Nesthäkchen und ihre Küken. Else UryЧитать онлайн книгу.
ich verstehe ja kein Wort, du darfst der Omama nachher ›Guten Morgen‹ sagen. Ja, du auch, Vronli. Ach Mutti, die Krabben geben keine Ruhe, und ich muß wieder raus zu meiner Sandtorte. Was, ihr bringt einen Streusel- und Mohnkuchen mit, und die Hanne dazu? Aber Mutti, das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen. Das heißt, Kanne ist mir sehr erwünscht, denn mein Flochen ist ja trotz ihres Namens nicht sehr fürs Springen. Aber Kuchen – das kränkt mich direkt in meiner Hausfrauenehre. Hanne, das alte Scheusal, denkt immer noch, ich verstände nichts. Also schön, dann werde ich den Napfkuchen lassen. Aber die Sandtorte ist schon eingerührt. Ja doch, jetzt kommt ihr heran, Jören. Also erst Vronli. Auf Wiedersehen, Muttchen, grüß' Vatchen.«
»Tag, Omama. Ja, Vronli! Ja – ja – Mutti, darf ich Omama heute besuchen? Nee – och nee, Omama, Mutti erlaubt nicht – morgen kommst du zu uns? Ja, morgen ist Muttis Hochzeitstag. Wir freuen uns schon mächtig drauf. Ursel, schubbse doch nicht so doll, dann kommste nimmer dran – – –«
»Nu Lein-Usche Omama duten Tatt saden – – –«
Klein-Ursel schrie vergebens in das Telefon hinein, denn Annemarie, die ihre Sandtorte nicht länger im Stich lassen wollte, hatte bereits angehängt.
Die Eile wäre durchaus nicht nötig gewesen, Annemarie war glänzend beim Kuchenbacken vertreten. Nicht durch Flora, die saß als Blumengöttin augenblicklich im Garten, um Mohrrüben zum Mittag herauszuziehen. Nein, durch ihren Sohn Hansi, der selbst eine Telefonunterhaltung mit der Omama verschmäht hatte, um Mutti zu überraschen und die Sandtorte fertig zu rühren.
Was fehlte denn noch daran? Sand – Sand hatte Mutti bestimmt noch nicht herangetan; Hansi hatte genau aufgepaßt. Ob er welchen vom Spielplatz im Garten holte? Ach was, die Flora hatte ja Scheuersand genug im Abwaschtisch. Hansi streute freigebig davon in den Kuchenteig.
So – nun noch den Wasserstreifen. Hansi hatte eine phänomenale Auffassungsgabe. Er hatte genau behalten, daß Mutti davon gesprochen. Der war ganz leicht zu machen. Bloß mit seinem kleinen Eimerchen mußte er an die Wasserleitung laufen.
Schwapp – war er drin im Teig. Nun gerührt, was Zeug hielt. Mutti würde sich aber mal freuen.
Mütter sind manchmal recht undankbar. Annemarie freute sich gar nicht, als sie den kleinen Kuchenbäcker, kirschrot vor Anstrengung, sich mit der großen Holzkeule herumquälen sah.
»Hansi, wirst du wohl von der Kuchenschüssel fort – wo ist denn die Flora wieder hin? Geh' aus dem Weg, daß ich den Kuchen schieben kann. Der Ofen ist heiß, verbrenne dich nicht.« Annemarie ließ eiligst den Teig in die gefettete Form laufen. Er knirschte ein bißchen merkwürdig. War er auch lange genug gerührt? Sandtorte war Frau Annemaries Spezialität. Hoffentlich legte sie morgen Ehre damit ein.
3. Kapitel
Sieben Jahr sind um und um
Trotzdem der Mond gestern Abend einen Hof gehabt, trotzdem sich nicht nur Floras Augen, sondern auch ihre Hühneraugen unangenehm bemerkbar gemacht hatten, was immer schlechtes Wetter bedeutete, trotzdem der Hahn gekräht hatte – Annemaries Befürchtungen, daß es regnen könnte, erfüllten sich nicht. In sonniger Herbstbläue lachte der letzte Septembertag hernieder, so golden, als hätte er allen Sommerglanz, alles Sommerleuchten noch einmal in sich vereinigt.
»Piebe Honne ßeint, heut' tann mein Tind ada dehn«, war das erste, was in Annemaries Traumland hineindrang. Dann fühlte sie etwas Weiches, Feuchtes an ihrer Nase, und als sie verstohlen blinzelte, wogte es rosenrot. Die letzten Spätrosen, die Rudi ihr bereits im Garten zur Wiederkehr ihres Hochzeitstages geschnitten.
Vor ihrem Bett aber standen drei kleine Hemdenmätze, hielten sich an den Händen und sangen, Ringelreihen hopsend:
»Sieben Jahr sind um und um,
Mutti dreht im Bett sich rum.«
Mit der einen Hand umfaßte Annemarie die Rechte ihres Mannes, welche ihr die Blumen entgegenstreckte, mit der anderen griff sie nach ihrem Trio. Und so hielt sie wortlos für einen Augenblick ihr ganzes, reiches Glück. Sekundenlang nur – und doch eine Ewigkeit.
