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Void State: Das letzte Geheimnis. Ralph ArdnassakЧитать онлайн книгу.

Void State: Das letzte Geheimnis - Ralph Ardnassak


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die ihre prall gefüllten Trolleys ratternd hinter sich zerrten, als wären es müde Haustiere.

      Ein Paar Polizisten kam ihm entgegen, welches sich angeregt über ein Fußballspiel unterhielt. Und ihm fiel auf, wie groß und deutlich sichtbar ihre Pistolen waren, so als handele es sich um Sheriffs im Wilden Westen, die bereits durch die pure Sichtbarkeit ihrer Schusswaffen abschrecken wollten.

      Große Fahnen, die über der Mall aufgehängt waren, warben für eine Aufführung von Werken eines berühmten Komponisten, welcher zeitweilig in dieser Gegend gewirkt hatte: Georg Friedrich Händel starrte streng und im Halbprofil von jener Fahne auf die Mall herunter. Mit großen Augen unter schwarz-buschigen Augen und über dicken Tränensäcken. Mit großer Nase und fleischigen roten Lippen. Mit grauer gepuderter Perücke, exakt über der Mitte der hohen und glänzenden Stirn gescheitelt, deren Locken ihm bis herab auf die Schultern des eleganten Wamses fielen.

      Das große bunte Portrait des berühmten Komponisten, wie es den Fluggast, welcher auf der Mall in Richtung Empfangshalle unterwegs war, mit durchdringendem Blick zu fixieren schien, war offensichtlich einem historischen Gemälde entnommen und stark vergrößert worden. Es wirkte, als sei es eigens geschaffen worden, um einen Geldschein zu zieren.

      Er erreichte das Ende der Mall. In gläsernen Quadern fuhren Fahrstühle aus Edelstahl nach unten in die Empfangshalle. Er bevorzugte jedoch die Rolltreppe.

      Der morgendliche Betrieb, welcher in der Empfangshalle zu dieser Zeit herrschte, war eher moderat.

      Geschäftsreisende, wie er in eleganten Anzügen, lümmelten sich am Tresen des Flughafenrestaurants zwischen ihren Kaffeetassen, Frühstückstellern und Laptops. Aufgeregte Urlauber wuchteten ihre Taschen, heftig plappernd und gestikulierend, auf eine Bank aus mattem Edelstahl.

      Die Gespräche der Menschen gaben in der Empfangshalle ein echoartiges Geräusch. Es vermischte sich mit dem Lärm dutzender Schritte, mit dem rhythmischen Klackern der Plastikräder der Trolleys, die über die Fliesen des Fußbodens gezogen wurden, mit den Ansagen aus den Lautsprechern, dem Lärmen der Gepäckbänder und dem leisen Quietschen der Körperscanner, mit denen während der Sicherheitskontrollen die Kleidung der Fluggäste abgetastet wurde.

      Routiniert zeigte er seinen Boarding-Pass vor, legte seine Tasche auf das Transportband, löste Armbanduhr und Gürtel, zog sein Jackett aus.

      „Guten Flug!“, wünschte der Beamte müde, der ihn mit dem Scanner abgetastet hatte.

      Er fand, dass alle Flughäfen, die er kannte, gleich rochen. Sie rochen nach den Deodorants der Reisenden, nach dem frischen Duft ihrer Kleidung und dem teuren und meist feinen Leder ihrer Schuhe und Taschen.

      Ihm kam in den Sinn, dass dies der Duft der High Society war. Der Duft, wie er auch auf den besseren und teureren Decks der RMS Titanic auf ihrer einzigen und letzten Fahrt deutlich wahrnehmbar gewesen sein musste.

      Am Gate nahm er sich eine Zeitung und ärgerte sich sogleich über die frische Druckerschwärze, die an seinen Fingerkuppen haften blieb.

      Er setzte sich, schlug die Beine übereinander und las geschäftig in der regionalen Zeitung. Wie andere Fluggäste auch, fixierte er jeden hinzu kommenden Reisenden, der am Gate Platz nahm, mit einem misstrauischen Blick. Taxierte Kleidung, Schuhwerk, Schmuck und Uhr und versuchte dabei, den Sinn und Zweck der Reise des jeweils neu Hinzugekommenen zu erraten.

      Ein älteres Ehepaar hatte neben ihm Platz genommen, was ihn störte, als würde ihm die ganze Sitzbank allein gehören und sein Revier sei auf diese Weise in schamloser Art verletzt worden.

      „Hast Du keinen Hunger?“, fragte die Frau und der Mann schüttelte stumm wie ein Fisch den Kopf.

      „Wenigstens eine Banane hättest Du doch essen können!“, sagte die Frau: „Wenigstens eine Banane!“

      Wieder schüttelte der Mann nur, stumm wie ein Fisch, mit dem Kopf. Er aber meinte plötzlich, den Geruch einer frischen und noch grünen Banane zu verspüren, wie er sie am meisten liebte.

      Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, während ein regelrechter Hass auf diese Frau in ihm aufstieg. Geradezu gierig war er, nachdem sie davon gesprochen hatte, plötzlich darauf, eine frische grüne Banane zu essen. Hätte sie nicht davon gesprochen, wäre er zufrieden gewesen. Nun aber, nach ihrer achtlosen Äußerung, verlangte es ihn dringend nach einer frischen Banane, so dass er sich vornahm, nach der Landung auf dem Flughafen München sofort im dortigen EDEKA-Markt frische grüne Bananen zu kaufen, die er dann in der Münchner S-Bahn verzehren konnte.

      Ärgerlich vermerkte er jedoch, dass es jetzt erst 4:30 Uhr war. Gegen 5:00 Uhr würde der Flieger starten, 6:00 Uhr würde er in München sein und um 9:00 Uhr würde erst der EDEKA-Markt öffnen! Noch viereinhalb Stunden musste er demzufolge auf seine Bananen warten!

      Draußen, in der morgendlichen Dämmerung, war ein Flieger aus Frankfurt am Main gelandet und rollte nun, mit der gewaltigen Nase voran, auf die gläserne Front des Flughafengebäudes zu, hinter der sich das Gate befand.

      Er dachte an den bevorstehenden fünfzigminütigen Flug, auf den er sich immer wieder freute. Er dachte an die eleganten Stewardessen, die ihn schon beim Boarding begrüßen und dann bedienen würden, an ihr Lächeln und ihre stets attraktiven Körper.

      Er dachte an die gleißende Sonne, die ihn oben, nach dem Durchstoßen der Wolkendecke, erwarten würde.

      Dann, während er auf die Fliesen des Fußbodens starte, wurde ihm plötzlich übel. So übel, dass er plötzlich das drängende Bedürfnis verspürte, sich zu übergeben und der Schweiß lief ihm dem Rücken hinunter und trat in großen fetten Tropfen auf seiner Stirn hervor und tropfte von dort auf die frische Zeitung, die er in den Händen hielt.

      Er wollte aufstehen und zur Toilette gehen, um sich dort zu übergeben und der nahende Aufruf zum Boarding verlor plötzlich vollkommen an Bedeutung, so als gehöre sein Flug in eine Welt, die bereits vollständig für ihn versunken war.

      Er wollte aufstehen, aber er spürte, wie ihm die Beine versagten, während er mit Unwillen bemerkte, dass alle Anwesenden ihn fixierten. Mit Mienen, in denen sich eine seltsame Mischung aus Entsetzen, Mitleid und Neugier spiegelte.

      Dann kam plötzlich der Schmerz in der Brust. Genau in der Mitte seiner Brust, von wo er, wie eine lodernde Flamme, bis in den Kopf hinauf und bis hinein in die Fingerspitzen beider Arme ausstrahlte.

      Es war ein Schmerz, der größer und allmächtiger war, als das Leben selbst, das in ihm weilte und von dem er bereits voller Angst wußte, dass er nie wieder vergehen, sondern ihn vernichten würde.

      Er hatte zunächst einige Sekunden lang versucht, es auf die Tatsache zu schieben, dass er vermutlich schlecht geschlafen hatte. Aber angstvoll begriff er, dass dieser Schmerz der Tod und die Vernichtung selbst war und dass er, hier in aller Öffentlichkeit und fernab von seinen Lieben, sterben würde.

      Der Schmerz war jetzt stechend und reißend und so stark, dass er ungläubig vor der Macht und schieren Gewalt dieses Schmerzes erschrak. Es war, als sei ein Vulkan in seiner Brust ausgebrochen. Ein gewaltiger Vulkan, der ihn ganz und gar erstickte und verbrannte.

      Wie gierige Vögel, die ihn zerreißen und zerteilen wollten, wirkten die übergroßen Nasen derjenigen Gesichter, die sich mit Fragen, die er nicht mehr verstand, jetzt über ihn beugten.

      Er rang röchelnd und ängstlich um Atem, als stünde ein gewaltiger Koloss unmittelbar auf seinem schwachen und zerbrechenden Brustbein.

      Sein Gesicht war grau und von Schweiß bedeckt. Da hatte er, ängstlich, zitternd und winzig vor der Größe dieses entsetzlichen Schmerzes, das Empfinden, als würde seine Brust innerlich zerrissen und der Schmerz würde zur Gigantomanie gesteigert, zu einer wütenden, hasserfüllten und kranken Stärke, die größer war, als sein Bewußtsein und als seine eigene Existenz. Dann sackte er mit einem erstickten Röcheln zur Seite.

      III

      Seit vielen Jahren schon war die Intima, die Gefäßinnenwand seiner Arterien, unbemerkt und


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