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Verwildert. George MonbiotЧитать онлайн книгу.

Verwildert - George Monbiot


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Wagnis im Moment der Hingabe,

      Den ein Lebtag des An-sich-Haltens nie zurücknimmt,

      Dem, dem allein danken wir ein Dasein.

      T. S. Eliot, Das wüste Land1

      Ich drehte mich weg, versuchte mein Schmunzeln zu verbergen. Endlich und eher durch Zufall war ich auf etwas gestoßen, das ihm Angst machte.

      »George, bitte, rühr das Ding nicht an.«

      »Es ist harmlos.«

      »Nein! Äußerst gefährlich. Giftig.«

      Kopfschüttelnd trat er etwas zurück. Sechs Monate war es her, seit wir uns das erste Mal begegnet sind, sechs Monate, in denen sich sein sanfter Humor durch nichts und niemanden hatte aus der Ruhe bringen lassen, in denen sein Wagemut mich – der ich mich brüstete, mich Kopf voran in die Gefahr zu stürzen – wie ein Hühnchen hatte aussehen lassen. Mit einem grausamen Gefühl des Triumphs steckte ich meine Hand in den Busch.

      »George, ich bitte dich …«

      Das Chamäleon schwenkte sein Drehkuppelauge, um meine Hand zu mustern, und verfärbte sich in ein leichtes Rostrot. Sachte schob ich einen Finger unter eine seiner Greifhände und es umschloss ihn mit seinen Zangenzehen. Ich schob die übrige Hand unter das Tier. Es klammerte sich fest, und ich holte es langsam aus dem Busch. Seine Farbe wechselte in ein blasses Ziegelrot.

      Toronkei war inzwischen fünf Schritte zurückgewichen. Auf seiner Stirn stand der Schweiß. Seine Lippen arbeiteten, gaben aber keinen Laut von sich.

      »Siehst du, es ist ganz harmlos. Alles nur ein Mythos.«

      Er schob sich nach vorne. Diesmal war sein Stolz verletzt. Das Chamäleon saß ruhig auf meiner Hand und drehte seine Augen. Es schlang seinen Schwanz um meinen kleinen Finger.

      »Du kannst es anfassen, wenn du möchtest. Es tut nichts.«

      Toronkei umklammerte seinen Speer so heftig, dass seine Knöchel glänzten. Er kam noch ein Stückchen näher, mit geöffnetem Mund. Zitternd vor Selbstbeherrschung streckte er seine Hand aus und schob seine Fingerspitze nach vorne, bis er das Chamäleon an der Flanke berührte. Es bäumte sich auf, öffnete sein rosafarbenes Maul und zischelte. Er machte einen Satz zurück, stolperte, fiel beinahe. Nun war es an mir, Selbstbeherrschung zu zeigen. Ich wendete mich ab und setzte das Chamäleon wieder in den Busch, verzweifelt bemüht, nicht zu lachen. Ich tat so, als beobachtete ich es, wie es wieder Fuß fasste, und nutzte den Moment, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bekommen. Dann drehte ich mich um. Toronkei starrte mich mit einem Ausdruck an, den ich gerne als neu erworbenen Respekt interpretierte. Wahrscheinlich aber spiegelte sich in ihm die Überzeugung, dass ich verrückt geworden sei.

      Wir waren in der Morgendämmerung aufgebrochen und bereits 30 Kilometer gerannt und gelaufen und hatten dabei eine weite Schleife durch Kajiando County im nördlichen Teil des Massai-Territoriums beschrieben. Gegen Mittag hatten wir an dem Haus seines Onkels haltgemacht, um Milch zu trinken, und zwei Stunden im Schatten gesessen, geredet und Fliegen verscheucht. Nun waren wir auf dem Heimweg zu Toronkeis manyatta. Fünfundzwanzig Kilometer lagen noch vor uns. Wir standen auf einer niedrigen Abbruchkante und sahen über die mit Büschen und Schirmakazien gefleckte Ebene, die sich von graugrün über grau und blau bis zu einem unsichtbaren Kilimandscharo hinzog und wie so häufig von Wolken oder einem grauen Himmel verhangen war. Durch den Hitzeschleier unter uns waberten Herden gefleckter Rinder, falbfarbener Elenantilopen, Impalas.

      Wie üblich hatte mich Toronkei abgehängt, aber oft genug war er stehengeblieben und hatte vorgegeben, die Gegend abzusuchen, damit ich aufschließen konnte. Er nahm mehr Rücksicht auf meine Gefühle als ich auf seine. Wir hatten nichts Bestimmtes vorgehabt, außer seinen Onkel zu besuchen. Über die Savanne zu laufen, erfüllte an sich schon seinen Zweck. Toronkei und die anderen moran spornten sich gegenseitig zu Heldentaten an, etwa ihr Vieh in drei Tagen, ohne zu essen, zu trinken oder zu schlafen, über 200 Kilometer weit zu treiben. Ab und zu stahlen sie, obwohl sie mittlerweile, falls man sie erwischt, von der kenianischen Polizei schwer bestraft werden, auch Vieh von den Kikuyu, die in den benachbarten Landstrichen zu Hause waren, und entkamen mitunter nur in einem Kugelhagel. Unterhielt ich mich mit Toronkei und den anderen Kriegern, verblüffte es mich zu hören, dass die Flucht unter einem Kugelhagel ebenso Zweck der Übung war wie der Viehdiebstahl. Indem die moran ihr weites Land durchquerten und durchwanderten, lernten sie es so gut kennen wie wir unsere Vorstädte.

