Kowalskis Mörder. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.
hob die Hand, schüttelte dann aber sofort den Kopf. »Jetzt ist besetzt, aber es hat ziemlich lange geklingelt.«
»Warte doch, vielleicht ruft er zurück.«
Marek nickte. »Ich weiß jetzt, dass Jürgen immer in Deutschland angerufen hat und nicht umgekehrt. Er hatte da irgendeinen Zugriff auf ein Satellitentelefon oder so.«
»Satellitentelefon? Du meinst von der Bundeswehr?«
»Nein, die ist da ja nicht mehr. Jürgen hat in der Deutschen Botschaft in Kunduz gewohnt und konnte dort auch die Infrastruktur nutzen.«
»Dann rufen wir in der Botschaft an, die können doch sagen, wo Jürgen gerade ist und ihn vielleicht ans Telefon holen.«
Thomas fing sofort an auf seinem Smartphone zu googeln. Marek sah ihm zu, begann dann selbst auf seinem Gerät zu suchen.
»Ich habe da eine Nummer«, rief Thomas plötzlich.
»Die siebenundsiebzig sechsundsechzig am Ende?«
»Ja, genau, Vorwahl null, null, neun, drei.« Thomas tippte die Zahlen in sein Telefon, musste aber feststellen, dass ein Besetztzeichen erklang noch bevor er die vollständige Nummer gewählt hatte. Er versuchte es dreimal.
»Lass es, hier steht, dass es von Deutschland aus derzeit nicht möglich ist, eine Verbindung zu bekommen. In dringenden Fällen soll man sich an das Auswärtige Amt wenden, wenn man Kontakt zur Botschaft oder dem Botschafter aufnehmen will.«
»Das ist doch ein dringender Fall«, rief Thomas. »Lass uns beim Auswärtigen Amt anrufen.« Er stockte, und obwohl er den Vorschlag gemacht hatte, schüttelte er jetzt den Kopf. »Ich denke, es ist einfacher, Kerstin zu finden und diese Sache erst einmal zu klären.«
Marek nickte und tippte dabei etwas in sein Smartphone. »Ich schreibe Jürgen eine Mail. Vielleicht meldet er sich, noch bevor wir uns beim Auswärtigen Amt lächerlich machen. Ich nehme dich in Kopie.«
Thomas hatte sich noch einmal den PDF-Ausdruck genommen und studierte den Text. »Hier steht, der Verlauf der Entführung kam so überraschend, dass die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere das Auswärtige Amt einen Nachrichtenstopp verhängt haben. Über den Vorfall soll bis auf weiteres nichts nach außen dringen ...«
»So etwas können die gar nicht verheimlichen«, sagte Marek. Er tippte wieder auf seinem Smartphone. »Irgendwo im Netz muss es einen Hinweis geben, das Teil hier ist nur so langsam. So ein Mist.«
Er sprang auf, griff sich im Vorbeigehen das Festnetztelefon vom Sideboard und verließ den Raum. Thomas folgte ihm ins Arbeitszimmer. Es dauerte ein paar Minuten, bis Mareks Laptop hochgefahren war. Dann saßen sie weitere zehn Minuten vor dem Rechner, ohne dass die Suche zu einem konkreten Ergebnis führte.
»Also glauben wir das jetzt, was hier abgeht?«, fragte Thomas schließlich.
