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Im Reiche des silbernen Löwen IV. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Im Reiche des silbernen Löwen IV - Karl May


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Ich fragte zwar, doch der Pedehr antwortete, er dürfe es mir nicht laut heraufrufen. Komm!«

      Wir gingen hinunter. Der Pedehr befand sich in der Halle, in welcher ich gelegen hatte. Tifl und ein zweiter Dschamiki waren bei ihm. In dem letzteren erkannte ich den Wächter, welcher heut am Nachmittage über Stock und Stein geritten war, um uns die Ankunft der Perser zu melden. Halef schlief fest. Hanneh war auch schlafen gegangen. Sein Sohn saß bei ihm. Der Scheik der Dschamikun empfing uns mit der des Kranken wegen nur halblaut gesprochenen, aber sehr wichtigen Kunde:

      »Der Bluträcher ist wieder da!«

      »Wo?« fragte der Ustad im Tone der Ueberraschung.

      »Das wissen wir nicht.«

      »Wer hat ihn gesehen?«

      »Mein Sohn,« antwortete der Wächter.

      »Hat er sich nicht etwa getäuscht?«

      »Nein. Er kennt ihn ja. Er hat ihn doch heute am Nachmittage durch den ganzen Duar bis an unser Gotteshaus geführt und ihn also genau betrachten können.«

      »Wo ist dein Sohn?«

      »Ich habe ihn mitgebracht. Er wartet draußen vor den Stufen.«

      »Hole ihn!«

      Ich ahnte natürlich sofort, daß irgendeine Teufelei geplant werde, und war höchst gespannt darauf, ob es uns wohl gelingen werde, zu erfahren, welcher Art sie sei. Natürlich durfte ich mir nicht erlauben, den beiden Oberhäuptern des Stammes in Beziehung auf die einzuziehenden Erkundigungen vorzugreifen. Der Sohn des Wächters hatte ein intelligentes Gesicht. Er sah sogar etwas wie pfiffig aus. Er kam mit seinem Vater bis vor den Ustad hin.

      »Du hast den Bluträcher gesehen?« frage ihn dieser.

      »Ja,« bestätigte der Gefragte.

      »War er allein?«

      »Nein. Es befanden sich noch zwei andere bei ihm.«

      »Woher kamen sie?«

      »Von draußen.«

      »Wo sind sie hin?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Doch wohl hierher?«

      »Wahrscheinlich.«

      »Geritten?«

      »Nein. Sie waren abgestiegen.«

      Da sah der Ustad den Pedehr an, und dieser mich. Dabei sagte der letztere:

      »Das ist eine ebenso unerwartete wie geheimnisvolle und bedenkliche Kunde! Was meinst du dazu, Effendi?«

      »Erlaubt Ihr mir, einige Fragen auszusprechen?« erwiderte ich ihm.

      »Natürlich!«

      »Ich hörte, daß ein Handelsmann aus Isphahan hier angekommen sei und eine Botschaft von dem Bluträcher ausgerichtet habe. Wo ist dieser Mann?«

      »Er wird nun wohl schon schlafen,« antwortete der Pedehr. »Soll ich ihn vielleicht wecken lassen?«

      »Das ist nur dann nötig, wenn Ihr mir nicht sagen könnt, was ich von ihm wissen will. Woher kam er?«

      »Von den nördlichen Dschamikun. Er traf mit den Persern auf der Höhe des Passes zusammen.«

      »Wie verhielten sie sich zu ihm?«

      »Weder freundlich noch feindlich. Sie kennen ihn. Sie fragten ihn, woher er käme und wohin er wolle. Er antwortete, daß er nach Süden zu den Kalhuran wolle. Da sagten sie ihm, daß er hierher reiten solle, um ein gutes Geschäft zu machen. Es sei ein großes Wettrennen geplant, zu welchem sich viele Menschen einstellen würden. Wenn er da sein Handelszelt aufschlage, werde er wohl viele Käufer finden. Er war ihnen für diese Mitteilung sehr dankbar und sagte ihnen, daß er ihrem Rate folgen und hierherreiten werde. Da bekam er von dem Multasim den Auftrag, den er uns ausgerichtet hat.«

      »Wie lautete diese Botschaft?«

      »Sie war höchst eigentümlich, uns allen unverständlich. Nämlich zwei Zeilen aus dem heute von uns gesungenen Liede: »Brich auf, mein Herz, der Rose gleich, in der sich alle Düfte regen!« Und hinzugefügt hatte der Bluträcher: »Sage im Duar, daß die Rose noch heut aufbrechen werde!« Ist das nicht sonderbar, Effendi?«

      »Allerdings, aber nur in dem Sinne, daß überhaupt jede Unvorsichtigkeit sonderbar genannt werden muß.«

      »Unvorsichtigkeit?« fragte er erstaunt.

