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Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt. Rudolf SteinerЧитать онлайн книгу.

Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt - Rudolf Steiner


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aber durch solches Schaffen kommt kein Bild der Welt zustande. Indem Locke nicht, wie es Leibniz tut, in dem Ich selbst den Stützpunkt für eine Weltanschauung sehen kann, kommt er zu Vorstellungen, welche nicht geeignet erscheinen, eine solche zu begründen, weil sie den Besitz des menschlichen Ich nicht zum Innern der Welt zählen können. Eine Weltansicht wie diejenige Lockes verliert den Zusammenhang mit jeder Welt, in welcher das »Ich«, die selbstbewusste Seele, wurzeln könnte, weil sie von vornherein von anderen Wegen zum Weltengrund nichts wissen will, als nur von solchen, die sich im Sinnesdunkel verlieren.

      In Locke treibt die Weltanschauungsentwicklung eine Form hervor, innerhalb welcher die selbstbewusste Seele um ihr Dasein im Weltbilde kämpft, jedoch diesen Kampf verliert, weil sie ihre Erlebnisse nur im Verkehre mit der durch das Naturbild gegebenen Außenwelt zu gewinnen glaubt. Sie muss sich daher jedes Wissen über etwas absprechen, was zu ihrem Wesen außerhalb dieses Verkehres gehören könnte.

      Von Locke angeregt, kam George Berkeley (1684 bis 1753) zu völlig anderen Ergebnissen als jener.

      Berkeley findet, dass die Eindrücke, welche die Dinge und Vorgänge der Welt auf die menschliche Seele zu machen scheinen, doch in Wahrheit in dieser Seele selbst seien. Sehe ich »rot«, so muss ich in mir dieses »Rot« zum Dasein bringen; fühle ich »warm«, so lebt die »Warmheit« in mir. Und so ist es mit allem, was ich scheinbar von außen empfange. Außer dem, was ich in mir selbst erzeuge, weiß ich aber überhaupt von 58 äußeren Dingen nichts. So aber hat es gar keinen Sinn, von Dingen zu sprechen, die materiell, stofflich sein sollen. Denn ich kenne nur, was in meinem Geiste auftritt als Geistiges. Was ich zum Beispiel Rose nenne, ist ganz Geistiges, nämlich eine von meinem Geiste erlebte Vorstellung. Es ist also, meint Berkeley, nirgends etwas anderes als Geistiges wahrzunehmen. Und wenn ich bemerke, dass etwas von außen in mir bewirkt wird, so kann es nur von geistigen Wesenheiten bewirkt sein. Denn es können Körper doch nicht Geistiges wirken. Und meine Wahrnehmungen sind durchaus Geistiges. Es gibt also nur Geister in der Welt, die aufeinander wirken. Das ist Berkeleys Anschauung. Sie wendet die Vorstellungen Lockes in deren Gegenteil um, indem sie alles, was dieser als Eindrücke der materiellen Dinge betrachtet, als geistige Wirklichkeit auffasst, und so sich mit dem Selbstbewusstsein unmittelbar in einer geistigen Welt zu erkennen vermeint.

