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Der Scout. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der Scout - Karl May


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hatte ich ihm die Auskunft verweigert, und heute wurde ich von den Verhältnissen gezwungen, sie ihm zu geben. Mein Selbstgefühl flüsterte mir zu, ihm nichts zu sagen; aber der Verstand behielt doch die Oberhand. Ich zog die beiden Photographien hervor, gab sie ihm und sagte:

      »Bevor ich Euch eine Mittheilung mache, betrachtet Euch einmal diese Bilder. Sind das die Personen, welche Ihr meint?«

      »Ja, ja, sie sind es,« nickte er, als er einen Blick auf die Photographien geworfen hatte. »Es ist gar keine Täuschung möglich.«

      Ich erzählte ihm nun aufrichtig den Sachverhalt. Er hörte mir aufmerksam zu, schüttelte, als ich geendet hatte, den Kopf und sagte nachdenklich:

      »Was ich da von Euch gehört habe, ist Alles glatt und klar. Nur Eins leuchtet mir nicht ein. Ist dieser William Ohlert denn vollständig wahnsinnig?«

      »Nein. Ich verstehe mich zwar nicht auf Geisteskrankheiten, möchte hier aber doch nur von einer Monomanie reden, weil er, abgesehen von einem Punkte, vollständig Herr seiner geistigen Thätigkeiten ist.«

      »Um so unbegreiflicher ist es mir, daß er diesem Gibson einen so unbeschränkten Einfluß auf sich einräumt. Er scheint diesem Menschen in Allem zu folgen und zu gehorchen. Jedenfalls geht dieser schlau auf die Monomanie des Kranken ein und bedient sich derselben zu seinen Zwecken. Nun, hoffentlich kommen wir hinter all’ seine Schliche.«

      »Ihr seid also überzeugt, daß sie auf dem Wege nach Austin sind? Oder haben sie die Absicht, unterwegs auszusteigen?«

      »Nein, Ohlert hat dem Capt’n des Dampfers gesagt, daß er nach Austin wolle.«

      »Sollte mich wundern. Er wird doch nicht sagen, wohin zu gehen er beabsichtigt.«

      »Warum nicht? Ohlert weiß vielleicht gar nicht, daß er verfolgt wird, daß er sich auf Irrwegen befindet. Er ist wohl in dem guten Glauben, ganz recht zu handeln, lebt nur für seine Idee, und das andere ist Gibsons Sache. Der Irre hat es nicht für unklug gehalten, Austin als Ziel seiner Reise anzugeben. Der Capt’n sagte mir es wieder. Was gedenkt Ihr zu thun?«

      »Natürlich muß ich ihnen nach und zwar schleunigst.«

      »Bis morgen früh müßt Ihr trotz aller Ungeduld doch warten; es geht kein Schiff eher ab.«

      »Und wann kommen wir an?«

      »Unter den gegenwärtigen Wasserverhältnissen erst übermorgen.«

      »Welch eine lange, lange Zeit!«

      »Ihr müßt bedenken, daß die Beiden wegen der Wasserarmuth des Flusses eben auch spät ankommen. Es ist gar nicht zu vermeiden, daß das Schiff zuweilen auf den Grund fährt, und da dauert es stets eine geraume Weile, bevor es wieder loskommt.«

      »Wenn man nur wüßte, was Gibson eigentlich beabsichtigt, und wohin er Ohlert schleppen will?«

      »Ja, das ist freilich ein Räthsel. Irgend eine bestimmte Absicht hat er ja. Die Gelder, welche bisher erhoben worden sind, würden ausreichen, ihn zum wohlhabenden Manne zu machen. Er braucht sie nur an sich zu nehmen und Ohlert einfach sitzen zu lassen. Daß er das nicht thut, ist ein sicheres Zeichen, daß er ihn noch weiter ausbeuten will. Ich interessire mich außerordentlich für diese Angelegenheit, und da wir, wenigstens einstweilen, den gleichen Weg haben, so stelle ich mich Euch zur Verfügung, Wenn Ihr mich braucht, so könnt Ihr mich haben.«

      Die Hilfe Old Death’s, die ich ein paar Tage vorher verschmäht hatte, nahm ich jetzt mit Dank an.

      »Euer Anerbieten wird mit großem Danke acceptirt, Sir. Ihr flößt mir ein aufrichtiges Vertrauen ein, und Euer Wohlwollen ist mir angenehm. Ihr habt mich ein Greenhorn genannt, und ich wollte Euch deßhalb zürnen; aber ich habe nachgerade eingesehen, daß Ihr nicht Unrecht habt, und so wird mir Eure Hilfe jedenfalls von großem Vortheile sein.«

      Wir schüttelten uns die Hände und leerten unsere Gläser. Hätte ich mich diesem Manne doch bereits gestern anvertraut!

