El Sendador I. Lopez Jordan. Karl MayЧитать онлайн книгу.
den belebteren Teil der Stadt hinter uns, denn der Organista wohnte draußen ›im Grünen‹, wie er sich ausdrückte. Rechts und links gab es Villen. Ich hatte nicht mehr fünf Minuten bis zur Quinta Tupidos zu gehen. Da lenkte mein Begleiter oder vielmehr Führer in einen ziemlich schmalen Weg ein, der zwischen zwei Landhäusern hindurch führte.
»Wohin?« fragte ich.
»Nach meiner Wohnung. Wir müssen wenigstens ein Glas Wein trinken, wenn Sie keine Zeit haben, mit mir zu speisen. Ich habe Sie ebenso schnell wie herzlich lieb gewonnen. Mein Domicilio liegt gleich hinter diesen zwei Gärten, zwischen denen wir jetzt gehen!«
»Gut, so begleite ich Sie bis an Ihre Türe, an welcher ich mich von ihnen verabschiede. Morgen früh zehn Uhr sehen wir uns ja sicher wieder.«
Bald waren die Gärten zu Ende, und dann standen wir vor einem kleinen Häuschen, welches an seiner niedrigen Außenseite keine Fenster, sondern nur eine Türe hatte. Während wir da, uns verabschiedend, noch einige Worte wechselten, war es mir, als ob ich Schritte hörte. Das leise Geräusch kam von dem Gange her, durch welchen wir soeben gekommen waren. Ich blickte hin.
Ein Sombrero ragte hinter der Ecke der Gartenmauer hervor. Unter diesem Hut mußte ein Kopf, ein Mensch stecken. Der Mann sah, daß er bemerkt worden war. Ein Zurückweichen hätte seiner Absicht nur geschadet, denn es mußte unsern Verdacht erregen; darum wählte er das in dieser Lage beste und trat hervor. Es war der Bravo, vor welchem ich von dem Yerbatero gewarnt worden war.
»Wer ist da? Was wollen Sie, Sennor?« fragte der Organisto in ziemlich kleinlauter Weise. Er war ein winziges Männchen und schien auch kein großer Held zu sein.
Der Gefragte trat um einige Schritte näher, doch so, daß trotz des Mondscheines sein Gesicht unter der breiten Krempe des Hutes so im Dunkeln lag, daß die Züge nicht erkannt werden konnten. Ich war augenblicklich überzeugt, daß es sich um einen Angriff auf mich handle.
»Pardon, Sennores!« antwortete er. »Ich suche die Wohnung des Sennor Arriquez, und man hat mich hierher gewiesen.«
Die Stimme war unbedingt verstellt. Der Mann stand noch drei Schritte von mir entfernt und steckte die Hand in die Tasche.
»Hier wohnt kein Sennor Arriquez«, antwortete der Organista. »Man hat Sie falsch gewiesen.«
Jener trat noch einen Schritt näher; ich aber wendete mich rasch zur Seite, so daß ich wieder drei Schritte zwischen uns legte und den Mond hinter mich bekam. Nun konnte mir die kleinste seiner Bewegungen nicht entgehen.
»Einen Sennor dieses Namens kenne ich nicht«, meinte der Organista kopfschüttelnd. »Vielleicht hat man Ihnen nicht nur eine falsche Wohnung, sondern auch einen falschen Namen genannt.«
»Das glaube ich nicht. Ich meine den fremden Sennor, welcher Orgel gespielt hat.«
»Ah, der steht hier. Aber auch er heißt nicht Arriquez, sondern – –«
Er hielt meine Karte, welcher er noch in der Hand hatte, dem Monde entgegen, um den Namen zu lesen. Dies benutzte der Bravo, indem er sich schnell auf mich warf. Er hatte ein Messer aus der Tasche gezogen. Ein Glück für mich, daß ich gewarnt worden war! Zwar hätte sein Benehmen auf alle Fälle meinen Verdacht erweckt, aber so ganz heiler Haut, wie jetzt, wäre ich wahrscheinlich doch nicht davongekommen. So aber trat ich einen Schritt zur Seite. Die blinkende Klinge zuckte an mir vorüber, und der Kerl bekam von mir einen Fausthieb an den Kopf, daß er taumelte. Gleich hatte ich ihn mit der Linken beim Genick und schlug ihm die Rechte von unten an den Ellbogen, so daß ihm das Messer aus der Hand flog. Dann schleuderte ich ihn gegen die Mauer des Hauses; er sank dort nieder und blieb liegen. Das alles war das Werk nur weniger Augenblicke.
