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Im Reich des silbernen Löwen I. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Im Reich des silbernen Löwen I - Karl May


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gab, auf die Schulter und eilte fort, soweit, bis ich mich sicher fühlte. Da legte ich ihn auf den Boden nieder, zog das Messer, zerschnitt die Riemen, mit denen er gebunden war, und sagte:

      »Ihr seid frei. Steht auf, und versucht einmal, ob Ihr gehen könnt.«

      »Frei?« antwortete er in fremd klingendem Englisch. »O Allah! Ihr seid kein Indianer?«

      »Nein; ich bin ein Weißer. Ich kam, Euch zu befreien, ahnte aber nicht, daß dies in der Weise geschehen könne, wie es jetzt gelungen ist.«

      Nun erst richtete er sich langsam auf, nahm meine beiden Hände und sagte:

      »Frei, frei, frei soll ich sein! Ist das wahr, ist das möglich?«

      »Ihr seht es ja! Ihr seid nicht mehr gebunden!«

      »Allah, Allah, Allah! Frei bin ich, frei, erlöst, errettet von diesen Teufeln! Sagt mir, wer Ihr seid! Ich muß wissen, wem ich das zu danken habe!«

      »Das später. Jetzt vor allen Dingen fort, schnell weiter fort! Hört Ihr die Roten heulen? Sie haben bemerkt, daß Ihr fehlt, und werden nach Euch suchen. Wir dürfen keinen Augenblick verlieren. Also versucht, ob Ihr gehen könnt!«

      Er that einige Schritte, wankte aber und erklärte dann:

      »Es geht nicht, Sir. Ich bin so scharf gefesselt gewesen und fühle meine Füße nicht. Wenn ich gehen will, falle ich um.«

      »Ich kenne das. Es ist, als hätte man kein Füße, und wer keine Füße hat, der kann eben nicht laufen.«

      »Aber wie komme ich fort von hier? Soll ich mich wieder fangen lassen!«

      »Nein. Ich trage Euch.«

      »Tragen? Einen so schweren Mann, wie ich bin!«

      »Pshaw, das ist das Wenigste! Hauptsache ist, daß ich die Hände frei haben muß, denn es gilt, diese steile Höhe zu erklettern. Ich nehme Euch also auf den Rücken, und Ihr haltet Euch fest, indem Ihr Eure Arme um meinen Hals legt. Kommt!«

      Ich steckte die zerschnittenen Riemen ein, welche nicht von den Indianern gefunden werden sollten. Er wollte sich trotz der Gefahr, welche das Zaudern für uns hatte, aus Höflichkeit noch sträuben, von mir getragen zu werden; ich machte aber kurzen Prozeß, nahm ihn hinten auf, und dann ging es so schnell wie möglich die Höhe empor, wobei ich mir die Mühe gab, so wenig wie möglich tiefe Fußeindrücke zu hinterlassen. Oben angekommen, ließ ich ihn los, und er meinte, daß er nun vielleicht, wenn auch nur langsam, gehen könne; er fühle seine Füße wieder. Die Blutzirkulation hatte sich also wieder eingestellt.

      Zunächst blieben wir noch halten, und ich horchte in das Thal hinab. Es herrschte tiefe Stille unten; die Roten hatten ja mit der Vermutung zu rechnen, daß noch mehr Weiße in der Nähe seien; sie durften also ihre Nachforschungen nur im Finstern vornehmen und konnten darum die Spur, welche ich zurückgelassen hatte, nicht entdecken. Diese war morgen früh wohl nicht mehr zu sehen, und so mußte ihnen das Entkommen des Gefangenen ein unlösbares Rätsel sein, wenn sie nicht etwa durch eine Unvorsichtigkeit der Snuffles etwas über meine Anwesenheit erfuhren.

      Daß ich alles daran setzen würde, diese Letzteren, und mit ihnen natürlich auch die andern Weißen, zu retten, das versteht sich ganz von selbst. Wie dies anzufangen sei, darüber war ich schon jetzt im klaren. Heute war selbstverständlich nichts mehr anzufangen.

