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Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der beiden Quitzows letzte Fahrten - Karl May


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zu dem Bruder gar wenig in Betracht – er zog den Gnadegott aus der Scheide, da in dem engen Raume das Schwert keine Dienste thun konnte, und drang, sich bückend, vorwärts. Die Sohle das Ganges war eben, ein Umstand, welcher die Bewegung sehr erleichterte, und da die Richtung eine schnurgerade war, so hatte Karl bald das nahe Ziel erreicht: eine schimmernde Helle drang ihm entgegen, und er sah sich vor einer kreisförmigen Erweiterung des Stollns, in welcher derselbe allem Anscheine nach seinen Abschluß fand.

      Er warf einen Blick in den Raum und bebte bei dem, was sich seinem Auge bot, von tiefstem Mitleide ergriffen zurück. Rund im Kreise lagen eine Anzahl männlicher Gestalten auf vollständig verfaulter Waldstreu am Boden, an Händen und Füßen gefesselt und mittelst eines starken Lederriemens, welcher sich um den Hals zog, an die Mauer befestigt, so daß ihnen ein Erheben von dem schlammigen Boden vollständig unmöglich war. Weder Licht noch Luft drangen in diese Grube, und der Dunst, welcher aus derselben in den Stolln drang, war kaum auszuhalten und gradezu zum Ersticken.

      Jetzt, in diesem Augenblicke waren die Gegenstände alle deutlich zu erkennen, denn in der Mitte des Raumes stand eine breite, untersetzte und bis an die Zähne bewaffnete Gestalt, welche einen lodernden Kienbrand in der Hand hielt und mit demselben Einen nach dem Andern der Daliegenden beleuchtete.

      »Wieder einer todt von Euch Hunden!« sprach der Mann, indem er einem der lang ausgestreckten Körper einen Fußtritt ertheilte, der ihn auf die andre Seite warf. »So müßt Ihr alle noch dran! Ja, ja, der Hunger ist ein schlimmer Gesell, und wer mit ihm anbindet, der bezahlt es mit dem Leben. Aber recht ist es Euch, warum habt Ihr Euch von dem Teufel verleiten lassen, ehrliche Kerls werden zu wollen. Leben wir in unserm Waldschlosse nicht wie Fürsten? Ein wenig knapp zwar geht es her, seit uns der »Schwarze« aufgegeben hat, aber er hat uns beim Abschiede versprochen, wieder zu kommen, und das wird er auch, denn er hat noch niemals sein Wort gebrochen, und es giebt bei uns gewisse Dinge, die er nicht im Stiche lassen kann. Darum war es dumm von Euch, fortgehen zu wollen, wo wir doch Leute brauchen, denn der »fliegende Reiter«, welcher im Walde spukt und vor dem die albernen Leute sich so ungeheuerlich grausen, beginnt, gute Geschäfte zu machen. Die Anderen wären wohl kaum auf den unheilvollen Gedanken gekommen, wenn Du nicht gewesen wärst, Jobst, und deshalb sollst Du auch am längsten leben bleiben und sie alle vorher sterben sehen, ehe Du selbst an die Reihe kommst. Hier hast Du einen Trunk und einen Bissen Brod, das wird Dir den Athem auf einen Tag länger erhalten!«

      Er bog sich zu einem der Gefangenen nieder und machte ihm eine Hand von den Banden frei.

      »Da, nimm, iß und trink und sei guten Muthes! Du wirst es wohl nicht bald wieder so gut bekommen wie bei mir. Hast keine Sorge, kannst auf der Bärenhaut liegen und Dich pflegen. Na, greif zu, oder ich bringe Dir’s auf andre Weise bei!«

      Der Angeredete rührte sich nicht; einige der Uebrigen bewegten sich unter Zuckungen und stießen ein herzergreifendes Stöhnen und Wimmern aus; die Qualen des Hungers, welcher ihnen den Tod bringen sollte, waren zu groß, als daß ihre Kraft zugereicht hätte, dieselben zu verschmerzen; er aber lag still und ruhig am Boden und keine Bewegung, kein Laut zeigte, daß noch Leben in ihm vorhanden sei. Er wollte sich das Sterben nicht durch die armselige Nahrungsspende verlängern lassen und widerstand der Gier, welche der Anblick des Brodes in ihm erweckte.

      »Du willst nicht? So wirst Du wohl müssen! Oh, wir sind stets Freunde gewesen, und darum hat mich der »Reiter« auch zu Eurem Wärter bestellt. Ich kann nicht leiden, daß Dir der Magen zusammendorret, und darum werde ich Dich füttern. Komm her!«

      Er umschlang den freigegebenen Arm, damit derselbe keinen Widerstand leisten könne, wieder mit dem Stricke und zog dann das Messer aus dem Gürtel. Nachdem er den Kienspahn in eine Mauerritze gesteckt hatte, faßte er mit kräftigem Drucke den Gefangenen beim Halse, um denselben zum Oeffnen des Mundes zu zwingen, und schob ihm dann die breite Klinge zwischen die Zähne, in der Absicht, ihm den Mund aufzubrechen. Der Gemarterte biß die Kinnladen fest zusammen, und deutlich hörte man das Knirschen des Eisens, welches erbarmungslos in dem Munde des Armen wühlte.

