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Am Stillen Ozean. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Am Stillen Ozean - Karl May


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werde dem Manne eine Kugel geben!«

      »Halt, Sahib! Es ist kein Feind, der uns folgt, sondern ein Freund. So rudert nur Ombi, der Diener meines Weibes; ihm und Potomba, dem Ehri, kommt keiner gleich. Laß ihn herbei; er wird mit uns gehen!«

      Hinter uns heulten jetzt die wütenden Insassen der Flottille und versuchten, uns einzuholen. Es gelang ihnen nicht; in fünf Minuten hatten wir den »Wind« erreicht, welcher sein Fallreep herniederließ, um uns aufzunehmen.

      Jetzt erst nahm Pareyma die Hände von dem Angesichte.

      »Potomba, du hast den Vater getötet!« stöhnte sie.

      Ombi, der alte Graukopf, sprang aus seinem Boote in das unserige herüber.

      »Sage deinem Herzen, daß es ruhig sei, Pareyma,« bat er. »Dein Leid sei mein Leid, und dein Glück auch mein Glück. Die Götzen sind heute gefallen, und nun wird bei uns sein der gute Bapa des Himmels mit seinem Sohne, der auf die Erde kam, um alles Unglück in Freude zu verkehren!«

      Wir stiegen empor.

      »Schnell, Charley!« rief der Kapitän. »Dort kommen die Kerls mit ihren Fackelbooten, um euch zu suchen. Herauf, herauf! Löscht die Lichter aus, Jungens!« gebot er seinen Leuten, »und holt rasch die beiden Boote an das Deck, daß dort die Schlingels nichts merken. Sie müssen denken, daß auf unserm guten »Winde« alles im Schlafe liegt. So, so, die Taue nieder! Zieht, Jungens, zieht! Stopp! Herein mit den Nußschalen! Prächtig, so ist’s gut! Nun nehmt die Handspeichen, und wenn es jemand wagen sollte, die Nase heraufzustecken, dem gebt einen tüchtigen Klapps!«

      Eine solche Maßregel war nicht notwendig. Die Verfolger schienen anzunehmen, daß wir auf das Land zugehalten hätten, und ruderten der Küste entgegen, wo noch lange Zeit der Schein der Fackeln zu bemerken war.

      Potai empfing seinen Bruder und die Schwägerin mit Jubel. Dem Kapitän mußte, als wir in der Kajüte versammelt waren, natürlich alles ausführlich erzählt werden. Als ich damit zu Ende war, reichte mir Pareyma ihr zartes, braunes Händchen entgegen.

      »Ich danke dir, Sahib! Du hast mich vom Tode errettet, denn ich wäre an meinem Messer gestorben, ehe ich mit Matemba das Haus verlassen hätte.«

      Am Morgen stachen wir in See. Fünf Tage später befand sich Kapitän Roberts mit seinen Marsgasten und allem geretteten Gute bei uns an Bord; dann segelte der »Wind« nach Nord bei West, um den SamoaArchipel zu erreichen.

      Dort, auf der Insel Upolu, und zwar in Saluafata, wohnt noch heut ein reicher, polynesischer Handelsmann, der sich Potomba nennt.

      Zuweilen, wenn die Sonne ihr glühendes Gewand in den Fluten badet, um zur Ruhe zu gehen, rudert der Greis Ombi ein Ausleger-Kanoe hinaus auf die Höhe. Darin sitzt Potomba mit Pareyma, und wenn Ombi lauschen möchte, so würde er hören, wie der dunkelfarbige Mann seinem Weibe zuflüstert: »Mata ori, du Auge des Tages, du Licht meines Lebens!«

      Vielleicht daß in solchen einsamen Stunden das schöne Paar auch der Vergangenheit gedenkt, des Glückes und der darauf folgenden Trübsal auf Tahiti, des Hochzeitstages auf Eimeo, der Fahrt nach den Pomotu und SamoaInseln, des alten, braven Master Frick Turnerstick und vielleicht auch des Germani mit den großen Seemannsstiefeln, dem heute, wo er dieses niederschreibt, noch die klagenden Worte im Ohre nachtönen:

      »Te uwa to te malema,

      Te uwa to hinarro«

      Der Kiang-Lu

      Im »Kuang-ti-miao«

      China!

      Wunderbarstes Land des Ostens, riesiger Erdendrache, der seinen Zackenschwanz im tiefen Weltmeer badet, den einen Flügel in die Eisregionen Sibiriens und den andern in die dampfenden Dschungeln Indiens schlägt, und der, vom rasenden Teifun an das Gestade getrieben, über rauschende Flüsse, weite Seen, über Berge und Thäler auf nach Westen steigt, um seinen Kopf über die höchsten Giganten der Gebirge zu heben, die schreckliche Wjuga[13] der Gobi zu atmen und aus den Wassern des Manasarowar[14] zu trinken, werde ich es wagen dürfen, dir zu nahen, und werde ich deinen feindseligen Basiliskenblick mit meinem Barbarenauge ertragen können?

