Die Sklavenkarawane. Karl MayЧитать онлайн книгу.
er mit einem Onbaschi zurückkehrte, welcher dieselbe Frage aussprach und dann davonging, um einen Buluk Emini zu holen, der ganz dasselbe wissen wollte und nach empfangener Antwort einen Tschausch suchte, welcher die Frage wiederholte und dann nach einem Basch Tschausch eilte, der sich nach ganz demselben Gegenstande erkundigte, worauf er auch hinter dem Thore verschwand, um die wichtige Angelegenheit einem Mülasim mitzuteilen. Dieser eilte zu seinem Jüsbaschi, welcher, nachdem er Schwarz gefragt hatte, was er wolle, einen Kol Agassi schickte. Dieser endlich ließ die Wartenden in den Hof.
Darüber war fast eine Stunde vergangen, während welcher die schreiende Menge sich verdreifacht und das Gebrüll sich verzehnfacht hatte.
Nun stiegen die Reiter ab. Waren sie aber der Meinung gewesen, daß sie nun zum Mudir geführt würden, so hatten sie sich geirrt. Der Adjutant holte vielmehr einen Alai Emini, dieser einen Bimbaschi, der wieder einen Kamaikam und dieser dann einen Mir Alai herbei, welch letzterer endlich die richtige Person zu sein schien, denn er forderte dem Deutschen seine Papiere ab und entfernte sich mit denselben. Nach ungefähr zehn Minuten kehrte er zurück. Diesmal war er bemüht, die größte Höflichkeit zu zeigen. Er lud Schwarz mit einer tiefen Verbeugung ein, ihm zu folgen und führte ihn nach dem Hause des Mudir.
Der Mudir kam seinem Gaste an der Thür entgegen, kreuzte die Hände über der Brust, und begrüßte ihn mit einem ausführlichen »Salam aleïk«, welches Schwarz mit »W‘aleïk issalam« erwiderte. Für den letzteren war der Gruß des Mudir eine Ehrenerweisung, da der strenge Moslem einem Christen gegenüber nur das erste Wort des Grußes, Salam, gebraucht.
Der Mudir führte ihn, was eine noch viel größere Auszeichnung war, selbst nach dem Salamlik, wo er ihn bat, auf einem Diwan von ihm gegenüber Platz zu nehmen. Gesprochen wurde noch nicht, sondern der Beamte klatschte in die Hände, worauf einige junge Neger erschienen. Der erste trug ein Seniëh, ein sechs Zoll hohes Tischchen mit polierter Kupferplatte, welches er zwischen die beiden Herren stellte. Der zweite gab die Fenagin herum, schüttete gestoßenen Kaffee hinein und goß kochendes Wasser darauf. Als die Herren den Kaffee getrunken hatten, brachte der dritte Pfeifen, welche bereits gestopft waren, und der vierte reichte glühende Kohlen dar, die Pfeifen anzustecken. Dann zogen sich die Schwarzen schweigend zurück.
Der Mudir rauchte aus einem gewöhnlichen Tschibuk; Schwarz aber hatte einen sehr kostbaren erhalten. Das Rohr desselben war von echtem Rosenholze, mit Golddraht umwunden, und mit Perlen und Brillanten ausgelegt. Die Spitze bestand aus einem großen, herrlichen Stücke rauchigen Bernsteines, welchen die Orientalen dem durchsichtigen vorziehen.
Je höher der Gast geehrt wird, desto kostbarer die Pfeife, welche man ihm präsentiert. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, konnte der Deutsche mit der ihm gezollten Hochachtung zufrieden sein.
Nun erst, da die Pfeifen brannten, war der Augenblick des Sprechens gekommen. Der Mudir nahm die Legitimationen des Deutschen, welche neben ihm auf dem Diwan lagen, gab sie ihm zurück und sagte:
»Du stehst unter dem Schutze des Khedive, dessen Wille uns erleuchtet. Ich habe deinen Namen gelesen und weiß nun, daß du derjenige bist, den ich erwartet habe.«
»Du wußtest, daß ich kommen würde?« fragte Schwarz.
