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Schulmeisters Marie. Eugenie MarlittЧитать онлайн книгу.

Schulmeisters Marie - Eugenie  Marlitt


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zu leben, was auf dem Dorfe, wo die wenigen Bewohner nur auf sich angewiesen sind, stets unangenehm auffällt und böses Blut macht. Wer indes das stille, sinnige Gemüt des armen Weibes kennt, das im Umgang mit einem vortrefflichen Mann höhere Genüsse kennengelernt hat, als da Spinnstuben- und Kirmsenlustbarkeiten sind, der wird sie entschuldigen… Das können Sie mir glauben, sie würde eher samt ihren Kindern verhungern, als daß ihre Hände fremdes Gut anrührten.«

      »Und ihre Tochter?« fragte Joseph hastig, indem er den Schullehrer durchdringend ansah.

      »Ihre Tochter?« wiederholte dieser unwillig erstaunt. »Nun, die sieht doch wahrhaftig nicht aus, als ob sie gestohlen…«

      »Nein, nein«, unterbrach ihn Joseph, »das meine ich nicht… Bastel beschuldigte sie« – er brach ab, während ein tiefes Rot in seine gebräunten Wangen stieg.

      »Ja, ich weiß, was der nichtswürdige Bube heute von ihr gesagt hat«, erwiderte der Lehrer zornig, »aber auch nur er, der selbst keinen Schuß Pulver wert ist, konnte eine solche niederträchtige Verleumdung aussprechen… Das Mädchen ist rein wie die Sonne am Himmel, und wer‘s nicht glauben will, der mag ihr nur in das Gesicht sehen… ich würde nicht den Mut haben, in ihrer Nähe auch nur ein unlauteres Wort fallenzulassen… Die Schulmeisterin hat allerdings sehr unüberlegt gehandelt, als sie ein Kostkind in ihr Haus nahm, dessen Herkunft sie zu verschweigen gelobt hatte. Sie mußte Rücksicht auf ihre erwachsene Tochter nehmen… Das arme Mädchen! Die Beschuldigung hat sie wie ein Blitz getroffen… Sie ist überhaupt zu beklagen, weil sie viel zu fein erzogen ist für ihre Verhältnisse. Ihr Vater hat sich viel mit ihr beschäftigt, denn sie ist gescheit und gelehrig in allem – er hat sie zart behandelt wie seine Blumen; es war ein Fehler, denn er mußte den Boden berücksichtigen, auf welchen diese Blume angewiesen ist. Sie wird dadurch mehr zu leiden haben als wenn er sie in glücklicher Unwissenheit gelassen hätte.«

      »Und meinen Sie, es gäb‘ nicht noch Leute, die ein solches Mädchen zu schätzen wüßten?« rief Joseph erregt. Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er empor und ging einigemal hastig auf und ab.

      Mittlerweile war es Abend geworden. Das Dorf lag bereits im tiefen Schatten. Desto heller glänzte seine uralte kleine Kirche, die, friedlich umschattet von einem Lindenkreise, den Gipfel der Anhöhe krönte, auf welcher das Haus der Schulmeisterin lag. Ein weiches Abendlüftchen flüsterte in den Gipfeln, und die letzten Strahlen der Sonne stahlen sich golden durch die grüne Dämmerung der Lindenzweige – sie glitzerten in den spitzen Kirchenfenstern, dem unangetasteten Wohnsitz friedlicher Schwalben, und überhauchten die Schar graubemooster Leichensteine auf dem kleinen Friedhof so rosig und lebenswarm, als seien sie Vorboten des gewaltigen Auferstehungsrufes.

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