Void State: Das letzte Geheimnis. Ralph ArdnassakЧитать онлайн книгу.
keine Notiz nahm.
Fettsubstanzen, die aus seiner Nahrung ins Blut übergegangen waren, komplexe Kohlenhydrate, an denen sein Essen stets reich gewesen war, aber auch Blut und zahlreiche seiner Bestandteile, Bindegewebe und Kalziumablagerungen, hatten sich in vielen Herden an den Innenwänden seiner Arterien abgelagert.
Ganz allmählich hatte sich auf diese Weise besonders die Media, die Gefäßmuskelschicht seiner koronaren Arterien, verändert, verhärtet und verdickt.
Seine Herzkranzgefäße hatten an Elastizität verloren, während er seinem Leben nachhing. Das Lumen, die Lichtung seiner Herzkranzgefäße, hatte sich an vielen Stellen bereits verengt. Die Wände seiner Herzkranzgefäße waren verdickt und arteriosklerotische Plaques und sekundäre Thrombosen waren entstanden, die die Durchblutung seines Herzmuskels, anfangs nur in den Phasen körperlicher Belastung oder bei psychischer Unruhe, zuletzt jedoch andauernd, unmöglich gemacht hatten.
Über Jahre und Jahrzehnte hatte der Prozess unbemerkt seinen Fortgang genommen. Bis zu jenem frühen Morgen, an welchem er, während sich seine geschwächten und unheilbar kranken Herzkranzgefäße nun vollends zu setzten und verschlossen, während er dabei am Gate saß, in freudiger Erwartung seines nahen Fluges und den anderen Fluggästen mit einer eigentümlichen Mischung aus Misstrauen und Neugierde zusah, wie sie neben ihm Platz nahmen und hinüber gingen, zum großen Zeitungsständer, wo die grellbunte BILD-Zeitung und die eher schlicht gehaltene regionale Zeitung bereit lagen.
Aufgeregt pumpte sein Herz und sein gleichfalls seit Jahren unbemerkt gebliebener Bluthochdruck, ausgelöst durch das unheilvolle und verschlungene Gewirr der schädigenden Faktoren seines persönlichen Lebensstiles, wie übermäßigem Kochsalz- und Weinkonsum, Stress und seine besondere hormonelle Konstitution, tat dabei sein Übriges.
Hilflos pumpte sein bedrängtes Herz, dessen Innendruck sich durch den plötzlichen Verschluss seiner koronaren Gefäße immer dramatischer erhöhte, als wäre es eine reine mechanische Komponente irgendwo im Verbrennungsmotor eines Automobils, die, angetrieben vom sich unbarmherzig senkenden Gasfuß des Fahrers, blindlings bestrebt war, das Gefährt endlich auf Geschwindigkeit zu bringen, ohne sich dabei um die Umstände, die Bedingungen und Faktoren zu kümmern. Hilflos pumpte sein bedrängtes Herz immer schneller und schneller, denn zu pumpen, war alles, was es tun konnte und es schien, als mühe es sich immer verzweifelter, durch unablässiges und immer schnelleres und noch schnelleres Pumpen das tödliche Problem aus der Welt zu schaffen.
Und während es hilflos und mechanisch pumpte und pumpte und pumpte, während der vollständige Verschluss der Herzkranzgefäße den vernichtenden Schmerz im Oberkörper auslöste, starben bereits, vollständig und unumkehrbar, große Teile seines immer noch hilflos und unter verzweifelter Volllast pumpenden Herzmuskels unter Durchblutungsstörungen und dem damit verbundenen Sauerstoffmangel für immer ab und wurden zu totem Gewebe in seinem noch lebenden Körper.
Bedingt durch die Störungen der Erregungsleitung der elektrischen Impulse, die seinen Herzmuskel stimulierten, sich zu kontrahieren, begann sein Herz zunächst zu stolpern, wie ein Betrunkener auf dem nächtlichen Heimweg.
Das Flattern und Stolpern und das arrhythmische Schlagen seines Herzens war zunächst nur vorübergehend gewesen, dann jedoch wurde es zu einem andauernden Zustand, in dem sich die Vorhöfe seines Herzens schließlich nur noch ungeordnet kontrahierten.
Schließlich aber kontrahierten sich auch seiner Herzkammern vollkommen ungeordnet.
Er wurde pulslos. Die Pumpleistung seines Herzens sank völlig abrupt auf den Punkt Null und sein Kreislaufsystem kollabierte und versagte vollständig.
Sein Herz bäumte sich noch einmal hilflos auf, zuckte kraftlos und eher zufällig, ehe es schließlich, zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert, vollständig still stand.