      Andere haben die Gedanken Lockes zu anderen Ergebnissen geführt. Ein Beispiel dafür ist Condillac (1715 bis 1780). Er meint, wie Locke, alle Welterkenntnis müsse, ja könne nur auf der Beobachtung der Sinne und dem Denken beruhen. Doch schritt er bis zu der äußersten Konsequenz weiter: das Denken habe für sich keine selbständige Wirklichkeit; es sei weiter nichts als eine verfeinerte, umgewandelte äußere Sinneswahrnehmung. Somit dürfen in ein Weltbild, das der Wahrheit entsprechen soll, nur Sinnesempfindungen aufgenommen werden. Seine Erläuterung in dieser Richtung ist vielsagend: Man nehme den seelisch noch ganz unaufgeweckten Menschenleib und denke sich einen Sinn nach dem anderen erwachend. Was hat man nun an diesem empfindenden Leibe mehr als vorher an dem nicht empfindenden? Einen Leib, auf den die Umwelt Eindrücke gemacht hat. Diese Eindrücke der Umwelt haben ganz und gar das bewirkt, was ein »Ich« zu sein vermeint. Diese Weltanschauung kommt zu keiner Möglichkeit, das »Ich«, die selbstbewusste »Seele«, irgendwo zu erfassen, und sie kommt zu keinem Weltbilde, in dem dieses »Ich« vorkommen könnte. Es ist die Weltanschauung, welche dadurch mit der selbstbewussten Seele fertig zu werden sucht, dass sie sie hinwegbeweist. Auf ähnlichen Pfaden wandeln Charles Bonnet (1720-1793), Claude Adrien Helvetius (1715-1771), Julien de La Mettrie (1709-1751) und das 1770 erschienene »System der Natur« (Système de la nature) von Holbach. Es ist in demselben alles Geistige aus dem Weltbilde vertrieben. Es wirken in der Welt nur der Stoff und seine Kräfte, und für dieses entgeistigte Bild der Natur findet Holbach die Worte: »0 Natur, Beherrscherin aller Wesen, und ihr, deren Töchter, Tugend, Vernunft und Wahrheit, seid ihr für immer unsere einzigen Gottheiten.« In de La Mettries »Der Mensch eine Maschine« kommt ein Weltanschauungsbild zutage, das von dem Naturbilde so überwältigt ist, dass es nur noch dieses gelten lassen kann. Was im Selbstbewusstsein auftritt, muss daher vorgestellt werden wie etwa das Spiegelbild gegenüber dem Spiegel. Die Leibesorganisation wäre dem Spiegel zu vergleichen, das Selbstbewusstsein dem Bilde. Das letztere hat, abgesehen von der ersteren, keine selbständige Bedeutung. In »Der Mensch eine Maschine« ist zu lesen: »Wenn aber alle Eigenschaften der Seele von der eigentümlichen Organisation des Gehirns und des ganzen Körpers so sehr abhängen, dass sie sichtlich nur diese Organisation selbst sind, so liegt hier eine sehr aufgeklärte Maschine vor ... Die Seele ist also nur ein nichtssagender Ausdruck, von dem man gar keine Vorstellung hat und den ein scharfer Kopf nur gebrauchen darf, um damit den Teil, der in uns denkt, zu benennen. Nimmt man auch nur das einfachste Prinzip der Bewegung in ihnen an, so haben die beseelten Körper alles, was sie brauchen, um sich zu bewegen, zu empfinden, zu denken, zu bereuen, kurz, um im Physischen und im Moralischen, welches davon abhängt, ihren Weg zu finden« ... »Wenn das, was in meinem Gehirn denkt, nicht ein Teil dieses Eingeweides und folglich des ganzen Körpers ist, warum erhitzt sich dann mein Blut, wenn ich ruhig in meinem Bett den Plan zu meinem Werke mache, oder einen abstrakten Gedankengang verfolge.« (Vgl. de La Mettrie, Der Mensch eine Maschine. Philosophische Bibliothek Bd. 68.) In die Kreise, in welche diese Geister auch Diderot, Cabanis und andere gehören noch zu ihnen wirkten, hat Voltaire (1694 bis 1778) die Lehren Lockes gebracht. Voltaire selbst ist wohl niemals bis zu den letzten Konsequenzen der genannten Philosophen geschritten. Er ließ sich aber selbst von Lockes Gedanken anregen, und in seinen glänzenden und blendenden Schriften ist vieles von diesen Anregungen zu fühlen. Materialist im Sinne der Genannten konnte er selbst nicht werden. Er lebte in einem zu weiten Vorstellungshorizont, um den Geist abzuleugnen. Das Bedürfnis für Weltanschauungsfragen hat er in weitesten Kreisen geweckt, weil er so schrieb, dass diese Weltanschauungsfragen an die Interessen dieser Kreise anknüpften. Über ihn wäre viel zu sagen in einer Darstellung, welche die Weltanschauungsströmungen in die Region der Zeitfragen verfolgen wollte. Das ist mit diesen Ausführungen nicht beabsichtigt. Es sollen nur die höheren Weltanschauungsfragen im engeren Sinne betrachtet werden; daher kann über Voltaire und auch über den Gegner der Aufklärung, Rousseau, hier nichts weiter vorgebracht werden.

      Verliert sich Locke im Sinnesdunkel, so David Hume (1711-1776) im Innern der selbstbewussten Seele, deren Erlebnisse ihm nicht von Kräften einer Weltordnung, sondern von der Macht der menschlichen Gewöhnung beherrscht scheinen. Warum spricht man davon, dass ein Vorgang in der Natur Ursache, ein anderer Wirkung sei? so fragt Hume. Der Mensch sieht, wie die Sonne den Stein bescheint; er nimmt dann wahr, dass der Stein warm geworden ist. Er sieht diese beiden Vorgänge oft aufeinander folgen.

      Deswegen gewöhnt er sich, sie als zusammengehörig zu denken. Er macht den Sonnenschein zur Ursache, die Erwärmung des Steines zur Wirkung. Die Denkgewöhnung verknüpft die Wahrnehmungen, nicht aber gibt es außerhalb in einer wirklichen Welt etwas, was sich als ein solcher Zusammenhang selbst offenbart.

      Der Mensch sieht auf einen Gedanken seiner Seele eine Bewegung seines Leibes folgen; er gewöhnt sich, zu denken, der Gedanke sei die Ursache, die Bewegung die Wirkung. Denkgewohnheiten, nichts weiter meint Hume liegen den Aussagen des Menschen über die Weltvorgänge zugrunde. Durch Denkgewohnheiten kann die selbstbewusste Seele zu Richtlinien für das Leben kommen; sie kann aber in diesen ihren Gewohnheiten nichts finden zum Gestalten eines Weltbildes, das für die Wesenheit außer der Seele eine Bedeutung hätte. So bleibt für Humes Weltanschauung alles, was der Mensch sich an Vorstellungen bildet über die Sinnes- und Verstandesbeobachtung hinaus, ein bloßer Glaubensinhalt; es kann nie ein Wissen werden. Über das Schicksal der selbstbewussten Menschenseele, über ihr Verhältnis zu einer anderen als der Sinneswelt kann es nicht Wissenschaft, sondern nur Glauben geben.

      Leibniz‹ Weltanschauungsbild erfuhr eine in die Breite gehende, verstandesmäßige Ausbildung durch Christian Wolff (geb. 1679 in Breslau, Professor in Halle). Wolff ist der Meinung, es lasse sich eine Wissenschaft begründen, welche durch reines Denken dasjenige erkennt, was möglich ist, was zur Existenz berufen ist, weil es dem Denken widerspruchsfrei erscheint, und so bewiesen werden kann. Auf diesem Wege begründet Wolff eine Welt-, Seelen- Gotteswissenschaft. Es beruht diese Weltanschauung auf der Voraussetzung, dass die selbstbewusste Menschenseele in sich Gedanken bilden könne, die gültig sind für dasjenige, was ganz und gar außerhalb ihrer selbst liegt. Hier liegt das Rätsel, das sich dann Kant aufgegeben fühlte: Wie sind durch die Seele zustandegebrachte


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