»So lange wir Kerstin nicht erreichen ...«, antwortete Marek unschlüssig. Er überlegte. »Wenn es stimmt, dann stellt sich nur die Frage, ob nicht vielleicht auch der Innensenator gewusst hat, was mit Jürgen passiert ist, wenn überhaupt etwas passiert ist.«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Das sind doch zwei unterschiedliche Behörden, der Innensenator von Berlin und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. Das sind sogar zwei verschiedene Welten.«
»Ja, aber der Innensenator muss doch was gewusst haben. Die haben Jürgen doch auch nur freigestellt und nicht zum Auswärtigen Amt versetzt.« Marek überlegte. »Wie hieß noch der Typ, der uns damals den Reisebürofall wegnehmen wollte, der mich angerufen hat, dieser Referent?«
»Jürgen Haitmann«, sagte Thomas, »aber den kannst du nicht fragen, der nimmt dir die Sache doch noch immer übel. Der hat doch auch einen Anschiss bekommen, als wir Lorenz Mittag in Babelsberg geschnappt haben.«
»Wer könnte uns das mit Jürgen denn sonst noch bestätigen?«
»Na, vielleicht doch der Polizeipräsident«, meinte Thomas und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
»So kommen wir nicht weiter. Also können wir das, was mit Jürgen passiert ist, glauben oder nicht.« Marek nahm das zweite Blatt. »Ob wir es glauben, ist allerdings entscheidend für das hier. Kennst du diesen Harald Prossmann?«
»Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, aber mir fällt nicht ein, warum. Der ist auch beim Auswärtigen Amt. Das sind doch gerade die Typen, die uns mit Jürgen verarscht haben, wenn das Ganze selbst keine richtig große Verarsche ist. Was macht ein Staatssekretär eigentlich?«
»Das ist ein Beamter, der höchste Beamte in einem Ministerium«, erklärte Marek. »Kommt wahrscheinlich gleich nach dem Minister. Allerdings gibt es im Auswärtigen Amt drei Staatssekretäre. Michael Roth ist von der SPD und Staatsminister für Europa. Maria Böhmer ist das Gegenstück von der CDU.«
Thomas nickte. »Staatminister, was du alles weißt.«
»Ich habe das vorhin auch erst gegoogelt, da findet man wirklich alles.«
»Wenn das immer so stimmt«, stellte Thomas fest.
Marek zuckte mit den Schultern. »Wird schon alles richtig sein. Das darf man nicht unterschätzen, was alles plötzlich im Internet auftaucht und der Wahrheit entspricht.«
»Nur von der Sache mit Jürgen stand da nirgends etwas«, warf Thomas ein.
»Das hast du ja eben selbst überprüft«, sagte Marek und überlegte.
»Egal, was ist jetzt mit diesem Prossmann?«
Marek nickte. »Ja, Harald Prossmann ist ebenfalls von der SPD. Er steht eigentlich hinter Roth und Böhmer, aber er hat Ambitionen.«
»Ambitionen?«, wiederholte Thomas.
»Prossmann ist derzeit in den Medien stark vertreten, Er steht seit einem guten halben Jahr sogar unter Personenschutz, wobei nirgends ein direkter Grund dafür angegeben wird ...«
»Da haben wir es doch«, rief Thomas. »Mir kam der Name gleich so bekannt vor.«
»Das würde zu dem hier gut passen.« Marek tippte wieder auf die zweite Seite des Ausdrucks. »Prossmann arbeitet schon seit mehr als zehn Jahren im Auswärtigen Amt und ist ein Experte für die Beziehungen zu Afghanistan und den arabischen Ländern. Prossmanns politische Ambitionen haben anscheinend damit begonnen, dass er sich öffentlich gegen die Politik der Offenen Tür von Kanzlerin Merkel geäußert hat. Er warnt angeblich seit Jahren vor dem Terrorismus, der insbesondere aus den durch die Taliban und den IS unterwanderten Staaten ausgeht und der nach seinen Aussagen bis nach Europa schwappen wird oder sogar schon geschwappt ist.«
»So ganz Unrecht hat der damit ja nicht«, sagte Thomas.
»Ich glaube, es geht hier nicht um Recht haben, sondern darum, dass sich jemand mit entsprechenden Aussagen in die Öffentlichkeit rücken möchte.«
»Und das tut Prossmann?«
»Es sieht zumindest so aus. Seit gut zwei Jahren ist er politisch aktiver. Prossmann wird als SPD-Listen-Kandidat für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus gehandelt.«
»Wann findet die Wahl statt, doch heute nicht, oder?«
»Nein, nein, das ist noch ein bisschen hin, erst im September, aber wenn man da auftrumpfen will, muss man früh beginnen. Prossmann lehnt nicht nur die Politik der Kanzlerin ab, sondern agiert auch gegen den eigenen Mann, gegen unseren Regierenden Bürgermeister Michael Müller. Es wird sogar von einer Konkurrenzsituation innerhalb der Partei gesprochen.«
»Also ist der Mann wichtig, und wer wichtig ist, hat Feinde.« Thomas nahm Marek das Blatt Papier aus der Hand und überflog es selbst noch einmal.
»Jetzt, wo wir das so durchgekaut haben«, sagte Marek nach einer Minute des Schweigens, »glaube ich langsam auch, dass es nur eine Räuberpistole ist, irgendein Gag, der uns den Sonntagmorgen verderben soll.«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Der letzte Satz ist sowohl