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Die Schlangentrommel. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.

Die Schlangentrommel - Ole R. Börgdahl


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Sie befanden sich in einem Vorratsraum, gingen hinaus in einen schmalen Flur. Es roch sehr stark nach Feuchtigkeit und nach den Tieren. Sie öffneten eine weitere Tür und befanden sich schließlich hinter den Kulissen auf den Rückseiten der Terrarien.

      »Wo sind die Schlangen?«, fragte Arun.

      Nhean hatte den Zoo am Nachmittag besucht. Er hatte sich in der Tropen-Halle umgesehen, war aber nur außen im Besucherbereich gewesen. Er deutete in die Richtung, in die sie gingen.

      »Wir müssen die Labore finden. Die Schlangen nützen uns nichts«, erklärte er.

      Sie erreichten eine Tür und betraten einen gefliesten Raum, von dem weitere Türen abgingen. Nhean versuchte die Schilder zu entschlüsseln.

      »Vene-num viper-inum«, zitierte er eine der Aufschriften. »Viper, Schlange«, folgerte er und drückte den Türknauf herunter. »Abgeschlossen!«

      Arun trat vor und prüfte Schloss und Türblatt. »Die ist zu massiv«, stellte er fest.

      Nhean überlegte. Irgendwo hatte er einen Feuerwehrschlauch gesehen. Er ließ Arun alleine und ging den Weg zurück, den sie durchs Gebäude genommen hatten. Er kam zu der Stahlleiter, die hinauf zum Oberlicht führte. Direkt daneben war ein roter Metallkasten an die Wand geschraubt. Hinter der Glasscheibe des Kastens befand sich neben dem breiten Gewebeschlauch auch eine Handaxt. Nhean öffnete den Metallkasten, griff sich die Axt und eilte zurück. Er wartete nicht, sondern schlug sofort auf das Schloss der Tür ein, neben der Arun wartete. Der erste Schlag zeigte keine Wirkung. Nhean holte noch einmal aus, traf etwas weiter links neben dem Schloss. Die Axtschneide drang in das Türblatt ein. Nhean bog den Axtstiel zur Seite und drückte das Schloss heraus. Gleichzeitig sprang die Tür auf. Eine Sekunde lang starrten sie auf ihr Werk.

      »Das war leicht«, kommentierte Arun.

      Er zog das Türblatt auf. Der Raum war ebenfalls gefliest und fensterlos. Arun fand den Lichtschalter, eine Batterie von Neonröhren flackerte auf. In dem Labor gab es zahlreiche Schränke mit Glastüren. Nhean, der Arun in den Raum gefolgt war, wanderte an ihnen entlang.

      »Hier, das könnte es sein«, sagte er und tippte gegen eine der Scheiben.

      Arun kam zu ihm und sah hinter der Glasscheibe mehrere Fläschchen mit Totenkopfsymbol. Die Aufschrift auf den Fläschchen konnte er nicht entziffern. Der Schrank begann zu brummen.

      »Ein Kühlschrank, das passt doch«, stellte Nhean fest.

      »Wie sollen wir das richtige Gift finden?« Arun war unzufrieden.

      Nhean stellte fest, dass der Kühlschrank verschlossen war. Er setzte die Axt an, der Schlag trieb Risse ins Glas. Der zweite Schlag brach ein Stück Scheibe heraus. Nhean hackte vorsichtig weiter, entfernte alle Scherben. Arun griff in den Schrank, nahm eines der Fläschchen heraus.

      Er schüttelte den Kopf. »Ich will das Gift der Kettenviper.«

      »Wir wissen doch nicht einmal, ob es hier Kettenvipern gibt. Ich habe keine gesehen und das habe ich dir auch gesagt.«

      Arun sah Nhean an. »Das hast du nicht.«

      »Doch habe ich. Reicht es nicht, dass sie hier überhaupt Schlangengift melken. Wir sind schließlich nicht zu Hause.« Nhean zuckte mit den Schultern.

      Arun wandte sich ab. »Wir suchen jetzt die Schlangen. Ich möchte mich selbst davon überzeugen.«

      »Aber wenn es keine gibt, nehmen wir mit, was hier im Schrank ist und verschwinden.«

      »Wo sind die Terrarien?«

      Arun war schon zur Tür gegangen. Nhean folgte ihm. Sie drangen in den Besucherbereich vor, kontrollierten mit der Taschenlampe, was sich hinter den Glasscheiben befand. Die Zeit verging. Nhean wurde unruhig. Sie hatten schon einigen Schaden angerichtet. Er wollte so schnell wie möglich wieder heraus aus dem Gebäude, aus dem Zoo. Arun leuchtete die Terrarien weiter ab, blieb plötzlich stehen.

      »Hier, das könnten sie sein. Ich brauche mehr Licht.«

      Nhean trat neben ihn und sah durch die Scheibe. Die Schlange hatte sich zusammengerollt, lag neben einem kurzen Holzstamm. Dann sah Nhean eine Zweite, die sich an einer Seite des Terrariums entlang schlängelte. Sie wurde durch das Licht der Taschenlampe angezogen. Sie züngelte durch die Spalte in ihrem Maul.

