sein oder es zum mindesten wieder werden.

      Da – am Fenster hemmte das junge Mädchen plötzlich den eiligen Schritt. Suse traute ihren Augen nicht. In bogenartigem Fluge kam es von der Saale herauf. Silberne Bogenflüge über den Weinbergen, über den die bergigen Höhen sich hinaufziehenden Landhäusern. »Die Schwalben – Herbert, die ersten Schwalben sind wieder da!« rief sie aufgeregt ins Nebenzimmer.

      »Jawoll, erster April – für Retourkutschen bin ich nicht zu haben«, kam von dort die Antwort.

      »E..., Herbert!« Man kürzte jetzt ja alles ab, auch das »Ehrenwort« war von den Gymnasiasten der Stadt Jena in »E...« verwandelt worden.

      »Großes oder kleines?« erkundigte sich Herbert noch vorsichtig.

      »Das große Ehrenwort, Herbert, rasch – sonst sind sie heidi!«

      Nun war der Herbert doch zur Stelle.

      »Ob sie wieder bei uns am Sternenhaus nisten werden, Herbert?« Suse war ganz aufgeregt.

      »Schwalben kehren immer wieder zu ihrem Nest zurück. Nur wenn dem Hause ein Unglück zustößt, Feuer oder Blitz, ziehen sie davon.«

      Suses Braunaugen blickten bei den Worten des Bruders ängstlich drein. Eine Heldin war sie nun mal nicht, die Suse Winter.

      Die Zwillinge waren auf den Balkon hinausgetreten, der galerieartig um das Landhaus lief. Wirklich, ein Schwalbenpaar schoß aus der Schar der geflügelten Heimkehrer blitzschnell hinab zum Sternenhaus.

      »Fabelhaft, was die Tiere für ein Gedächtnis haben, daß sie in den fernen, warmen Ländern ihr Nest nicht vergessen und sogar das Haus nach so langer Zeit wiederfinden«, meinte der Junge anerkennend.

      »Quiwitt – quiwitt«, zwitscherten die Schwälbchen am Dachfirst zu Professors Zwillingen hinab. Es klang wie Wiedersehensfreude.

      »Nun wird es Frühling!« sagte Suse, vor Kälte zusammenschauernd. Sie dachte nicht mehr daran, ob Mutti wohl noch ärgerlich auf sie wäre; spornstreichs eilte sie hinab, die Frühlingsbotschaft zu melden.

      »Mutti – Omama – unsere Schwalben sind wieder da!« Jubelnd klang es durch das Haus.

      2. Kapitel

      »Zigarette gefällig?«

      Die Osterzeugnisse waren zur Zufriedenheit der Eltern ausgefallen. Der Professor, aus dem Institut für Erdbebenforschung heimkehrend, drohte zwar seinem Töchterchen: »Ei, Suse, ein Professorenkind, dessen Vater den Gang der Gestirne auf viele Jahre hinaus berechnet, kommt gerade in Mathematik nicht mit? Unser Ferienkind Paul kann dir Nachhilfestunden darin geben. Es ist fabelhaft, wie begabt der Junge für Mathematik und Physik ist.«

      »Bitte sehr, ich habe auch sehr gut in Mathematik, Physik und Naturkunde«, meldete sich der Sohn, der es nicht vertragen konnte, wenn ein anderer mehr gelobt wurde als er. »Ich könnte der Suse mindestens so gut Nachhilfestunden geben wie Paul. Denn ich bin Gymnasiast, Untersekundaner sogar« – Herbert warf sich gewaltig in die Brust – »und Paul hat in seinem Waisenhaus sicherlich keine Mathematik gelernt.«

      »Um so anerkennenswerter ist es, mein Junge, daß Paul in einem Jahre das alles hier nachgeholt hat. Besonders wo er nur abends nach Schluß der Zeiß-Werke die Fachschule besuchen kann«, meinte die Mutter, die Suppe austeilend.

      »Für deine Nachhilfestunden danke ich, Herbert«, lehnte Suse ab. »Sobald ich was nicht begreife, fängst du an zu boxen.«

      »Wenn du in Mathematik begabt bist wie ein neugeborenes Rhinozeros, kannst du dich nicht wundern, wenn ich dir die mathematischen Formeln einbläue«, quiekte Herbert.

      »Ich werde mir meine Tochter selbst vornehmen. Soviel Zeit muß mir mein wissenschaftliches Werk lassen. Was, Suschen, wir beide werden die Mathematik schon zwingen?« Der Professor fuhr zärtlich über das goldbraune Gelock seines Lieblings.

      »Das Beste wäre, Suschen läßt Mathematik Mathematik sein und geht wieder zurück aufs Lyzeum«, mischte sich die Großmama in die Auseinandersetzung. »Da braucht sie nicht soviel Mathematik zu lernen. Es ist unnötig, daß sie ihren armen Kopf mit dem Zeug anfüllt, für das sie nun mal nicht begabt ist. Es müssen doch nicht alle Mädchen studieren. Wir Frauen aus dem vorigen Jahrhundert hatten auch ohne Abiturium eine Vollbildung. Ich glaube nicht, daß die heutige Generation soviel von Goethe und Schiller weiß wie wir.«

      »Oho, Omama, die Jugend von Jena weiß bestimmt mehr von Goethe und Schiller, wo die beiden doch hier gelebt haben«, rief der junge Enkel mit blitzenden Augen. »Und nächstens machen wir eine Schülerfahrt nach Weimar ins Goethe- und Schillerhaus.«

      »Wir auch, Professor Martin fährt mit uns hin. Der kann alles so fein erklären«, berichtete Suse.

      »Na, du wirst wohl mehr Interesse für seine Töchter Inge und Helga, die beiden Martinsgänse, haben, als fürs Goethehaus«, zog der Bruder sie auf. Suse war beleidigt. Immer nannte Herbert ihre Freundinnen die »Martinsgänse«. Unerhört!

      Die Mutter schüttelte den Kopf: »Kinder, müßt ihr euch denn immer und ewig herumzerren! Was war das früher eine Liebe zwischen euch, als ihr noch klein wart. Da wart ihr ein Herz und eine Seele, wie es bei Zwillingen auch sein soll.«

      »Ja, die Flegeljahre!« Suse stieß einen drolligen Seufzer aus.

      »Das ist alles nur äußerlich«, erwiderte die Großmama begütigend. »Im Grunde ihres Herzens haben sie sich noch genau so lieb, unsere Kinder, nicht wahr?«

      »Nee!« sagte Herbert, denn er hielt es eines Untersekundaners für unwürdig, weiche Gefühle zu haben. »Wenn die Suse ausnahmsweise mal nicht ihren Backfischfimmel hat, ist sie ja ganz verdaulich. Aber meist ist sie jetzt total hops.«

      Die glänzenden Braunaugen des Backfisches wurden feucht. Die Lippen, die sich gerade dem Löffel Suppe öffneten, zitterten. Suse kämpfte gegen aufsteigende Tränen. Wenn sie sich bloß ihre Empfindlichkeit abgewöhnen könnte! Die gab immer wieder neuen Neckstoff für ihren Zwilling.

      Zum Glück brachte Minna das Gemüse und Fleisch herein. Herbert hatte genug damit zu tun, den Hals zu recken und wie sein Bubi zu schnuppern, was es Gutes gäbe.

      »Also das ist heute die Henkersmahlzeit, Minna«, scherzte der Professor.

      »Henkersmahlzeit, Vater, was bedeutet das?« erkundigte sich Herbert, der allen Dingen auf den Grund ging.

      »Es ist die letzte Mahlzeit, die uns die Minna serviert. Sie verläßt


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