»Piebe Honne ßeint – tann mein Tind heut' ada dehn?« erkundigte sich ihr Nesthäkchen, das nichts von dem stillinnigen Empfinden der Mutter ahnte, aufs neue.
»Famos – da können wir den Kaffeetisch heut nachmittag im Garten decken.« Jetzt kam Leben in Annemarie. »Also ich gratuliere schön zu unserm Hochzeitstag, Kinder. Rudi, trag' dein Hauskreuz weiter in Geduld!« Das war wieder ganz der Kobold Annemarie, der Doktor Hartenstein dereinst sein Herz gestohlen hatte.
»Weißt' noch, Weible, die Nebelhöhle, der Ulmer Dom und dann zuletzt der Charlottenburger Schlossgarten? Hast es nimmer bereut, gelt, daß uns das Wetter damals dort überraschte?«
»Höchstens, wenn mir's die Räuberbande da drin gar zu arg treibt.« In der Kinderstube tobten Vronli und Hansi bereits wieder, während Klein-Ursel unentwegt sang: »Sieden Sahr sind um und um.« »Oder aber – –,« Annemarie machte ein verschmitztes Gesicht, – »wenn ein gewisser Herr mal seinen Koller kriegt, weil angeblich irgend etwas auf seinem Schreibtisch fehlt, was nachher todsicher doch da liegt. Aber sonst – nie schlechter als bisher, Rudi!«
»Aber wenn's besser ist, schadet's nix, gelt, Herzle?« lachte Rudolf.
Klein-Ursel kam eiligst herbeigelaufen, denn das mochte Nesthäkchen ganz und gar nicht leiden, wenn die Eltern sich küssten.
»Usche pieb haben – Lein-Usche pieb – – –.« Eifersüchtig drängte es sein Blondköpfchen dazwischen.
Der alte Junggeselle drüben mußte sich heute lange gedulden, bis seine drei kleinen Freunde am Gartentor erschienen, um dem Vater »Auf Wiedersehn!« nachzurufen. Nicht etwa, daß die Sprechstundenpraxis ihn so lange zurückhielt. Er konnte sich heute gar nicht entschließen, sein gemütliches Heim zu verlassen. Niemals, nicht einmal in der Zeit seines ersten Eheglückes, war es ihm schöner erschienen. Hatte die Linde jemals sich mit so goldenen Blättern besteckt wie heuer? »Schau, Vronli, das ist sicher das Bäumchen, das andere Blätter hat gewollt. – Du weißt doch, ich hab's dir halt neulich erzählt.« und die Astern blühten und leuchteten heute ganz besonders bunt und farbenfroh. Der Purpurwein, der das weiße Häuslein bis zum Dach hinauf umkletterte, hatte noch in keinem Herbst so in der Sonne geglüht. »Das Haus in der Sonne!« sagte Rudolf Hartenstein leise vor sich hin und wandte den Blick zu der, die für ihn die Sonne seines Lebens geworden, von der alle Helle und Wärme ausging.
Aber o weh – da gab's Wolken. Wolken des Unmuts lagerten auf Annemaries Stirn, während sie einen Kuchen vor ihren Mann auf den Frühstückstisch setzte.
»Sieh nur, Rudi, das elende Geschöpf von einer Sandtorte! Platt wie eine Schildkröte. Wütend bin ich! So schön hellbraun habe ich sie gebacken. Aber das Biest ist absolut nicht gegangen. Weiß der Deibel, woran es liegt. Die Krabben sind mir immerzu dazwischen gekommen. Und das verflixte Flochen muß auch nicht ordentlich gerührt haben.«
»Lixtes Flossen«, echote es irgendwoher vom Erdboden, wo Klein-Ursel umherkroch.
Rudi drohte seiner temperamentvollen Gattin, die mal wieder ihre Zunge laufen ließ, ohne Rücksicht auf ihre kleine Zuhörerschaft, lachend.
»Obacht – Frauli! Die Torte wird halt auch als Schildkröte munden. Deshalb laß dir kein graues Haar nit wachsen, Annemie. Ich wett', Urtantchen und Frau Marianne werden sie nit verschmähen.«
»Tante Albertinchen kann ich das Klietschzeug gar nicht vorsetzen. Das liegt ihr ja wie ein Mühlstein im Magen. Marianne,« – Annemarie lachte schon wieder – »ja, freilich, die ist noch immer kein Kostverächter, besonders wenn es sich um Kuchen handelt. Und die andern Mädel tun mir auch den Gefallen und helfen dem mißratenen Ding den Garaus zu machen. Aber ich schäme mich vor ihnen. Sie müssen doch geradezu denken, ich hätte in den sieben Jahren absolut nichts zugelernt und sei noch derselbe Windhund wie damals. Und am meisten schäm' ich mich vor unserer alten Hanne. Gut, daß die wenigstens noch Kuchen mitbringt. Soll ich die Schildkröte mal sezieren, Rudi?«