      Es zeigte sich, daß der Fremde gehen konnte, allerdings langsam, wie er gesagt hatte; aber wir brauchten uns ja nicht zu beeilen, weil wir nicht verfolgt wurden. Als er mich jetzt wieder bat, ihm meinen Namen zu nennen, antwortete ich:

      »Man heißt mich hier im Westen gewöhnlich Old Shatterhand; nennt mich auch so, Sir. Und Ihr? Seid Ihr vielleicht Mr. Dschafar?«

      »Ja – aber Ihr kennt meinen Namen? Wie kommt denn das?«

      »Ich habe ihn von Perkins, Eurem Führer, gehört.«

      »Wann?«

      »Heute.«

      »So habt Ihr ihn heute gesehen? Er ist nicht verunglückt? Ich glaubte ihn verloren.«

      »Sagt mir zunächst, was Ihr von ihm haltet! Was ist er für ein Mensch?«

      »Ich habe bisher keine Ursache gehabt, über ihn zu klagen.«

      »So ist er also wohl nicht so schlimm, wie ich dachte. Kommt, wir müssen weiter! Während wir gehen, werde ich Euch erzählen, wie ich ihn kennen gelernt habe.«

      Ich nahm ihn bei der Hand, um ihn zu führen, denn wir mußten durch den Wald. Während wir vorsichtig unter und zwischen den Bäumen hinschritten, erzählte ich. Als ich zu Ende war, sagte er:

      »Sir, er ist kein Held; das habe ich wiederholt bemerkt. Der Schreck und die Angst haben ihn zu dem getrieben, was Ihr eine Treulosigkeit nennt. Lassen wir es bei der bisherigen Strafe. Er ist feig, aber kein Bösewicht.«

      »Mir soll es recht sein. Ihr meint also, daß ich ihn losbinden kann?«

      »Ja.«

      »Ohne befürchten zu müssen, daß uns dies Schaden bringt?«

      »Ihr dürft ihm trauen. Er wird Euch nur dann täuschen, wenn Ihr Heldenthaten von ihm erwartet. Aber, Sir, wie bedaure ich meine anderen Begleiter! Sie sind unbedingt verloren!«

      »Noch nicht. Sprechen wir später von ihnen. Jetzt werden wir gleich an Ort und Stelle sein.«

      »Bei Perkins?«

      »Ja.«

      »Was müßt Ihr für Augen haben! Sich des Nachts im finstern Walde ebenso zurecht zu finden, wie am hellen Tage!«

      »Das ist Uebung, weiter nichts.«

      Wir hatten keine Veranlassung, ganz leise zu sprechen; darum hörte uns Perkins. Er erkannte uns beide an unsern Stimmen und rief, noch ehe wir ihn erreicht hatten, uns entgegen:

      »Ihr kommt, Mr. Shatterhand? Gott sei Dank, es ist gelungen! Ich höre Euch mit Mr. Dschafar sprechen; Ihr habt ihn also befreit. Hoffentlich gebt Ihr mir nun auch meine Freiheit wieder!«

      »Wollen sehen,« antwortete ich, indem ich zu ihm trat.

      »Zunächst muß ich etwas wissen, was höchst wichtig für mich ist. Ich gab Mr. Snuffle meine Gewehre. Wo sind sie?«

      »Sie liegen hier neben mir; das seinige und das seines Bruders auch.«

      »So war meine Sorge unnötig. Dieser Mann hat heut den dümmsten Streich seines ganzen Lebens begangen, indem er von hier fortging.«

      »Ich habe ihm zugeredet, hier zu bleiben; er ließ sich aber nicht halten.«

      »Obgleich er einen Gefangenen zu bewachen hatte! Vollständig unverzeihlich! Wenn nur ein einziger Riemen bei Euch locker war, konntet Ihr Euch losmachen und mit unsern Gewehren und Pferden auf und davon gehen. Die Strafe hat ihn schnell genug ereilt!«

      »Strafe? Was ist ihm widerfahren?«

      »In die Gefangenschaft ist er geraten, oder vielmehr förmlich gefahren und gestürzt.«

      Ich erzählte ihm, was geschehen war, und fügte hinzu:

      »Ihr seht, was es für Folgen hat, wenn man so ohne Sinn und Ueberlegung handelt; Ihr habt es sogar an Euch selbst erfahren. Ihr tragt selbst die Schuld, daß ich so streng gegen Euch gewesen bin.«

      »Das sehe ich ein, Sir. Nun aber denke ich, daß Ihr in dieser Strenge einmal nachlassen könnt.«

      »Gut! Mr. Dschafar hat für Euch gebeten, und so will ich Euch freigeben, hoffe aber, daß Ihr Euch von jetzt an bewähren werdet!«

      »Das werde ich, Sir, das werde ich! Sagt mir nur, was ich thun soll.«

      Ich band ihn frei und gab ihm alles wieder, was ich ihm aus den Taschen genommen hatte. Dann warnte ich ihn:

      »Glaubt aber ja nicht etwa, daß ich Euch nun gleich mein vollständiges Vertrauen entgegenbringe! Ich würde Euch noch sehr scharf


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