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Im Reich des silbernen Löwen I. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Im Reich des silbernen Löwen I - Karl May


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das jetzt fast ausgetrocknete Flußbette ziemlich tief unter uns lag.

      Es war fast ganz dunkel geworden, dennoch erkannte ich, daß das Ufer da, wo wir standen, einen steilen, kahlen Abrutsch hatte, auf welchem man sich ja nicht weit vorwagen durfte, sonst konnte leicht der Boden unter den Füßen weichen und einen mit hinunternehmen. Wir gingen also so lange am Rande hin, bis der Boden sicherer wurde und wieder Bäume trug; die Uferböschung unter uns war mit Büschen bestanden.

      »Ihr müßt Euch geirrt haben, Sir,« flüsterte Jim mir zu. »Die Roten sind nicht in dieser Gegend.«

      »O doch. Ich habe ihre Stimmen deutlich gehört.«

      »So waren sie vorhin da, sind aber nun fort.«

      »Nein; sie sind noch hier; ich weiß es ganz genau.«

      »Man kann sie aber doch weder sehen noch hören!«

      »Das ist wahr; aber ich rieche sie.«

      »Riechen? Alle Wetter! Was müßt Ihr da für eine Nase haben!«

      »Eine ganz gewöhnliche, die aber gerade für Pferdeduft sehr empfindlich ist. Ich rieche die Pferde der Comantschen.«

      »Wo?«

      »Sie sind tief unter uns am Wasser.«

      »Bis da hinunter reicht Eure Nase?«

      »Pshaw! Ihr wißt wohl gar nicht, welche Eigenschaft der Pferdeduft besitzt. Notabene, ich rieche ihn sehr gern. Kommt Ihr in einer großen Stadt an einen Droschkenhalteplatz, so braucht kein Pferd da zu sein, aber der Pferdeduft ist da. Ich wette, um was Ihr wollt, daß – – halt, seht Ihr's, daß ich recht habe? Schaut hinab!«

      Es war unten am Flusse ein kleiner, glühender Funke zu sehen, welcher sich rasch vergrößerte. Da es dunkel geworden war, brannten die Roten ein Feuer an. Daß sie nicht hier oben auf dem hohen Ufer geblieben waren, konnte man leicht begreifen. Unten gab es ja Wasser für sie und ihre Pferde. Aus dem einen Feuer wurden fünf.

      »Das ist gut,« sagte Jim Snuffle. »Da können wir alles sehen, wenn wir uns an sie schleichen.«

      »Sie uns aber auch, wenn wir uns nicht sehr in acht nehmen. Ich habe diese Feuer darum gern, weil auch sie uns sagen, daß sich die Comantschen sicher und unbeobachtet fühlen.«

      »Wir gehen doch hinab, Mr. Shatterhand?«

      »Ja.«

      »Dann schlage ich vor, daß wir uns trennen. Ihr steigt da links und ich dort rechts hinunter oder auch umgekehrt. Da beschleichen wir sie von zwei Seiten, und es entgeht uns nichts. Unten treffen wir wieder zusammen.«

      Weil ich ihm nicht die nötige Geschicklichkeit und Vorsicht zutraute, antwortete ich:

      »Es ist besser, wenn wir beisammen bleiben. Wir steigen hier links hinunter, schleichen uns unten um das Lager und kommen dort rechts wieder herauf. Da sehen wir auch alles und können einander schnell beispringen, wenn einem von uns etwas passieren sollte.«

      »Das ist auch richtig, Sir. Also hinab!«

      Es war gar nicht leicht, da hinunter zu klettern. Das uns vollständig unbekannte Terrain war sehr steil. An den Büschen, die es da gab, durften wir uns nicht anhalten, weil dies Geräusch verursacht hätte, und jeder Stein, den wir von seinem Platze stießen, konnte, hinabrollend, uns verraten. Darum mußten wir uns außerordentlich in acht nehmen, und der Abstieg ging nur sehr langsam von statten. Es verging mehr als eine halbe Stunde, ehe wir hinunterkamen. Gut war es, daß Jim Snuffle sich bewährte; er hatte gelernt, sich unhörbar zu bewegen. ich kletterte voran, und er hielt sich nahe hinter oder über mir; dennoch mußte ich scharf horchen, wenn ich das leise Geräusch, welches er doch verursachte, hören wollte. Er war aber auch stolz darauf und fragte Mich, als wir auf der Sohle des Flußthales angekommen waren:

      »Nun, wie habe ich meine Sache gemacht, Sir?«

      »Ich bin zufrieden,« erklärte ich.

