Kowalskis Mörder. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.
Smartphone auf.
»Was hast du den Kollegen erzählt?«
»Kerstin wird dringend im Krankenhaus gebraucht und man konnte sie nicht erreichen.«
»Die sind doch nicht blöd«, sagte Thomas kopfschüttelnd. »So dringend ist es doch in der Pathologie niemals.«
»Ich habe ja auch nichts von der Gerichtsmedizin erzählt, ich habe nur angedeutet, dass Kerstin Ärztin ist und ein Patient ihre Hilfe benötigt.«
»Sehr fantasievoll. Was sagen die, wie lange sie brauchen, um die Adresse zu checken?«
»Zehn Minuten. Sie wollen eine Streife schicken, die ohnehin gerade in der Gegend unterwegs ist.«
Thomas hielt Mareks Smartphone hoch. »Und was machen wir jetzt damit?«
»Hast du es an den Drucker gesendet?«
»Glaub schon, wenn ich es richtiggemacht habe.«
Marek drehte sich um, ging aus dem Wohnzimmer über den Flur ins Arbeitszimmer und kehrte dreißig Sekunden später mit zwei engbedruckten Seiten zurück. Er zog den zweiten Ledersessel neben Thomas’ Platz und setzte sich.
»Fassen wir das doch mal zusammen«, sagte er schließlich. »... Kowalskis Mörder ist in Berlin ... und ... Wir haben Deine Freundin ...«
»Das werden wir dann ja wohl gleich genauer wissen, wenn die Streife sich gemeldet hat.« Thomas sah zum Telefon, das auf dem Sideboard neben der Schale mit dem künstlichen Obst lag.
»Bleibt noch der angebliche Mord an Jürgen.« Marek überflog noch einmal den Ausdruck, der als PDF-Dokument an der HIKE-Nachricht angehängt war. »Meinst du, dass dieser sogenannte interne Bericht aus dem Auswärtigen Amt echt ist?«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Ist von der Aufmachung her etwas schlicht, keine Siegel oder so.«
»Soll ja auch nur ein interner Bericht sein. Kennst du jemanden, der uns die Echtheit bestätigen könnte?«
Thomas zuckte erneut mit den Schultern. »Ich kann bestimmt jemanden auftreiben, aber heute nicht mehr, es sei denn, wir gehen den offiziellen Weg.«
»Gut, gehen wir davon aus, dass das hier echt ist«, sagte Marek und tippte mit dem Finger auf das Papier. »Lass uns doch mal von vorne anfangen. Das ist jetzt gut ein Jahr her, dass Jürgen nach Afghanistan gegangen ist und als eine Art Entwicklungshelfer Afghanische Polizei-Offiziere in Kunduz ausgebildet hat.«
»Das war auch im Februar«, überlegte Thomas. »Ich war vom sechzehnten bis zwanzigsten auf Teneriffa, gleich danach hat Jürgen seinen Ausstand gegeben und ich war ganz überrascht, als es plötzlich hieß, dass du ihn in den drei Monaten vertreten solltest.«
»Ich war auch überrascht, vor allem als Jürgen seine Mission verlängert hat und ich ihn weiterhin der kommissarische Leiter der Operativen Einheit sein sollte.«
»Du warst sein Vertreter, aber wir haben es gemeinsam geschafft, dass man uns aufgelöst hat.« Thomas überlegte. »Zu dem Zeitpunkt hätte Jürgen schon zurückkommen müssen, dann wäre mir Tremmel erspart geblieben.«
»Ist er aber nicht und ich finde, wir haben uns ganz gut selbst wieder ins Spiel gebracht.«
»Ja, meinetwegen, aber als Jürgen im September auf Besuch in Berlin war, habe ich ihm schon gesagt, dass es unsere Operative Einheit ohne ihn ziemlich schwer hat, gegen die anderen Kommissariate im Dezernat anzustinken. Da hat er mir allerdings nicht verraten, dass er seine Ausbildungsmission sogar noch ein zweites Mal verlängern wollte.«
»Ich ...« Marek zögerte. »Ich habe auch mit ihm gesprochen. Vielleicht hat er es dir nicht direkt gesagt, aber wenn er im Mai zurückkommt, will er ohnehin nicht weitermachen, das wollte er im September alles fix machen.«
»Was?«, rief Thomas. »Das höre ich jetzt zum ersten Mal. Will er sich versetzen lassen? Davon hat er mir aber nichts erzählt, das kann nicht sein.«
»Ruhestand«, sagte Marek und überlegte. »Außerdem musst du doch davon gewusst haben. Erinnerst du dich an die E-Mail, die er uns im Juli oder August vergangenen Jahres geschrieben hat?«
»Er hat so oft geschrieben. Im Juli sagtest du?«
»Ja, du musst dich doch daran erinnern. Wir waren gerade an dem Stolle-Börder Fall dran ...«
»Der Tiefpunkt meine Karriere«, bemerkte Thomas.
