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Die Sklavenkarawane. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Die Sklavenkarawane - Karl May


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geht euer Weg? Die Sonne ist gesunken. Wollt ihr nicht bald Lager machen?«

      Die Leute waren nur sehr notdürftig gekleidet. Die meisten trugen nichts als nur die Lendenschürze; aber alle waren guten Mutes. Sie schienen gute Geschäfte gemacht zu haben. Sie gehörten nicht einer und derselben Rasse an. Es gab mehrere Schwarze unter ihnen. Voran ritt ein kleiner, dünner und, so viel man bei dem scheidenden Tageslichte sehen konnte, blatternarbiger Bursche, dessen Schnurrbart aus nur einigen Haaren bestand. Er hatte Hosen an, war sonst unbekleidet und trug ein riesiges Schießgewehr am Riemen auf dem Rücken. Eine Kopfbedeckung schien für ihn überflüssig zu sein; sein Haar hing ihm dick und voll vom Haupte bis auf den Rücken herab, fast ganz in der Weise, wie die in Deutschland als Blechwarenhändler und Drahtbinder umherziehenden Slowaken das ihrige zu tragen pflegen. Er war es, der die Antwort übernahm:

      »Wir kommen vom Dar Takala herab und wollen nach Faschodah.«

      »Aber nicht heute?«

      »Nein, sondern erst morgen. Heute bleiben wir am Bir Aslan.«

      »Das wollen wir auch. So können wir uns also Gesellschaft leisten.«

      »Herr, wie könnten wir armen Dschelabi es wagen, den Hauch deines Atems zu trinken? Wir machen uns ein Lager fern von Euch. Erlaube uns nur ein wenig Wasser für uns und unsre Tiere?«

      »Alle Menschen sind vor Allah gleich. Ihr sollt bei uns schlafen. Ich wünsche es.«

      Das sagte er in bestimmtem Tone. Dennoch fragte der Dschelabi:

      »Du scherzest, Herr, nicht wahr?«

      »Nein. Es ist mein Ernst. Ihr seid mir willkommen.«

      »Und deinen Leuten auch?«

      »Warum diesen nicht?«

      »Ihr seid Beni Arab. Darf ich erfahren, von welchem Stamme?«

      »Von dem der Homr.«

      »Allah kerihm – Gott ist gnädig, aber die Homr sind es nicht. Erlaube, daß wir fern von Euch bleiben.«

      »Warum ?«

      »Weil wir euch nicht trauen dürfen.«

      Er hielt den Fremden auch für einen Homr, ja für den Anführer derselben. Um so mutiger war es von ihm, daß er so aufrichtig sprach. Der Europäer antwortete:

      »Hältst du uns für Diebe?«

      »Die Homr sind Feinde der Schilluk, in deren Gebiete wir uns hier befinden,« meinte der Dschelabi ausweichend. »Wie leicht kann es zu einem Kampfe kommen, und da ziehen wir es vor, fern zu bleiben.«

      »Dein Herz scheint keinen großen Mut zu besitzen. Wie ist dein Name?«

      Der Kleine richtete sich im Sattel höher auf und antwortete:

      »Ob ich furchtsam bin, das geht dich gar nichts an. Wenn du meinen Namen wissen willst, so steige ab und hole dir ihn!« Er sprang von seinem Esel, warf das Gewehr weg und zog das Messer. Die Homr waren weiter geritten. Die Dschelaba hielt noch am Platze. Hinter dem bisherigen Sprecher befand sich ein ebenso kleiner Bursche, welcher befürchten mochte, daß die Scene sich zum Schlimmen wenden könne. Er wollte dem vorbeugen, indem er sagte:

      »Verzeihe, Herr, dieser Mann hat stets einen großen Mund und ist doch nur ein kleiner Mensch, der nichts versteht. Er wird von uns Ibn el dschidri oder wohl auch Abu el hadaschtscharin genannt.«

      »Warum dieser letztere Name?« erkundigte sich der Fremde.