      »Ihr meint also, daß ich das Anschleichen verstehe?«

      »Vom Anschleichen habt Ihr mir doch noch keine Probe gegeben.«

      »Nicht?« fragte er langgedehnt und verwundert.

      »Nein. Das soll doch jetzt erst losgehen.«

      »Jetzt erst? Wie nennt Ihr denn das, was wir bisher gethan haben? War das nicht geschlichen?«

      »Gestiegen war es, vielleicht auch geschlichen, aber nicht angeschlichen. Das Anschleichen beginnt mit dem jetzigen Augenblicke. Ich hoffe aber, daß es Euch ebenso gelingt, wie das Herabsteigen. Haltet Euch stets hinter mir, und geht nicht von mir fort!«

      »Das ist eigentlich gar nicht notwendig, denn ich bin gewohnt und verstehe es, selbständig zu handeln.«

      »Wenn Ihr allein seid oder nur Euern Bruder bei Euch habt, mögt Ihr das thun; jetzt aber bin ich da und wünsche sehr, daß Ihr Euch nach mir richtet.«

      »Well, soll geschehen. Ich sage Euch, daß es für mich das höchste der Gefühle ist, mich nach Old Shatterhand zu richten.«

      Diese Versicherung beruhigte mich zwar nicht ganz, aber sie war doch geeignet, meine Befürchtungen so ziemlich zu heben.

      Wir befanden uns oberhalb der Stelle, an welcher die Indianer lagerten, und mußten uns also abwärts wenden. Das Flußthal war muldenförmig vertieft, senkte sich also nach der Mitte zu und hatte nur soweit Gesträuch, als es vom Hochwasser nicht erreicht werden konnte. Da der Fluß jetzt sehr wasserarm war, gab es zwischen dem Gebüsch und dem Wasser einen freien Streifen, auf den wir uns nicht hinauswagen durften; das Umschleichen der Roten durfte also nicht nach der Wasserseite zu, sondern es mußte in der Weise geschehen, daß wir den Bogen, welcher um das Lager zu schlagen war, an die gefährliche Ufersteilung legten, gewiß eine Aufgabe, welche sehr schwer auszuführen war.

      Zunächst legten wir uns nieder und krochen zwischen den Büschen auf das Lager zu. Wir kamen glücklich so nahe an dasselbe, daß wir es überblicken konnten. Die Comantschen hatten sich eine sehr passende Oertlichkeit ausgewählt. Sie lag nämlich tiefer als die Umgebung, und infolgedessen trat das Hochwasser hier bis ganz an die Thalwand heran. Darum gab es hier kein Gesträuch, sondern einen freien Platz, auf welchem auch ein größerer Trupp sich bequem hätte bewegen können. Uns freilich war dieser Umstand höchst unwillkommen, weil er die Schwierigkeiten erhöhte, welche wir zu überwinden hatten.

      Die Indsmen waren beim Essen; sie unterhielten sich dabei in einer Weise, daß sie sich vollständig sicher fühlen mußten. In ziemlich gleichgroßen Abteilungen um die fünf Feuer gelagert, konnten sie von uns leicht gezählt werden. Es waren einundsiebenzig. Von ihnen allen fiel der Häuptling wegen seines weißen Haares am meisten auf. Er saß am zweiten Feuer, ungefähr dreißig Schritte von uns entfernt, und da er uns das Gesicht zukehrte, konnte ich dieses ganz deutlich sehen.

      »Uff!« stieß ich überrascht, aber natürlich nur leise hervor. »Wenn wir dem in die Hände gerieten, wären wir verloren, selbst wenn er sich nicht auf dem Kriegspfade befände.«

      »Kennt Ihr ihn, Sir?« fragte Jim ebenso leise.

      »Nur zu gut. Es ist To-kei-chun, einer der gefürchtetsten Häuptlinge der Comantschen.«

      »Ein Feind von Euch?«

      »Ja. Ich geriet einst mit Winnetou und einigen andern Männern in seine Gefangenschaft, aus welcher wir nur durch meine edle Dreistigkeit entkamen[1]. Es wurde zwischen ihm und mir vereinbart, daß wir zwar fortreiten durften, er uns aber nach einer kurzen Frist mit seinen Kriegern folgen werde. Natürlich ließen wir uns nicht einholen.«

      »Höchst interessant, Sir! Das müßt Ihr mir erzählen.«

      »Aber nicht jetzt, Mr. Snuffle!«

      »Versteht sich ganz von selbst. Jetzt giebt es anderes zu thun, als von Abenteuern schwatzen.«

      »Allerdings. Wir können leicht eines erleben.«

      »Das wollen wir ja auch. Oder ist es etwa kein Abenteuer, wenn man fünf


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