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Die Sklavenkarawane. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Die Sklavenkarawane - Karl May


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der heißen Jahreszeit unbebaut lagen, die Tokuls eines Dorfes liegen.

      »Wir sind glücklich bis hierher gekommen und noch keinem Schilluk begegnet,« sagte der Ungar in stolzem Tone. »Bin ich nicht ein vortrefflicher Führer gewesen? Das Dorf, welches hier vor uns liegt, ist das einzige, durch welches wir müssen; dann sind wir bald in Faschodah. Geben wir den Tieren die Peitschen. Sie müssen so schnell wie möglich laufen, damit uns niemand anhalten kann. Wer sich uns in den Weg stellt, wird niedergeritten.«

      Die Kamele und Esel gingen einzeln hintereinander. Der Slowak ritt voran. Er ließ seinen Esel im Schritte gehen; aber als er dem Dorfe nahe kam und die ersten Bewohner desselben erblickte, schlug er so auf sein Tierchen ein, daß dasselbe im Galopp davonflog. Die andern folgten. Der Schech war mit einem Stricke lang an den Sattel desjenigen Kameles gebunden, welches Schwarz ritt. Er mußte nicht laufen, sondern förmlich rennen, um nicht umgerissen und fortgeschleift zu werden, eine entsetzliche Schande für ihn, den Schech eines Stammes, dessen Angehörige es für eine Schmach halten, sich außerhalb ihrer Dörfer anders als nur im Sattel zu zeigen.

      Die Tokuls lagen ziemlich weit auseinander. Sie waren meist von runder Bauart und aus Holz und Stroh errichtet; Nilschlamm bildete das Bindemittel. Die Dächer bestanden aus Schilf und Stroh und waren mit den Skeletten von Giraffen und Buckelochsen verziert.

      Von einer Gasse oder gar Straße war keine Rede. Zwischen den Hütten lagen die Durrhafelder, jetzt dürr und hart; sie bildeten den Weg, den der kleine Führer einschlug, indem er im Galopp von einer Hütte immer um die andre bog. Er schien oft hier gewesen zu sein und die Tokuls so genau zu kennen, als ob er hier geboren sei.

      Die ersten Schilluks, an denen man vorbeikam, sahen mit Staunen die Karawane so schnell an sich vorüberfliegen. Es waren schlanke, dunkelschwarze Leute mit schmalen, gar nicht negerartigen Lippen. Sie trugen keine Spur von Kleidung. Die einzige Toilette, die an ihnen zu bemerken war, erstreckte sich auf die sonderbare Anordnung ihres Haares.

      Die Schilluk beschneiden nämlich ihr Haar nie. Sie lassen es lang wachsen und flechten es rund um den Kopf so geschickt ineinander, daß es die Gestalt eines Kranzes oder einer Hutkrempe erhält. Andre flechten es von hinten aufwärts bis nach vorn an die Stirn zu einem aufrecht stehenden Kamme, welcher mit der Raupe eines bayrischen Reiterhelmes große Ähnlichkeit hat. Viele machen sich aus weißen Federn rings um den Kopf eine Zierde wie einen Heiligenschein.

      Einer saß tabakrauchend vor seiner Hütte. Aber was war das für eine Pfeife, deren er sich bediente! Der Kopf derselben war so groß wie ein Kürbis und das kurze Rohr so dick wie das Handgelenk eines Mannes. Da es keine Spitze hatte, so mußte der Schwarze den Mund so weit aufsperren, daß ihm die Augen aus den Höhlen traten. Aber dies erhöht nach der Ansicht der Schilluk den Genuß außerordentlich. Der Tabak wird bei ihnen gedorrt, zu Mehl zerrieben, in einen Teig geknetet und in Brotform aufbewahrt, um dann, mit beliebigen Pflanzenblättern vermischt, aus solchen Riesenpfeifen geraucht zu werden.

      Diese Leute hatten die Karawane mit schweigendem Staunen wahrgenommen; aber dann, als sie vorüber war, erhoben sie ein weitschallendes Geschrei. Schwarz verstand die Schilluksprache nicht, er wußte also nicht, was sie schrieen; da aber das Wort Homr mit besonderem Nachdrucke gebrüllt wurde, so konnte er sich denken, daß man die Araber als Feinde erkannt hatte.

      Aus den nahe liegenden Tokuls kamen die Männer, Frauen und Kinder gerannt. Das Geschrei wurde auch von ihnen angestimmt und drang schneller weiter, als die Kamele und Esel laufen konnten. Die Folge war, daß der Alarm vor ihnen hereilte. Im Nu befand sich das ganze Dorf in Aufregung, und wohin die fliegende Karawane kam, sah sie drohende Schwarze vor sich, welche aber vor den dahinrasenden Tieren zur Seite springen mußten.

      Glücklicherweise sind Bogen und Pfeil den Schilluk unbekannt; sie führen nur Lanze und Keule; einige wenige haben alte Feuerwaffen. Daher kam es, daß sie ihre Waffen zwar drohend schwangen, aber nicht in Anwendung brachten.