Infolge seiner verringerten Hirnaktivität war seine Wahrnehmung bereits deutlich verringert worden, noch ehe sein Herz stillgestanden hatte.
Flacher und oberflächlicher war seine Atmung geworden, bis schließlich auch sie ausblieb.
Er bekam einen Tunnelblick, bis es endlich vollständig Nacht um ihn herum wurde.
Er hatte das Bewußtsein verloren und sein Geist taumelte entlang jener schmalen Grenze, die sich zwischen Koma und Tod erstreckte.
Sein Hirnstamm verfiel in den Zustand der Areflexie, so dass seine Pupillen nun weit und lichtstarr blieben.
Er wäre jetzt außerstande gewesen, jegliche Art von Schmerz zu verspüren und wer ihm mit der Kuppe seines Fingers auf den Augapfel gedrückt hätte, könnte feststellen, dass der Lidschlussreflex ausblieb.
Schluck- und Hustenreflexe hatten bereits vollständig ausgesetzt, wobei lediglich und dies auch nur vorübergehend, einige autonome Reflexe seines Rückenmarkes erhalten geblieben waren.
Auch die Apnoe oder Spontanatmung hatte bei ihm ausgesetzt.
Der Hirntod war eingetreten.
Das Ausbleiben von Herzschlag und Atmung setzten in seinem Körper eine biologische Kettenreaktion in Gang, deren erste Station nurmehr der Hirntod war.
Die Zersetzung seines biologischen Körpers setzte noch auf jener Bank am Gate des Airports ein.
Da der Stoffwechsel in seinem Körper mit dem Versiegen der Herztätigkeit für immer ausgesetzt hatte, gelangten weder Sauerstoff noch Nährstoffe zu den Zellen.
Die Zellen in seinen Organen begannen daher, endgültig abzusterben.
Die empfindlichen Neuronen, die Zellen seines Gehirns, eröffneten den Todesreigen im Inneren seines Leibes.
Höchstens zwanzig Minuten nach dem Einsetzen des Hirntodes starben die Zellen seines Herzmuskels. Mit ihm starb sein Körper nun Stück um Stück. Und jedes Sterben war irreversibel, war endgültig und unumkehrbar.
Auf den Tod seines Herzgewebes folgte der Tod all seiner Leberzellen und dieser zog zeitlich den Tod seiner Zellen im Inneren der Lungen nach sich.
Am längsten hielten seine Nieren durch. Ganze zwei Stunden nach dem Eintritt seines Todes stellten auch sie allmählich für immer ihre Funktion ein.
Jedes Organ seines sterbenden Körpers besaß seinen quasi individuellen eigenen Todeszeitpunkt, u dem es, nach Herzstillstand und dem Aussetzen der Atmung, seine Funktionsfähigkeit einstellte und bis zu dem es noch hätte als Spenderorgan dienen können, sofern man es rechtzeitig wieder mit Sauerstoff und mit Nährstoffen versorgen würde.
Knapp dreißig Minuten nach dem Einsetzen des Herzstillstandes führte das allmählich in die tieferen Bereiche des Gewebes der Leiche absackende Blut zu einer Verfärbung seiner Haut: den Totenflecken, die sich anfänglich noch mit dem Daumennagel wegdrücken ließen, später aber manifest blieben.
Je nachdem, wie hoch oder wie niedrig die Außentemperatur war, welcher der tote Körper ausgesetzt blieb, denaturierten infolge des Ausbleibens der Muskelbewegungen die Eiweiße des Körpers und bildeten allmählich ein starres Netz.
Die Totenstarre, der Rigor mortis, setzte ein. Beginnend bei den Augenlidern, setzte sie sich allmählich über die Kaumuskeln und die kleineren Gelenke des Toten, über die Muskulatur des Nackens, über den Hals, immer weiter körperabwärts fort, bis sie nach annähernd zwölf Stunden schließlich den gesamten Leichnam erfasst hatte.
Hitze beschleunigte diesen Vorgang, Kälte hingegen verlangsamte ihn.
Die allgemeine Erschlaffung sämtlicher Muskeln führte zunächst dazu, dass sich sein Kiefer weit öffnete.
Sein Körper kühlte allmählich immer stärker aus. Beginnend von den 37 Grad Celsius, die sie zu Lebzeiten betragen hatte, fiel seine Körpertemperatur nun um fast ein volles Grad je Stunde, bis sie sich vollständig der Umgebungstemperatur angleichen würde.
Seine Haut färbte sich auffallend blass und seine Hornhaut wurde trocken und trüb.
Allmählich und unaufhaltsam schwand auch das intermediäre Leben aus dem bewegungslosen Körper. Es umfasste jenen Zeitraum, welcher üblicherweise