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Am Rio de la Plata. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Am Rio de la Plata - Karl May


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gerichtet und gekräuselt werden.«

      »Meinen Sie?« fragte sie in hoffnungsvollerem Tone.

      »Ja, gewiß. Die Schleife muß freilich abgenommen und von neuem gesteift werden, was mit Hilfe von Weizenkleie und einem Plätteisen sehr gut möglich ist, und den Rosetten kann man wohl ihr früheres Aussehen auch wieder geben.«

      Sie sah mich mit großen Augen an.

      »Verstehen Sie denn etwas von solchen Dingen, Sennor?« fragte sie. »So sind Sie wohl zufälligerweise ein Modisto?«

      »Das nicht, Sennora,« lächelte ich, da mein Aussehen eine solche Vermutung eigentlich gar nicht zuließ.

      »Oder ein Hutmacher?«

      »Auch das nicht. Aber ich habe eine Schwester, welche sich ihre Hüte stets selbst aufputzt, und bin oft mit großem Interesse Zeuge solcher Arbeit gewesen. Ich habe mir die dabei vorkommenden Kunstgriffe genau gemerkt und möchte behaupten, daß ich Ihren Hut recht leidlich zu reparieren vermag.«

      »Durch diese Mitteilung versetzen Sie mich in die höchste Seligkeit. Ich würde Ihnen ganz unbeschreiblich dankbar sein, wenn Sie sich meiner erbarmen wollten!«

      »Sehr gern, Sennora. Aber hier im Campo ist das nicht gut möglich.«

      »Wir werden ja doch nicht hier bleiben. Wohin reisen Sie denn?«

      »Wir gehen nach San José, wo wir für die nächste Nacht zu bleiben beabsichtigen.«

      »Das ist ein sehr glückliches Zusammentreffen. Sie werden mir dort, bevor die Tertullia beginnt, den Hut herstellen. Wollen Sie das? Wollen Sie mein Retter sein?«

      Sie ergriff bittend meine Hand.

      »So weit es in meinen Kräften steht, bin ich zu Ihrer Verfügung. Aber wie wollen Sie bis zum Abend nach San José kommen? Die beiden Räder der Diligence sind so kaput, daß ein Zusammenbinden der Stücke nicht möglich ist. Man wird den Wagen fortschleifen müssen.«

      »So bin ich freilich verloren! Mein Ruf steht auf dem Spiele; ja, er ist so gewiß wie ganz dahin!«

      »Hm! Wenn Sie reiten könnten, Sennora!«

      »Das kann ich. Welche Dame dieses Landes könnte nicht reiten! Ich bin in Matara am Rio Salado geboren, wissen Sie, in der Gegend, wo Frauen selbst ohne Sattel reiten oder gar sich hinter ihren Männern auf das Pferd setzen.«

      »Und das können auch Sie?«

      »Ja. Ich habe schon als kleines Mädchen, hinter meinem Vater sitzend, weite und schnelle Ritte unternommen.«

      »Nun, so steht also Ihrem Fortkommen kein Hindernis im Wege. Sennor Monteso!«

      Der Yerbatero, welchen ich rief, stand bei einem der Passagiere, mit welchem er sich im Gespräch befand. Er kam herbei und ich bat ihn, der Dame das ledige Pferd zu leihen.

      »Warum sagten Sie mir das nicht eher!« antwortete er. »Nun habe ich es verkauft an jenen Sennor, mit welchem ich sprach. Er sah, daß es unmöglich sei, zu Wagen fortzukommen. Er zählte unsere Pferde, und da er bemerkte, daß eins derselben überzählig sei, fragte er, ob wir es ihm verkaufen möchten. Ich war froh, den Hahnentreter los zu werden.«

      »Das ist höchst unangenehm. Ist der Handel nicht rückgängig zu machen?«

      »Nein, denn er hat mich bereits bezahlt. Hier sehen Sie!«

      Er öffnete die Hand und zeigte uns eine Anzahl Papierthaler, welche er in derselben hielt.

      »So kaufe ich ihm das Pferd wieder ab,« meinte die Dame. »Sollte mein Geld nicht reichen, so bitte ich Sie um einen Vorschuß, welchen ich Ihnen sofort nach unserer Ankunft in San José zurückerstatten werde.«

      »Ich stelle Ihnen meine Mittel gern zur Verfügung, Sennora,« antwortete ich. »Bitte, kommen Sie zu dem Manne! Wollen sehen, ob er sich bereit finden läßt.«

      »Er kann einer Dame ein solches Ansuchen nicht abschlagen. Thäte er es, so wäre er kein Caballero.«

      Leider hatte sie sich geirrt. Der Mann wollte lieber auf die Bezeichnung eines Caballero verzichten, als sich in den einsamen Campo setzen und, wer weiß wie lange, auf eine Gelegenheit zum Fortkommen warten. Als ich der Dame diese Erklärung mitteilte, deutete sie auf mein Pferd und sagte:

      »Dies ist von Ihren Pferden das beste und kräftigste. Wer reitet es?«

      »Ich selbst, Sennora.«

      »Glauben Sie, daß es zwei Personen tragen kann?«

      Diese Frage klärte mich über die Absicht der Dame vollständig auf. Fast hätte ich laut gelacht.