      Bald lag das Dorf hinter den Reitern, und der Slowak hielt seinen Esel an.

      »Das ist geglückt!« rief er aus. »Sie haben uns nicht anhalten können, und da vorn seht ihr Faschodah.«

      Schwarz sah in kurzer Entfernung vor sich den Ort liegen, welcher aus armseligen Hütten bestand, über denen sich die von Mauern umgebenen Regierungsgebäude erhoben. Der Schech war vollständig außer Atem. Er schnappte nach Luft und sein Gesicht war dunkelrot angeschwollen. Dennoch mußte er mit weiter, wenn auch nun langsameren Schrittes.

      Zufälligerweise befand zwischen der Stadt und dem Dorfe sich niemand unterwegs, so daß man wenigstens für jetzt keine Belästigung zu erwarten hatte.

      »Wo wirst du mit den andern Dschelabi wohnen?« fragte Schwarz den Ungar.

      »Jeder von uns hat einen Bekannten im Orte, der ihn gern aufnehmen wird,« antwortete der Gefragte. »Aber bei wem wirst du absteigen?«

      »Natürlich beim Mudir.«

      »Kennt er dich?«

      »Nein.«

      »So hast du ein Teskireh bei dir?«

      »Sogar einen Hattischerif des Vicekönigs und noch andre Empfehlungen.«

      »So wirst du freundlich aufgenommen werden und dich um nichts zu sorgen haben. Soll ich dich gleich zum Palaste des Mudirs führen?«

      »Ja, denn ich werde die Audienz nicht nur für mich, sondern auch für euch erbitten. Wir wollen ihm die Gefangenen sofort übergeben, und da wird er eure Aussage hören wollen.«

      »Allah segne ihre Rücken und Fußsohlen! Die Fünfhundert sind ihnen gewiß.«

      Faschodah ist keine Stadt zu nennen, sondern ein elender, wenn auch sehr alter Ort. Es steht an der Stelle der früheren Schillukresidenz Denab, welches als Danupsis, Hauptstadt der nubischen Äthiopen, bereits von Plinius erwähnt wird. Der Ort nimmt sich wegen der Regierungsgebäude von außen nicht übel aus, doch verschwindet dieser Eindruck beim Betreten sofort.

      Das Haus des Mudir und die Kaserne sind von Mauern umgeben und aus Ziegeln gebaut. Auf den Mauern stehen einige Kanonen, und des Nachts patrouillieren die Wachtposten, eine gegen die stets rebellischen Schilluk gerichtete, gar nicht überflüssige Maßregel.

      Um diese Gebäude stehen mehrere Häuser und zahlreiche Tokul, welche meist von Soldaten, die mit ihren Familien in der Kaserne keinen Platz haben, bewohnt werden. Faschodah hat nämlich eine ungefähr tausend Köpfe zählende Besatzung. Dieselbe besteht aus einer Anzahl von Arnauten, dann aber aus lauter Gehadiah, die ein höchst liederliches Leben führen, aber dennoch leichter zu disziplinieren sind als die Dongolaner, Berberiner, Scheiqieh und Ägypter, aus welchen die sonstige sudanesische Soldateska sonst besteht.

      Außer den angegebenen Gebäuden sieht man nur liederlich gebaute Hütten, halbverfallene Baracken, Erdlöcher, übelriechende Lachen und ganze Berge von Unrat, welche die Luft verpesten. Rechnet man dazu, daß der eine Flußarm außerhalb der Regenzeit versumpft und daß der Uferdamm aus Pflöcken besteht, zwischen denen man Erde, Gras und Mist angehäuft hat, so läßt es sich sehr leicht erklären, warum das Klima des Ortes ein höchst ungesundes ist, und warum die nach hier verbannten Verbrecher zwar nicht zum Tode verurteilt, aber demselben doch geweiht sind. Faschodah ist nämlich Verbannungsort.

      Außerhalb desselben gibt es einige wenige Gartenanlagen, in denen man Rettiche, Zwiebeln, Knoblauch, Melonen, Gurken, Kürbisse und das hier gebräuchliche Grünzeug baut.

      Einen Bazar gibt es freilich da, aber was für einen! Zwei oder drei Griechen oder Ägypter treiben einen kleinen Handel. Sonst sind die Bewohner auf die umher ziehenden Dschelabi angewiesen.

      Es wohnen auch Schillukneger in dem Orte. Als diese die Karawane zu Gesicht bekamen, erhoben sie ein eben solches Geschrei wie die ihnen stammesverwandten Dorfbewohner. Sie wagten unter den Kanonen der »Festung« und den Augen des Mudir zwar keine Feindseligkeiten, aber sie liefen drohend und schimpfend hinter dem Zuge her. Ihr Gebrüll machte, daß sich ihnen andre und wieder andre anschlossen, so daß die Begleitung der Reiter, als diese am Thore der Befestigung anlangten, aus mehreren hundert lärmenden Menschen bestand.

      Eine unter dem Thore stehende Wache fragte nach dem Begehr der Ankömmlinge. Schwarz antwortete, daß er sich im Besitze eines Hattischerif


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