Tausend Und Eine Nacht. Gustav WeilЧитать онлайн книгу.
war. Sobald aber die Fische gebacken waren, spaltete sich wieder die Wand der Küche, und es kam ein schwarzer Sklave heraus, gerade als wäre es ein Berg oder ein Überbleibsel vom Stamme Aad.Aad ist ein Stamm, den Gott ausgerottet hat, als er dem Propheten Hud kein Gehör geben wollte, der ihn zum wahren Gottesdienste zurückzuführen sich bemühte. Alle Leute dieses Stammes waren von riesenhafter Gestalt. Der König und der Vezier fürchteten sich vor ihm, denn er war sehr lang und breit und hatte einen grünen Ast in der Hand. Er sagte in deutlicher Sprache: »O Fische, bleibt ihr beim Versprechen?« Sie hoben ihre Köpfe auf und riefen: Wohl, wohl, kehrst du wieder, kehren auch wir wieder, bist du treu, so sind auch wir es, fliehst du uns, so haben wir doch das unsrige getan.« Hierauf stürzte der Sklave die Pfanne um, die Fische verbrannten und wurden zu Kohlen. Dann verschwand der Sklave durch die Wand, die sich sogleich wieder zusammenfügte. Der Sultan erschrak über diesen Vorfall und sagte: »Ich kann mich unmöglich mehr niederlegen, bis ich auf den Grund dieser Sache gekommen, es ist gewiß ein besonderes Verhältnis mit diesen Fischen.« Er ließ schnell den Fischer holen, und als dieser kam, sprach er zu ihm: »Wo hast du diese Fische her?« »Aus einem See«, antwortete der Fischer, außerhalb der Stadt zwischen vier Bergen.« Der Sultan fragte dann den Vezier: »Kennst du diesen See?« Er antwortete: »Ich gehe schon dreißig Jahre lang auf die Jagd, durchstreiche die Ebenen und Gebirge und habe nie diesen See gefunden.« Da fragte der Sultan den Fischer: »Wie weit ist‘s nach diesem See?« »Zwei Stunden«, antwortete der Fischer. Der Sultan befahl hierauf einigen Soldaten, mit ihm zu reiten, auch den Vezier nahm er mit und der Fischer mußte vorangehen. Der fluchte dem Geist. Sie gingen bis zum Berge hin und sahen den See mit Fischen von allen Farben. Der Sultan war sehr erstaunt darüber und sagte: Ist‘s möglich, daß noch niemand diesen Ort gesehen hat, da dieser See doch so nahe an der Stadt liegt?« Er fragte die Soldaten, ob einer von ihnen diesen Ort gekannt; aber alle antworteten, sie sähen ihn jetzt zum erstenmal. Da schwur der Sultan: »Beim erhabenen Gott: ich gehe nicht in die Stadt zurück, bis ich weiß, was das für ein See und für bunte Fische sind.« Er befahl dann, abzusteigen und die Zelte aufzuschlagen, dann stieg er selbst ab und blieb bis zur Nacht. Jetzt rief er seinen Vezier, der ein sehr erfahrener und vielwissender Mann war; er ging nämlich heimlich zu ihm, ohne daß die Soldaten es merkten, und sprach: »Ich will etwas tun, das ich dir mitteilen will; ich will mich nämlich von den übrigen absondern, um zu sehen, was dies für Fische sind. Ich gehe nun fort. Morgen sagst du den Truppen und hohen Beamten: ich sei krank und es könne niemand vorgelassen werden; du wohnst indes in meinem Zelt, und ich bleibe drei Tage lang weg, nicht länger.« Der Vezier sagte: »Es soll alles so besorgt werden.« Dann umgürtete sich der Sultan mit seinem Schwerte, ging fort und schlug den Weg jenseits des Berges ein, bis der Morgen zu leuchten anfing. Als die Sonne aufging, sah er in der Ferne etwas Schwarzes, er freute sich und dachte, vielleicht finde ich jemanden, der mir Auskunft geben kann. Er ging darauf zu und siehe da, es war ein Schloß, aus schwarzen Steinen gehauen und mit eisernen Platten belegt, das unter einem glücklichen Gestirne gebaut war.