»Ja. Mumtas Pascha, der Gouverneur, mein Vorgesetzter, welchen Allah segnen wolle, hat es mir geschrieben. Er hat dich in Chartum kennen gelernt und lieb gewonnen. Du bist mir von ihm sehr empfohlen worden, und ich harre deiner Wünsche, um sie dir zu erfüllen, soviel es mir möglich ist. Auch wartet bereits ein Bote auf dich, der dir einen Brief zu überbringen hat.«
»Von wem?«
»Von deinem Bruder, welcher im Lande der Niam-niam verweilt, und dich dort erwartet.«
»So ist er schon dort?« rief Schwarz schnell und erfreut. »Er ist von Sansibar nach Westen vor gedrungen, während ich von Kairo aus nach dem Süden ging. Bei den Niam-niam wollten wir uns treffen. Er versprach mir, als wir uns trennten, mir sofort, wenn er sich am Ziele befinde, Nachricht nach Faschodah zu senden. Und ich kam heute meist aus dem Grunde hierher, nachzufragen, ob ein Bote von ihm angekommen sei.«
»Er ist da und hat einen langen, langen Brief für dich. Er ist ein sehr junger, aber auch sehr kluger Mensch. Allah hat ihn mit einem schärferen Verstande ausgestattet, als Tausende von Männern in hohem Alter besitzen. Er wohnt seit mehreren Tagen bei mir, um dich zu erwarten. Du kommst nicht direkt von Chartum?«
»Nein. Ich ging von dort aus nach Kordofan und Darfur, um die Menschen, Tiere und Pflanzen dieser Länder kennen zu lernen. Ich habe eine Sammlung angelegt, welche mehrere Kamellasten beträgt, und will sie von hier nach Chartum senden.«
»Übergib sie mir; ich werde sie sicher dorthin bringen lassen. Aber du und dein Bruder, ihr müßt sehr kühne Leute sein. Hast du nicht gewußt, daß dein Leben in Kordofan, und ganz besonders in Darfur, in steter Gefahr schwebte?«
»Ich wußte es; aber die Liebe zur Wissenschaft war größer als die Furcht.«
»So hat Allah seine Hand über dich gehalten. Ihr Christen seid furchtlose, aber unbegreifliche Leute. Ein Moslem dankt Allah für sein Dasein und bringt es nicht wegen einiger Gewächse oder Käfer in Gefahr. Du scheinst bösen Leuten gar nicht begegnet zu sein?«
»O doch; aber ich weiß, wie man solche Menschen zu behandeln hat. Der letzten und wohl größten Gefahr entging ich gestern abend, als ich ermordet werden sollte.«
»Gestern abend?« fuhr der Mudir auf. »Von wem? Wer hat es gewagt, dir nur ein Haar krümmen zu wollen? Zu dieser Zeit hast du dich doch schon im Bereiche meiner Macht befunden!«
»Es war am Brunnen des Löwen.«
»Dieser Ort gehört zu meiner Mudiriëh. Wer ist‘s, über den du dich zu beklagen hast? Nenne ihn mir, und ich werde ihn finden, wohin er sich auch verkrochen hat!«
»Es sind die Arab el Homr, welche ich gemietet hatte, mich nach hier zu begleiten.«
»Die Homr stehen nicht unter mir. Ich kann sie nur dann bestrafen, wenn sie sich innerhalb meiner Grenzen befinden.«
»Sie sind hier, unten im Hofe, gefesselt. Ich habe sie als Gefangene mitgebracht, um sie dir zu übergeben.«
»Wie? Du hast sie mit? Sind sie mit dir gegangen, nachdem sie dich ermorden wollten? Wie ist das zu glauben? Sie mußten doch wissen, was hier ihrer harrt?«
»Ich habe sie gezwungen.«
»So erzähle, erzähle!«
Er war ganz in Feuer geraten. Er war Beherrscher einer Gegend, wo es eines kräftigen Armes und einer ungewöhnlichen Energie bedurfte, den Ehrlichen gegen den Unehrlichen in Schutz zu nehmen. Beides besaß er in hohem Grade.
Schwarz erzählte das gestrige Erlebnis, auch den Kampf mit den Löwen. Der Mudir hörte ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zu und sprang, als der Bericht zu Ende war, von seinem Sitze auf. Die Pfeife, die ihm längst ausgegangen war, von sich werfend, rief er aus:
»Zwei Löwen hast du getötet und ihr Junges gefangen genommen! Du bist ein Held, ein wirklicher Held! Und doch haben diese Hunde es gewagt, sich an dir vergreifen zu wollen! Sie werden zu mir und Allah um Gnade schreien, aber weder er noch ich werden sich ihrer erbarmen. Und diesen Abu el Mot hast du genannt? Kennst du ihn?«
»Nein, doch habe ich gehört, daß er ein berüchtigter Sklavenjäger ist.«
»Das ist er, der schlimmste von allen. Wehe ihm, wenn er in meine Hände fällt! Warum hat dieser ‚Vater des Gelächters‘ dich verhindert, ihn zu ergreifen! Nun muß ich für lange Zeit darauf verzichten, ihn zu erwischen; denn er wird nach der fernen Seribah Omm et Timsah gehen, und erst nach vielen Monaten zurückkehren.«
»Weißt du, wo diese Seribah liegt?«
»Ja, denn sie ist durch ihre Schandthaten berühmt geworden. Sie liegt weit von hier im Süden, im Lande der Niamniam.«
»Was?« horchte Schwarz erschrocken auf. »Wo mein Bruder sich befindet?«
»Ob er sich gerade in diesem Teile des Landes, welches groß ist, befindet, weiß ich nicht. Sie liegt im Gebiete des Makrakastammes.«
»Dieser Stamm ist mir unbekannt.«
»Der