      »Ja.«

      »Das begreife ich nicht. Wir haben diese Worte als einen nachträglichen Hohn gedeutet und uns dabei beruhigt.«

      »Ich wollte, Ihr hättet sie mir eher mitgeteilt als jetzt! Es liegt wahrscheinlich ein Mordanschlag vor.«

      »Chodeh!« fuhr der Pedehr auf, und auch die andern zeigten sich durch diese meine Deutung erschreckt. »Gegen wen?«

      »Gegen mich.«

      »Unmöglich!«

      »Ich habe gesagt, wahrscheinlich. Und ich pflege zu wissen, was ich sage. Das betreffende Lied vergleicht Rose und Herz. Mit diesem Herzen aber ist das meinige gemeint. Wörtlich mein Herz! Es soll aufgebrochen werden! Mit dem scharfen, spitzen Stahle!«

      »Aus welchem Grunde kommst grad du auf diese Idee?«

      »Davon vielleicht später! Ich habe jetzt zu fragen und zu handeln. Der Bluträcher hat uns nicht für klug genug gehalten, ihn zu durchschauen. In ihm wohnt der Haß, und dieser ist bekanntlich der Bruder der Unvorsichtigkeit und Ueberhebung. Er hat später damit prahlen wollen, daß sein blutiges Werk gelungen sei, obgleich er uns vorher gewarnt habe.«

      Hierauf wendete ich mich zu dem jungen Dschamiki und fragte ihn:

      »Wo warst du, als du den Multasim sahst?«

      »Draußen vor dem Duar,« antwortete er. »Ich hatte die Schafe in den Pferch gebracht und mich hinter einem Steine niedergelegt, um nach dem Alabasterzelte hinaufzuschauen. Man konnte mich vom Wege aus nicht sehen. Da kamen vier Reiter von Osten her. Sie blieben in der Nähe stehen und stiegen ab.«

      »Drei waren es doch!«

      »Diese drei, welche ich meinte, schlichen nach dem Duar. Der vierte blieb bei den Pferden.«

      »Du erkanntest den Multasim?«

      »Ganz deutlich. Er war einer von den dreien.«

      »Was für Waffen hatten diese letzteren?«

      »Sie gaben ihre langen Gewehre dem vierten, ehe sie sich entfernten. Alles andere aber haben sie noch bei sich.«

      »Hast du dich sehen lassen?«

      »Nein.«

      »Was thatest du?«

      »Ich schlich mich auf dem Boden hin, den dreien nach. Sie verließen den Weg. Sie huschten quer hinüber, um hinter den Duar zu kommen. Ich konnte ihnen nicht so schnell folgen, denn wenn ich mich aufgerichtet hätte, so wäre ich von ihnen gesehen worden. Darum verlor ich sie aus den Augen.«

      »Und bist dann nicht weiter gefolgt?«

      »Nein. Ich ging zum Vater und erzählte es ihm.

      Hierauf sind wir sofort zum »hohen Hause« gekommen, um es zu melden.«

      »Welche Zeit ist vergangen, seit du sie von ihren Pferden steigen sahst?«

      »Bis jetzt kaum eine halbe Stunde.«

      Da klopfte ich ihm auf die Schulter und sagte:

      »Du hast deine Sache gut gemacht. Ich muß dich loben!«

      Dann fuhr ich, zu den andern gewendet, fort:

      »Wir haben Zeit. Der Multasim wartet hinter dem Duar, bis hier oben bei uns kein Licht mehr brennt. Für mich steht es fest, daß er sich nicht eher heranwagt. Was er vorhat, ist verwegen, so verwegen, daß ich ihn bemitleiden muß. Ist dieser Mensch denn ein im Wildnisleben so erfahrener und gewandter Mann, daß er, ohne einen Wahnsinn zu begehen, sich zumuten kann, mit seinem Dolche hier im »hohen Hause« ganz unentdeckt und unbestraft mein Herz zu finden?«

      »Dein


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