      »Es ist stark genug dazu,« antwortete ich so ernsthaft wie möglich.

      »So könnten Sie mich hinter sich aufnehmen. Ich halte mich an Ihnen fest, wenn das Sie nicht geniert. Den Hut binden Sie an den Sattelknopf. Mein Tuch breiten wir über den Sattel und die Croupe des Pferdes aus. Gehen Sie darauf ein, so können Sie meiner allergrößten Dankbarkeit versichert sein.«

      »Ich bin mit dem größten Vergnügen bereit dazu.«

      »Sind Sie in San José bekannt, Sennor?«

      »Ich war niemals dort. Ich befinde mich erst seit gestern hier im Lande.«

      »Und haben Sie schon bestimmt, wo Sie dort bleiben werden?«

      »Jedenfalls im Posthause.«

      »Nein, das dürfen Sie nicht. Das kann ich unmöglich zugeben. Sie müssen mit zu mir, um mein Gast zu sein. Ich werde Sie meinem Bruder vorstellen, und Sie sollen teil an meiner prächtigen Tertullia nehmen.«

      »Das ist nicht möglich, Sennora, weil ich dazu eines Anzuges bedarf, welchen ich nicht besitze. Ich muß mir also den Eintritt in ein Paradies versagen, welches mir mit solcher Freundlichkeit angeboten und geöffnet wird.«

      Sie strahlte im ganzen Gesichte vor Vergnügen.

      »Paradies!« sagte sie. »Alle Ihre Worte legitimieren Sie als einen Poeta! Aber dieses Paradies soll Ihnen nicht verschlossen bleiben. Sie dürfen in diesem Anzuge erscheinen. Ich werde Sie entschuldigen, und Sie können des freundlichsten Empfanges sicher sein. Also, ich reite mit Ihnen, ja?«

      »Gewiß.«

      »Und Sie nehmen meine Einladung an?«

      »Wenn ich überzeugt sein könnte, Nachsicht zu finden, ja.«

      »Sie haben nie um Nachsicht zu bitten. Sie werden die Honoratioren und hervorragenden Schönheiten der Stadt bei mir versammelt finden. Nun freue ich mich doppelt auf den heutigen Abend und auf meine Tertullia. Mein Sohn ist auch geladen und wird von Mercedes herüberkommen, wo er jetzt mit seiner Eskadron steht. Er ist Rittmeister und kommandiert unter Latorre, von welchem Sie trotz Ihres kurzen Aufenthaltes vielleicht gehört haben werden.«

      »Dies ist allerdings der Fall. Es ist möglich, daß ich Ihrem Sohne eine sehr wichtige Mitteilung zu machen habe. Haben Sie Latorre bereits einmal gesehen?«

      »Noch nicht.«

      »Dachte es mir! So scheint dem Herrn Rittmeister eine kleine Ueberraschung bevorzustehen. Doch davon später. Würden Sie mir jetzt gestatten, mich als Ihren Arzt zu betrachten? Sie sind leider im Gesicht von den Splittern der Fensterscheibe verwundet worden.«

      Ich führte die Dame an das Wasser zurück, um ihr mit ihrem Taschentuche das Gesicht vom Blute zu reinigen, und bedeckte dann die Risse der Haut mit schmalen Pflasterstreifen; ich hatte Heftpflaster bei mir. Das sah allerdings unschön aus, war aber nicht zu ändern.

      Uebrigens gehörte die Sennora ihrem Aussehen nach keineswegs zu den Xantippen. Sie war zwar lang und hager und hatte vorhin im Zorne gesprochen. Jetzt aber befand sie sich in ruhiger Gemütsstimmung und machte auf mich den Eindruck einer zwar energischen, dabei aber auch gutmütigen Dame. Sie mochte früher sogar schön gewesen sein, und ihr Benehmen bewies jetzt, daß sie die Herrin eines nach hiesigen Verhältnissen fein zu nennenden Hauses sei.

      Als wir zum Wagen zurückkehrten, sah ich, daß eins der beiden gefallenen Pferde, welches sich nicht hatte aufrichten können, ausgesträngt worden war.


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