      Wir bekamen eben die Gläser neu gefüllt, als sich draußen ein wüster Lärm hören ließ. Johlende, menschliche Stimmen und heulendes Hundegebell kamen näher. Die Thüre wurde ungestüm aufgerissen, und sechs Männer traten ein, die alle schon ein beträchtliches Quantum getrunken haben mochten; Keiner von ihnen war mehr nüchtern zu nennen. Rohe Gestalten und Gesichter, südlich leichte Kleidung und prächtige Waffen fielen an ihnen sofort auf. Jeder von ihnen war mit Gewehr, Messer, Revolver oder Pistole versehen, außerdem hatten alle eine wuchtige Niggerpeitsche an der Seite hängen, und Jeder führte an starker Leine einen Hund bei sich. Alle diese Hunde von ungeheurer Größe waren von jener sorgfältig gezüchteten Rasse, welche man in den Südstaaten zum Einfangen flüchtig gewordener Neger verwendete, und Bluthunde oder Menschenfänger nannte.

      Die Strolche starrten uns, ohne zu grüßen, mit unverschämten Blicken an, warfen sich auf die Stühle, daß diese krachten, legten die Füße auf den Tisch und trommelten mit den Absätzen auf ihm herum, womit sie an den Wirth das höfliche Ersuchen richteten, sich zu ihnen zu bemühen.

      »Mensch, hast Du Bier?« schrie ihn Einer an. »Deutsches Bier?« Der geängstigte Wirth bejahte.

      »Das wollen wir trinken. Aber bist Du auch selbst ein Deutscher?«

      »Nein.«

      »Das ist Dein Glück. Das Bier der Deutschen wollen wir trinken; sie selbst aber sollen in der Hölle braten, diese Abolitionisten, weiche dem Norden geholfen haben und schuld sind, daß wir unsere Stellen verloren!«

      Der Wirth zog sich schleunigst zurück, um seine noblen Gäste so rasch wie möglich zu bedienen. Ich hatte mich unwillkürlich umgedreht, um den Sprecher anzusehen. Er bemerkte es. Ich bin überzeugt, daß in meinem Blicke gar nichts für ihn Beleidigendes lag; aber er hatte einmal keine Lust, sich ansehen zu lassen, vielleicht große Sehnsucht, mit mir anzubinden, und schrie mir zu:

      »Was starrst Du mich an! Habe ich etwa nicht wahr gesprochen?«

      Ich wendete mich ab und antwortete nicht.

      »Nehmt Euch in Acht!« flüsterte Old Death mir zu. »Das sind Rowdies der schlimmsten Sorte. Jedenfalls entlassene Sklavenaufseher, deren Herren durch die Abschaffung der Sklaverei bankerott geworden sind. Die haben sich nun zusammengethan, um allerlei Unfug zu treiben. Es ist besser, wir beachten sie gar nicht. Trinken wir rasch aus, um dann zu gehen.«

      Aber grad dieses Flüstern gefiel dem Manne nicht. Er schrie zu uns herüber:

      »Was hast Du Heimliches zu reden, altes Gerippe? Wenn Du von uns sprichst, so thu’ es laut, sonst werden wir Dir den Mund öffnen!«

      Old Death setzte sein Glas an den Mund und trank, sagte aber nichts. Die Leute bekamen Bier und kosteten. Das Gebräu war wirklich gut; die Gäste befanden sich aber in ächter Rowdylaune und gossen es in die Stube. Derjenige, welcher vorhin gesprochen hatte, hielt sein volles Glas noch in der Hand und rief:

      »Nicht auf den Boden! Dort sitzen zwei, denen dieses Zeug sehr gut zu bekommen scheint. Sie sollen es haben.«

      Er holte aus und goß sein Bier über den Tisch herüber auf uns Beide aus. Old Death fuhr sich ruhig mit dem Aermel über das naßgewordene Gesicht; ich aber brachte es nicht fertig, so ruhig wie er die schändlichsten Beleidigungen einzustecken. Mein Hut, mein Kragen, mein Rock, alles tropfte an mir, da mich der Hauptstrahl getroffen hatte. Ich drehte mich um und sagte:

      »Sir, ich bitte Euch sehr, das nicht zum zweiten Male zu thun! Treibt Euern Spaß mit Euern Kameraden; wir haben nichts dagegen; uns aber laßt gefälligst in Ruhe.«

      »So! Was würdet Ihr denn thun, wenn ich Lust empfände, Euch nochmals zu begießen?«

      »Das wird sich finden.«

      »Sich finden? Nun, da müssen wir doch gleich einmal sehen, was sich finden wird. Wirth, neue Gläser!«

      Die Andern lachten und johlten ihrem Matador Beifall zu. Es war augenscheinlich, daß er seine Unverschämtheit wiederholen werde.

      »Um Gotteswillen, Sir, bindet nicht mit den Kerlen an!«


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