      »Weil sein Schnurrbart nur aus elf Haaren besteht, rechts sechs und links fünf. Und doch ist er außerordentlich stolz auf ihn, so daß er ihn gerade so sorgfältig pflegt wie eine Nuer-Negerin ihr Durrhafeld.«

      Er bemühte sich, dem drohenden Konflikte eine heitere Bahn zu brechen, kam aber bei seinem Kollegen schlecht an, denn dieser rief ihm zornig zu:

      »Schweig, du Vater des Unverstandes! Mein Schnurrbart ist hundertmal mehr wert als dein ganzer Kopf. Du selbst hast den großen Mund. Du rühmst dich deines Stammbaumes, aber niemand glaubt an ihn!«

      Das war eine Beleidigung, welche den andern nun auch in Harnisch brachte. Er antwortete:

      »Was weißt du von meinem Stammbaum! Wie lautet mein Name, und wie klingt der deine!«

      Und sich zu dem Fremden wendend, fuhr er fort:

      »Herr, erlaube mir, dir zu sagen, wer ich bin! Ich heiße nämlich Hadschi Ali ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Hadschi Otaiba Abu ‚l Ascher ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abd‘ Allah el Sandschaki.«

      Je länger der Name eines Arabers, desto mehr ehrt ihn derselbe. Von berühmten Vätern abzustammen, geht ihm über alles. Darum reiht er ihre Namen bis ins dritte und vierte Glied aufwärts aneinander und bringt so eine Riesenschlange fertig, über welche der Europäer heimlich lächelt.

      Dieser Hadschi Ali blickte den Fremden erwartungsvoll an, was er zu dem berühmten Namen sagen werde.

      »Also Hadschi Ali heißt du?« fragte der ‚Vater der vier Augen‘. »Dein Vater war Hadschi Ishak al Faresi?«

      »Ja. Hast du von ihm gehört?«

      »Nein. Dein Großvater hieß also Hadschi Otaiba Abu ‚l Oscher?«

      »So ist es. Ist dieser dir bekannt?«

      »Auch nicht. Und dein Urgroßvater war Hadschi Marwan Omar el Gandesi?«

      »So ist es. Von ihm hast du doch jedenfalls vernommen?«

      »Leider nicht! Und endlich war dieser letztere der Urenkel und Nachkomme von Jacub Abd‘ Allah el Sandschaki, also des Fahnenträgers?«

      »Ja, er trug den Sandschak des Propheten in den Kampf.«

      »Diesen Namen habe ich allerdings gelesen. Jacub Abd‘ Allah soll ein mutiger Streiter gewesen sein.«

      »Ein Held war er, von dem noch heute die Lieder erzählen!« stimmte Ali stolz bei.

      »Aber dein Ahne ist er nicht!« fiel der erste Dschelabi ein. »Du hast ihn dir unrechtmäßigerweise angeeignet!«

      »Bringe mir nicht immer diesen Vorwurf! Ich muß doch besser als du wissen, von wem ich stamme!«

      »Und mit eben solchem Unrechte nennst du dich Hadschi Ali. Wer da sagt, daß er ein Hadschi sei, der muß doch Mekka zur Zeit der Pilgerfahrt besucht haben. Du aber warst nie dort!«

      »Etwa du?«

      »Nein. Ich rühme mich dessen nicht, denn ich mache keine Lügen.«

      »Du könntest dich auch gar nicht rühmen, denn du bist ein Christ, und Christen ist der Zutritt in Mekka bei Todesstrafe verboten!«

      »Wie? Du bist ein Christ?« fragte der Fremde den ersten Dschelabi.

      »Ja, Herr,« antwortete dieser. »Ich mache kein Hehl daraus, denn es ist eine Sünde, seinen Glauben zu verleugnen. Ich bin allerdings Christ und werde es bleiben bis an mein Ende.«

      Bis jetzt hatte der »Vater der vier Augen« dem Konflikte der beiden mit stillem Behagen zugehört. Sie schienen sich in den Haaren zu liegen und doch die besten Freunde zu sein. Jetzt aber wurde er plötzlich ernst, und es lag eine tiefe Betonung auf seinen Worten, als er sagte:

      »Daran thust du ganz recht. Kein Christ soll seinen Glauben aus irgend einem Grunde verleugnen. Das wäre eine Sünde wider den heiligen Geist, von welcher das Kitab el mukkadas sagt, daß sie nicht vergeben werden könne.«

      »Sünde wider den heiligen Geist?« fragte der Dschelabi erstaunt. »Davon hast du gehört?«

      »Jawohl.«

      »Und die heilige Schrift kennst du also auch?«

      »Ein wenig.«

      »Und als Moslem rätst du mir, fest an meinem Glauben zu halten!«

      »Ich bin kein Moslem, sondern auch ein Christ.«

      »Auch ein Christ! Wohl ein koptischer?«

      »Nein.«

      »Aber was sonst für einer?


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