      Ich hatte Toronkei durch die entscheidenden Phasen seines Lebens begleitet. Sechs Jahre, bevor ich ihn kennengelernt hatte, ist er beschnitten worden. Während der Operation musste er ruhig dasitzen und durfte sich nicht bewegen und nicht mit der Wimper zucken. Die, die es schafften, erhielten Rinder; die, die zusammenzuckten, wurden geächtet. Die Krieger übten sich darin, Schmerzen auszuhalten: Toronkei hatte eine kreisförmige Narbe auf jedem Oberschenkel, dort hatte er sich glühende Holzstücke auf die Haut gedrückt.

      Jetzt, mit neunzehn, hatte er begonnen, den langen Weg der Initiationszeremonien als Krieger zu durchlaufen, an dessen Ende er den Status eines Junior-Ältesten erhält, heiraten und sein eigenes Haus errichten darf. Ich habe ihn über mehrere Monate mit den anderen morani tanzen, zechen und umherreisen sehen. Ich hatte zugesehen, wie sie einen Opferochsen bei den Hörnern und am Schwanz packten – er wirbelte sie durch das manyatta, bis sie ihn niederrangen –, ihn gezwungen hatten, einen Kürbis voll Bier zu trinken, ihn dann erstickt und sein Blut getrunken hatten. Ich hatte die starken Liebesbande zwischen den Kriegern mitbekommen, aber auch, dass ihre Messer unter ihren Umhängen aufblitzten, sobald ein Streit aufflammte.

      Sie hatten – was ich nicht gesehen habe – einen Löwen getötet, und zwar wie von der Tradition vorgeschrieben: Erst trieben sie ihn in die Enge, dann packte einer seinen Schwanz, während die anderen versuchten, ihn mit ihren Speeren zu töten. Nichts schien die morani zu beunruhigen, außer Chamäleons. Gefahr war für sie etwas Delikates, das ausfindig gemacht und ausgekostet werden musste. Sie waren sprunghaft, leidenschaftlich, ungestüm und offen für alles. Ich fand es leichter, mich auf sie einzulassen als auf die indigenen Völker, mit denen ich in West-Papua und Brasilien gearbeitet hatte – vielleicht weil sie als Nomaden mit so vielen Kulturen in Berührung kamen. Sie akzeptierten mich, wie sie alles, was ihnen über den Weg lief, akzeptierten; nichts durfte ihren Erfahrungen im Weg stehen. Obwohl ich elf Jahre älter war als Toronkei, wurden wir, was anderswo unmöglich gewesen wäre, Freunde.

      Nur wenige Wochen, nachdem wir zu dem Haus von Toronkeis Onkel gelaufen waren, war ich wieder in seinem manyatta, um der letzten Zeremonie beizuwohnen. Die morani tanzten langsam und traurig, mit einem sanften Gemurmel, das dem Wind in den Bäumen glich. Die Jahre der wilden Abenteuer gingen zu Ende. Ein junger Mann schritt mit dem langen leicht gewundenen Horn eines Großen Kudu in der Hand an den Rand der Gruppe. Er setzte seine Lippen an ein Loch in dem Horn und blies vier laute Trompetenstöße, die so tief waren, dass ich sie durch meinen Körper vibrieren fühlte. Schreiend und johlend liefen die Tänzer auseinander und stießen mich um. Vier oder fünf Krieger brachen zusammen und lagen unter Zuckungen und Ächzen auf dem Boden. Man versuchte sie auf die Beine zu stellen, aber sie schienen bewusstlos zu sein. Sie knurrten, sabberten und prusteten. Ihre Fersen schlugen auf den Boden. Das Horn wurde nur während der letzten Tage der Initiation geblasen, und immer wenn die Krieger es hörten, wurden sie von Trauer übermannt.

      Ich folgte Toronkei in die Initiationshütte, die seine Mutter für ihn gebaut hatte – eine kleine Schachtel aus mit Kuhdung verkleidetem Weidengeflecht –, und hockte eine Weile unter der niedrigen Decke, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Als ich etwas sehen konnte, bemerkte ich eine unbekannte Frau, die auf einer Pritsche aus Kuhfell saß. Sie war sehr dunkel, mit starken Augenbrauen, einer glatten runden Stirn und einem kühlen, fast spöttischen Aussehen. Ich stellte mich vor. Mit einem komischen, fast verschämten Lächeln drehte sie sich weg. Verdutzt sah ich Toronkei an und war überrascht, dass er lachte.

      »Dies«, sagte er, »ist meine Frau.«

      Drei Tage, bevor ich im manyatta eintraf, war er 50 Kilometer gelaufen, um einen Freund zu besuchen. Als er sich dessen Dorf näherte, begegnete er einer


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