      Das war zu viel für Karl. Aus den vernommenen Worten konnte er leicht schließen, daß die Gefesselten gefangene Räuber seien, welche die Absicht, sich von ihrem verbrecherischen Leben loszusagen, mit dem Hungertode büßen sollten. Wenn er ihnen Hilfe brachte, so konnte er gewiß sein, daß sie ihm ihre vollste Dankbarkeit erweisen würden; deshalb trat er herzu, packte den tückischen Henker beim Nacken und stieß ihm mit der Rechten den Gnadegott so tief und kräftig zwischen die Schultern, daß er bis vor zum Herzen drang und der Getroffene sofort todt zusammenbrach.

      Betroffen von diesem plötzlichen Ereignisse, welches ihnen vollständig unbegreiflich war, blickten die Gefesselten auf. Sie sahen ihren Peiniger in seinem Blute liegen, aber sie wußten nicht, ob ihnen aus seinem Tode Glück oder Unheil erwachsen werde.

      »Wer seid Ihr?« frug einer von ihnen, indem er sich vergebliche Mühe gab, sich aufzurichten.

      »Habt keine Sorge,« erwiderte Uchtenhagen; »ich bin gekommen, Euch zu erlösen!«

      Da die Banden nicht von Eisen waren, so wurden sie mit wenigen Schnitten von den erstarrten und blutig unterlaufenen Gliedern genommen, und die Männer waren nun im Stande, sich wenigstens soweit zu erheben, als es ihre gesunkenen Kräfte zuließen.

      »Wasser, Wasser und Brod!« baten sie. Karl war nicht im Stande, diesem Verlangen nachzukommen, aber er versprach, vor der Hand wenigstens ihren Durst zu löschen. Er begab sich durch Stolln und Brunnenschaft nach oben und brachte ihnen einen Ballen Schnee, über welchen sie gierig herstürzten, da die wenigen Tropfen Wassers, welche ihr früherer Gefährte für Jobst mitgebracht hatte, nach wenigen Schlucken alle geworden waren. Auch die Brodrinde, die man bei ihm fand, verschwand augenblicklich unter den Händen der vom Hunger Gepeinigten, und nur die Sorge um ihre Sicherheit konnte sie abhalten, sich hinauszustürzen, um ihre nagenden Bedürfnisse auf alle Fälle und augenblicklich zu befriedigen.

      »Wartet nur noch kurze Zeit, dann werdet Ihr haben, wornach Euch verlangt!« mahnte Karl. »Euer Schicksal kenne ich ein wenig; ausführlich müßt Ihr mir es später erzählen; jetzt aber sagt mir vor allen Dingen, ob ich auf Euren Beistand rechnen kann!«

      Er erzählte ihnen das Geschehene, und mit Freuden gaben sie ihm ihr Wort, ihn in seinem Vorhaben nach allem Vermögen zu unterstützen.

      »Ihr habt uns von einem gräßlichen Tode errettet, Herr,« sprach Jobst, welcher einen ihm über die Anderen freiwillig eingeräumten Vorrang zu begleiten schien, »und so werden wir Euch in allem unterstützen, was zum Gelingen Eures Vorhabens erforderlich ist. Aber wir wünschen dabei, daß wir nicht etwa später um unserer früheren Sünden willen zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Wenn Ihr uns dieses versprecht, so bin ich bereit, Euch zu Eurem Bruder zu führen, ohne daß Ihr von Jemandem bemerkt werdet. Ich kenne den Ort, an welchem die vornehmen Gefangenen aufbewahrt werden, bis sie ihr Lösegeld bezahlt haben oder sterben müssen.«

      Uchtenhagen versprach ihm Vergebung alles Geschehenen und forderte ihn dann auf, mit dem Werke der Rettung nicht lange zu säumen.

      »Ich bin bereit, mit Euch aufzubrechen und Euch zu führen; meine Kräfte sind noch stark genug zum Gehen, aber die Gefährten hier müssen zurückbleiben; sie vermögen nicht, den Weg zu machen, und werden erst dann mit uns gehen können, wenn wir ihnen Speise und Trank gebracht haben. Seht hier die bereits Gestorbenen! Ihr könnt daraus schließen, wie arg der Schmerz in unserm Innern wüthet.«

      Mit Grauen wandte sich der junge Mann von dem schaudervollen Anblicke ab und schritt dem Räuber voran, welcher ihm nicht eher folgte, als bis er den Seinen mit den heiligsten Worten versprochen hatte, zurückzukehren, um ihnen Speise und Trank zu bringen und sie dann mit hinaus zu nehmen in die Freiheit. Er hatte die Waffen des Erstochenen an sich genommen und schwur mit grimmiger Bitterkeit, Jeden ohne Gnade und Erbarmen niederzustoßen, der es wage, sich ihm in den Weg zu legen. Oben angekommen, blieb er stehen und musterte das nicht ferne Ufer des Sees.

      »Wenn wir schnell laufen, kommen wir vielleicht hinüber ohne gesehen zu werden. Besser aber ist es, daß wir einzeln gehen, dann werden sie denken, es ist der Wärter, welcher aus dem Brunnen zurückkehrt. Laßt mich voranschreiten; ich werde Eurer hinter der Buschecke warten, welche ihr hier grad’ gegenüber erblickt!«

      »Sag mir


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