      Größtes Volk der Erde, welches die »Tschung-hoa«[15] sein eigen nennt, darf ich nichtiges Würmchen auf einem Blatte dieser Blume ruhen, um die – Seligkeiten ihres Duftes zu erforschen? Heiliger und allmächtiger »Tien-dse«[16], zu dessen Füßen mehr als vierhundert Millionen Menschen anbetend im Staube liegen, gestattest du mir, meinen schmutzigen Fuß auf die Ecke deines Teppichs zu setzen? Ich bin nicht aus dem Lande der Franka und Ingli, welche mit Schwert und Pulver zu dir kommen, um deinen Kindern das Gift des Opiums aufzuzwingen, deine Städte zu verheeren und deinen Pings[17] zu sagen, daß sie Memmen sind. Ich stamme vielmehr aus dem Lande der Tao-dse[18], die deine Herrlichkeit bewundern, deine Größe preisen und nichts anderes wünschen, als daß der Glanz deiner Weisheit strahle in Frieden auch über ihrem Haupte! – — —

      Nachdem wir Potomba, den Ehri von Tahiti, seine liebliche Pareyrna, seinen Bruder Potai und den Diener Ombi auf der Samoa-Insel Opolu abgesetzt und den Kapitän Roberts vom »Poseidon« mit seinen Marsgasten da gelandet hatten, waren wir einige Tage da vor Anker geblieben und dann über die Ellice – , Tarawa – , Radack – und Ralick-Gruppe nach den Marianen gegangen, von wo aus wir nach den Bonininsein segelten.

      Kennt der freundliche Leser vielleicht aus Reisebeschreibungen oder auch nur aus der Karte diese liebliche Inselgruppe, welcher aus dem Seeverkehre zwischen Kalifornien und China eine bedeutende Zukunft erblühen wird? Die einsame, verborgen im großen Weltmeere gelegene Wasserfee wird berührt werden von einer der großen See – und Handelsstraßen und von ihr Bevölkerung, Reichtum und Berühmtheit erlangen, dafür aber auch leider den poetischen Zauber ihrer einsamen Ruhe verlieren, der einen Anziehungspunkt für manchen Schiffer bildete, welcher den Wal im hohen Norden jagte und sich nach dem gesunden Grün eines festen Landes sehnte.

      Wer den weiten Ozean durchschifft hat, welcher seine Fluten zwischen Amerika und Asien wogen läßt; wer die Beschwerlichkeiten, Anstrengungen und Entbehrungen einer solchen Reise aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat und – ringsum nichts als Wasser schauend – sich Tag für Tag sehnte nach einem Fleckchen Grün, an welchem das müde Auge sich ausruhen und der an den bekannten Schaukelschritt der Seefahrer gewöhnte Fuß eine feste Stütze finden möchte, der wird die unendliche Freude ermessen können, welche der russische Weltumsegler Lütke mit seinen Mannen empfand, als er am i. Mai 1828 die Bonin-Inseln erblickte, deren Aufsuchung und nähere geographische Bestimmung mit zu den Aufgaben der Expedition gehörte.

      Er sah vier aus steilen Gebirgsmassen bestehende Gruppen, deren einzelne Inseln so nahe beieinander lagen, daß man sie von weitem schwer zu zählen vermochte. Man steuerte auf die nächste zu, die mit Ausnahme der nackten Felsen des Ufers überall schön bewaldet erschien. Da bemerkte man eine dünne Rauchsäule, die aus den Laubmassen eines nahen Vorgebirges emporstieg, welches von den dahinterliegenden Höhen weit überragt wurde.

      Lütke wußte, daß diese Inseln bisher unbewohnt gewesen waren; es konnten daher nur Schiffbrüchige sein, von deren Feuer dieser Rauch abstammte. Da wurde neben dem Feuer eine kleine englische Flagge aufgehißt, und Lütke sandte ein Boot mit Lebensmitteln ab, um die jedenfalls halb Verschmachteten sofort erquicken zu können.

      Den Leuten im Boote zeigte sich ein reizendes Landschaftsgemälde. Steile, wild zerklüftete Felsen, in phantastische Formen zerrissen und oft von natürlichen Tunnels durchbrochen, sprangen kühn ins Meer hinaus, und weiter hinein bedeckte eine prachtvolle Palmenwaldung die schroff aufsteigenden Höhen.

      Das Boot wurde natürlich nach der Rauchsäule hingesteuert, und als es dem Ufer so nahe gekommen war, daß dessen Felswände den Leuten die Aussicht auf den Hintergrund benahmen, zeigte sich der Eingang zu einer schmalen, tiefen Bucht, ganz umschlossen von senkrechten Basaltmauern, reich an Höhlen und Riffen, von Farbe teils gelblichgrau, teils braunschwarz,


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<p>13</p>

Der Schneesturm der Schamo.

<p>14</p>

Der höchste bekannte See der Erde, 16 000 Fuß über dem Meere.

<p>15</p>

»Blume der Mitte«, wie die Chinesen ihr Reich nennen.

<p>16</p>

Deutsch: »Sohn des Himmels«; so nennt sich der Kaiser von China.

<p>17</p>

Soldaten. Sie tragen auf der Brust und Rücken ein Stück Leinwand welches diese Inschrift zeigt.

<p>18</p>

Deutsch: »Söhne der Vernunft«, wie wir Deutschen gern von den Chinesen bezeichnet werden.

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