Dem guten Organista war vor Schreck die Karte entfallen. Er stammelte etwas ganz Unverständliches, rang die Hände und schnappte nach Atem; dann aber erhielt er die Sprache zurück und schrie aus Leibeskräften:
»O Unglück, o Traurigkeit! Zu Hilfe, zu Hilfe!«
»Schweigen Sie doch, Sennor!« gebot ich ihm. »Es ist nicht die geringste Gefahr vorhanden.«
»Das ist Verblendung, Herr! Es sind ja Mörder hier! Solche Leute haben stets Helfershelfer bei sich. Wir müssen fort; wir müssen fliehen! Aber wohin, wohin? Was tue ich doch nur? Was – – ah, welch ein Glück! Ich habe doch den Türschlüssel bei mir; ich kann ja in mein Haus! Ich bin gerettet!«
Er schloß schnell auf, trat hinein und schloß die Türe hinter sich zu, ohne mich eingeladen zu haben, mit ihm zu kommen. Er wußte sich in Sicherheit. Ob aber ich nun doch noch abgewürgt oder abgestochen wurde, das war ihm sehr gleichgültig. Er blieb hinter dem Gitter stehen und rief mir durch dasselbe zu:
»Gelobt sei Gott, ich bin gerettet! Machen Sie schnell, daß Sie fortkommen, Sennor!«
»So? Weshalb haben Sie mich nicht mit in Ihr Haus genommen?«
»Danke sehr! Ich will nicht die Rache der Bravos auf mich lenken. Gehen Sie, gehen Sie! Ich darf Sie nicht vor meinem Hause dulden!«
»Ah! Das sagen Sie, trotzdem Sie sich meinen Freund nannten und mir versicherten, daß Sie mich lieben?«
»Wenn die Mörder drohen, da hört alle Liebe und Freundschaft auf. Ich kann mich doch nicht Ihnen zu Gefallen abmurxen lassen!«
»Das verlange ich auch nicht. Ich werde also gehen. Auf Wiedersehen morgen!«
Ich wendete mich von der Türe ab. Da aber rief er mir im Tone des Schreckens nach:
»Was fällt Ihnen ein, Sie Unglückskind! Sie dürfen mich nicht besuchen. Ich muß mir das verbitten!«
Die Angst des kleinen Männchens machte mir Spaß. Der Kerl, welcher mich angefallen hatte, lag, wie es schien, bewußtlos auf der Erde. Ich war überzeugt, daß er keine Helfershelfer hatte, und fühlte mich also ganz sicher. Darum trat ich zur Türe zurück und sagte im Tone des Erstaunens:
»Sie haben mich doch so dringend eingeladen! Wir wollten mit einander um zehn Uhr frühstücken!«
»Frühstücken Sie wo, wann und mit wem Sie wollen, nur nicht bei mir!«
»Sie sind es doch nicht, welcher Angst zu haben braucht, sondern die Feindseligkeit ist ganz gewiß nur gegen mich gerichtet.«
»Ursprünglich ja; aber Sie kennen diese Leute schlecht. Sie sind dem Tode geweiht, und man wird alle Ihre Freunde und jeden, der mit Ihnen verkehrt, auch morden. Keine Partei schont die andere. Machen Sie sich so schnell wie möglich fort! Ich mag mit Ihnen nichts mehr zu tun haben.«
»Gut, so werde ich gehen. Aber haben Sie nicht eine Person bei sich, welche mir helfen kann, den Bravo nach der Polizei zu schaffen?«
»Was denken Sie! Das wäre die größte Dummheit, welche ich begehen könnte. Selbst wenn ich tausend Diener hätte, würde ich Ihnen keinen einzigen von ihnen zur Verfügung stellen. Ich bin viel zu klug, als daß ich etwas tun könnte, was die Rache der Bravos gegen mich herausfordern würde. Lassen Sie ihn liegen und – – Gott sei Dank, da kommt mein Frauchen! Sie bringt Licht, und nun kann mir nichts mehr geschehen. Laufen Sie, laufen Sie! Es ist das allerbeste, was Sie tun können!«
Ich sah einen Lichtschein hinter dem Türgitter und hörte eine scheltende weibliche Stimme. Der gute Organista verschwand. Vielleicht erwartete ihn ein zarter Verweis wegen nächtlicher Ruhestörung. Ich wendete mich zu dem Bravo.
Da mußte ich erkennen, daß mein unnötiges Geschwätz mit dem Kleinen eine Dummheit gewesen war, denn noch war ich nicht ganz bei dem vermeintlich Bewußtlosen, so sprang er plötzlich auf. Er mochte eben in diesem Augenblick die volle Besinnung wieder erlangt haben und schnellte sich nach der Stelle hin, an welcher sein Messer lag. Ich mußte ihm zuvorkommen, denn ich war nicht bewaffnet, und wenn er das Messer erreichte, so konnte er mir wenigstens eine Wunde beibringen. Ich tat also einen raschen Sprung nach der betreffenden Stelle hin, welche mir näher lag als ihm, und streckte zu gleicher Zeit den Arm nach ihm aus. Er warf sich zur Seite, so daß ich ihn nicht fassen konnte, sprang einige Schritte zurück, erhob drohend die Faust und rief mir zu:
»Später