»Und gleichzeitig die Auferstehung der Einheit Kowalski, wie sie Roose immer genannt hat«, warf Marek ein.
»Da hast du auch wieder recht. Und Jürgen hat damals geschrieben, dass er an Ruhestand denkt?« Thomas dachte nach. »Stimmt, du hast es mir am Telefon erzählt, dass Jürgen eine E-Mail geschickt hat. Die habe ich nie gelesen, weil ich an dem Tag besonders großen Stress mit Tremmel hatte und so richtig scheiße drauf war.«
»Kann sein, jedenfalls hatte Jürgen vor noch dieses Jahr in den Ruhestand zu gehen. Vom Alter her würde es ja passen.«
Thomas schüttelte den Kopf. »Eigentlich passt das gar nicht zu ihm?«
»Aber als er im September noch einmal in Berlin war, hat er es auch erwähnt« erwiderte Marek. »Wir haben allerdings nur kurz darüber gesprochen.«
»Mir hat er es nicht noch einmal gesagt.« Thomas überlegte. »Ich glaube du hast das falsch verstanden. Jürgen hat immer gesagt, dass er den Job machen will, bis sie ihn zwangsweise in Rente schicken.«
»Dann habe ich es vielleicht wirklich falsch verstanden«, sagte Marek leise und blickte noch einmal auf das PDF-Dokument. »Im September ist Jürgen zurück nach Kunduz und im Dezember ist er dann ...«
»Ich glaube das noch immer nicht«, sagte Thomas kopfschüttelnd. Er überlegte. »Wann hat er sich zuletzt gemeldet? Er muss sich doch Weihnachten gemeldet haben?«
Marek zuckte mit den Schultern.
»Wo sind seine Mails?«, fragte Thomas und zückte sein eigenes Smartphone. »Ich habe doch bestimmt noch seine Mails.«
Marek beugte sich zu Thomas hinüber, der durch seinen Maileingang scrollte. Im Dezember fand er gar nichts, keine Weihnachtsgrüße. Im November auch nichts. Offenbar hatte sich KHK Jürgen Kowalski zuletzt am 10. Oktober des vergangenen Jahres gemeldet.
»Stimmt, die Nachricht habe ich auch bekommen«, sagte Marek. »Das war zwei Wochen, nach seinem Heimaturlaub.«
»Und danach hast du auch nichts mehr von ihm gehört?«
Marek durchsuchte jetzt ebenfalls den Mail-Eingang auf seinem eigenen Telefon, schüttelte dann aber den Kopf. »10. Oktober, die Mail hat er an uns beide geschickt.«
Marek sah einen Anhang an der Mail und öffnete ihn. Auf der Fotografie befand sich Jürgen Kowalski mitten in einer Gruppe von uniformierten Polizisten. Im Hintergrund war ein großes Gebäude zu sehen, an dem die deutsche und die afghanische Flagge gehisst waren. Neben Jürgen Kowalski stand eine kleine Frau mit Kopftuch und einem bodenlangen weißen Umhang. Marek erinnerte sich, dass er im September von seiner Dolmetscherin gesprochen hatte.
»Wir schreiben ihm einfach«, sagte Thomas, nachdem sie sich ein paar Sekunden lang die Aufnahme angesehen hatten. »Oder wir rufen an. Wie spät ist es da jetzt?«
Marek zuckte mit den Schultern. »Drei oder vier Stunden weiter, glaube ich.« Er sah auf seine Armbanduhr. »11:00 Uhr am Vormittag.«
»Das ist ja perfekt. Und ich habe sogar Jürgens Handynummer.«
Er suchte bereits in den Kontakten auf seinem Smartphone und fand auch die Nummer, die er sofort wählte. Marek sah ihn skeptisch an, während Thomas sich darauf konzentrierte, dass eine Verbindung zustande kam.
»Scheiße, tot«, fluchte er und ließ es gleich noch einmal wählen.
Marek suchte in der Zwischenzeit auf seinem eigenen Telefon nach einer anderen Nummer. Thomas fluchte erneut.
»Jürgen hat doch damals