Das Schloß hatte ein Tor, von welchem ein Flügel durch den anderen Flügel geschlossen war. Der König freute sich und klopfte leise, hörte aber keine Antwort; er klopfte noch einmal etwas stärker, hörte wieder nichts und erblickte auch niemanden. Da dachte er, ohne Zweifel ist dieses Schloß unbewohnt; er machte sich dann Mut, ging in einen Gang und schrie: »O Bewohner des Schlosses! hier ist ein fremder, bittender und hungriger Reisender; habt ihr wohl etwas Lebensmittel? der Herr aller Sklaven wird euch reichlich dafür belohnen.« Er wiederholte dies zum zweiten und drittenmale, hörte aber keine Antwort. Dann faßte er stärkeren Mut, schritt durch den Gang ins Innere des Schlosses, drehte sich rechts und links um und sah niemand, bemerkte aber, daß das Schloß mit seidenen Teppichen, worauf goldene Sterne gestickt, bedeckt war, er sah auch schöne Vorhänge und Polster und Sofas. Mitten im Saale war ein großer Raum, rings herum Divans und Nischen und Nebenzimmer; auch war ein Springbrunnen da mit vier goldenen Löwen, die aus dem Rachen Wasser spieen, das so klar wie Perlen und Edelsteine war. Es flogen allerlei Vögel im Saale herum, die ein goldnes Netz nicht entwischen ließ. Der König war sehr erstaunt, niemand hier zu finden, den er ausfragen konnte; er setzte sich auf die Seite des Saals und hörte dann eine seufzende Stimme aus traurigem Herzen, welche sang:
»O Schicksal, du schonst mich nicht und hast kein Erbarmen; mein Leben schwebt ja zwischen Qualen und Gefahr. Habt ihr nicht Mitleid mit einem Großen seines Volks, der im Bunde der Liebe erniedrigt wurde, mit dem Reichsten unter seinem Volke, der verarmte? Ich war eifersüchtig auf die Luft, die euch anwehte, aber wo das Schicksal niederfällt, da verdunkelt sich das Gesicht. Was nützt die Kunst des Schützen, wenn er dem Feinde begegnet, die Sehne aber in dem Augenblick zerreißt, da er den Pfeil schleudern will? wenn dann ganze Scharen sich um den Tapfern häufen, wie sollte er dem Schicksal entfliehen?«
Als der König diese Verse und ein lautes Weinen gehört, ging er der Stimme nach und fand einen Vorhang an der Tür eines Zimmers hängen, hob ihn auf und sah darin einen Jüngling, auf einem eine Elle hohen Thron sitzend. Er war ein hübscher Jüngling von regelmäßigem Wuchs, klarer Sprache, leuchtender Stirne, frischen Haarlocken, roten Wangen, darauf hatte er ein Fleckchen wie Ambra, gleichwie der Dichter sagte:
»Er war hübsch gewachsen, durch seine Haare und seine Stirne wandelte die Welt zugleich in Licht und Dunkelheit. Verleugnet nicht das braune Fleckchen auf seiner Wange, denn auch die Anemone hat ein solches.«
Der König freute sich und grüßte den Jüngling, der einen seidenen Mantel mit goldnen ägyptischen Stickereien anhatte; auf seinem Haupte trug er eine ägyptische Krone. Man merkte ihm aber an, daß er traurig war und geweint hatte; er erwiderte freundlich des Königs Gruß und sagte: »Du verdienst mehr, als daß ich vor dir aufstehe, drum entschuldige mich.« »Ich entschuldige dich, o Jüngling!« sprach der Sultan, »ich bin hier dein Gast und komme in einer wichtigen Angelegenheit zu dir. Du sollst mir nämlich über den See und die farbigen Fische Auskunft geben, über dieses Schloß, das du allein bewohnst, ohne daß dir jemand Gesellschaft leistet, sowie auch über die Ursache deines Weinens.« Als der Jüngling dies hörte, flossen seine Tränen auf seine Wangen und seine Brust, er sprach dann folgende Verse:
»Sagt denen, die vom Schicksal mißhandelt worden, wie viele Unglücksfälle hat es schon verbreitet! Wenn du auch schläfst, so schläft das Auge Gottes nicht; wem waren wohl die Zeiten immer günstig? wem dauerte die Welt ewig?«
Er weinte dann wieder heftig, und der König wunderte sich darüber und fragte nochmals. »O Jüngling, warum weinst du?« Da antwortete er: »Wie soll ich nicht über meine Lage weinen?« Er hob den Saum des Kleides auf und der König sah, wie er halb Mensch und halb ein schwarzer Stein war.
Der König war sehr betrübt und niedergeschlagen über diesen Anblick und sagte: »O Jüngling, du hast meinen eigenen Kummer noch vermehrt, ich wünschte über die Fische Nachricht zu bekommen, nun muß ich auch noch nach deiner Geschichte mich erkundigen, es gibt keinen Schutz und keine Macht außer bei Gott. O Jüngling, erzähle mir schnell.« Nun sagte der Jüngling: »Leihe mir dein Gesicht und dein Gehör, denn es hat sich eine wunderbare Geschichte mit mir und diesen Fischen zugetragen; wenn sie mit einer Nadel in den Augenwinkel gestochen wäre, so würde sie eine Belehrung für jeden abgeben, der sich belehren möchte.
Geschichte des versteinerten Prinzen
»Wisse, o Herr! mein Vater war König dieser Stadt, sein Name war Sultan Mahmud, er regierte ungefähr 70 Jahre lang über die Inseln dieser Berge. Als er starb, regierte ich an seiner Stelle und heiratete meine Muhme, die mich so sehr liebte, daß, wenn ich nur einen Tag von ihr abwesend war, sie weder aß und trank, bis ich wieder bei ihr war; sie lebte auf diese Weise fünf Jahre mit mir. Eines Tags ging sie ins Bad, ordnete ein Nachtessen an, dann kam ich in dieses Schloß und schlief hier, an dem Orte, wo du jetzt dich befindest; ich ließ zwei Sklavinnen zu mir kommen, mich zu beräuchern. Eine saß mir zu Häupten und die andere zu Füßen. Es war mir nicht recht wohl, ich konnte nicht schlafen, obschon meine Augen geschlossen waren, ich atmete schwer. Da hörte ich, wie die eine Sklavin zur anderen sagte: »O Masuda! sieh unseren armen Herrn! Schade für seine Jugend, die er mit unserer verfluchten Herrin zubringen muß.« »Schweige!« sagte die andere, »Gott verdamme die Verräterinnen und Buhlerinnen. Es paßt wirklich ein junger Mann, wie unser König, nicht zu dieser Metze, die keine Nacht zu Hause