      »Eins, zwei ...« Arun reckte sich. »Drei! Da sind nur drei oder siehst du noch eine?«

      »Wo ist die Dritte?«, fragte Nhean, er zögerte. »Ach dort.« Er suchte weiter, wechselte die Position vor der Glasscheibe, schüttelte dann den Kopf. »Nein, drei, es sind nur drei, mehr sehe ich nicht.«

      »Verdammt«, fluchte Arun. »Das reicht nicht.« Er überlegte. »Aber wir nehmen sie und das nächste Mal werden wir uns genau erkundigen, bevor wir einfach so in einen Zoo einbrechen.«

      *

      Arun hatte es schon einmal gemacht, auf einer Schlangenfarm in Bangkok, aber das war lange her. Im Labor fanden sie Gläser und die Melkfolien. Der gefährliche Teil bestand aber darin, die drei Kettenvipern aus dem Terrarium zu holen. Sie nahmen sich ein Tier nach dem anderen vor. Bei der letzten Schlange hatten sie schon etwas Übung. Nhean fixierte die Viper mit dem Fanghaken, Arun griff den Kopf der Schlange. Er musste aufpassen, nicht von den anderen Schlangen gebissen zu werden, die sie nach dem Melken wieder ins Terrarium gesetzt hatten. Arun hielt den Schlangenkopf. Nhean ließ den Haken zu Boden fallen, nahm den Becher und hielt ihn bereit. Arun klemmte sich den Körper der Kettenviper unter den Arm. Es war das größte Tier und wehrte sich schlängelnd. Mit der linken Hand hielt er den Kopf. In die Rechte nahm er den Becher, den Nhean ihm gab. Mit dem Becherrand spreizte Arun der Schlange das Maul. Er musste aufpassen, nicht abzurutschen. Die Viper entblößte ihre spitzen Fangzähne, die Arun sofort auf die Melkfolie drückte. Bei der ersten Schlange blieb der Giftfluss aus, dann hatte Arun herausgefunden, dass er den Druck auf den Schlangenkopf etwas vermindern musste. Die Schlange schien sich zu entspannen und das Gift lief nach innen in den Becher.

      Es waren bei jedem Tier nur wenige Milliliter von dem gelblichen Sekret. Es dauerte keine Minute, bis der dünne Strom versiegte. Arun befreite die Zähne der Schlange von der Melkfolie. Nhean nahm den Becher entgegen. Für das Zurücksetzen der Schlange ging Arun kein Risiko ein. Nhean öffnete die obere Abdeckung des Terrariums einen Spalt und Arun schleuderte das Tier zurück in seinen Käfig. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nhean hatte die drei Becher auf einem Rollwagen aufgereiht, den sie aus dem Labor mitgenommen hatten. Er hatte dort auch eine Pipette gefunden.

      »Willst du den Hammer gleich hier auffüllen?«, fragte er.

      Arun nickte und griff nach dem Futteral, dass er am Gürtel trug. Er öffnete die Lasche und zog den Schlangenkopfhammer am Schaft heraus. Am Griffstück löste er eine Rändelschraube. Das Innere des Schaftes ließ sich herausziehen. An diesem Teil der Waffe gab es ein Reservoir, das mit einem Gummipfropfen verschlossen war. Arun löste den Pfropfen und Nhean begann mit der Pipette das Gift einzuträufeln. Er setzte mehrmals an, nahm so viel Gift aus den drei Bechern, wie er mit der Spitze der Pipette aufnehmen konnte.

      Arun war nicht zufrieden. »Mit drei, vielleicht vier Schlägen ist das Reservoir wieder leer«, raunte er.

      Er schüttelte noch einmal den Kopf und setzte den Gummipfropfen wieder auf das Reservoir. Der Pfropfen hatte zwei feine Durchlässe. Nachdem das Reservoir wieder im Hammergriff verschraubt war, schoben sich zwei Kanülen in die Durchlässe und tauchten in das Schlangengift ein. Kapillarkräfte sogen das Gift an, das auf diese Weise nach oben bis in die spitzen Zähne des metallischen Schlangenkopfes transportiert wurde. Wenn Arun den Hammer einsetzte, würde jeder Schlag eine tödliche Dosis des Giftes in die Venen seines Opfers injizieren.

      Während Arun noch seine Waffe betrachtete, begann Nhean aufzuräumen. Man würde ihren Besuch in der Tropen-Halle des Rostocker Zoos auf jeden Fall entdecken, dazu hatten sie zu viel Schaden angerichtet. Es ging jetzt darum, dass niemand herausfand, was sie tatsächlich gewollt hatten. Nhean wusch die Becher aus, steckte die verbrauchten Melkfolien ein und demolierte weitere Schränke in dem Labor. Die Polizei sollte nicht gleich


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