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Durch das Land der Skipetaren. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Durch das Land der Skipetaren - Karl May


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gewöhnliche Hadsch Marrjam heilt, als Tee getrunken, die Lungensucht, falls diese nicht gar zu alt geworden ist. Die Distel hat einen Stoff, welcher die winzig kleinen Krankheitstiere tötet, die sich in der Lunge befinden. Von dem König aber sagt man, daß er den Lungensüchtigen noch vom Grab wegnähme.«

      »Hast du das probiert?«

      »Nein; ich glaube es, denn der Schöpfer ist allmächtig und kann, wenn er will, den kleinsten Pflänzchen eine große Kraft verleihen.«

      »So komm morgen zu mir und zeige mir den König, wenn ich noch da bin. Weißt du, wo ich wohne?«

      »Ich habe es gehört. Schlafe wohl, Effendi!«

      »Gut Glück mit dem König, Nebatja!«

      Sie ging.

      »Sihdi, glaubst du das von dem König der Disteln?« fragte mich Halef im Weiterschreiten.

      »Ich bezweifle es nicht.«

      »Ich habe noch nie gehört, daß Pflanzen ihre Herrscher haben.«

      »So glaubst du es also nicht. Nun, wenn sie mir diesen Beherrscher der Hadsch Marrjam bringt, wirst auch du ihn sehen.«

      Ich ahnte heute nicht, daß ich dem Distelkönig bald mein Leben zu verdanken haben würde. Daß die Pflanzensucherin sich heute seinetwegen hier oben befand, sollte mir zum größten Vorteil gereichen. Uebrigens ist der Distelkönig wirklich keine fabelhafte Pflanze. Ich habe zwischen Scheibenberg und Schwarzenberg im sächsischen Erzgebirge auf einer kahlen, abgeholzten Höhe ein Marienkreuz-Distelvolk gefunden und bin volle vier Tage dort geblieben, um nach dem König zu suchen.

      Das Terrain, über welches sich die Disteln ausgebreitet hatten, bildete wirklich einen ziemlich regelrechten Kreis. Ich umwanderte den Umfang desselben und schritt dann verschiedene Radien nach der Mitte zu ab, doch lange ohne Erfolg. Endlich aber fand ich den Gesuchten an einem Punkt, an welchem ich oft vorübergekommen war, ohne den König zu sehen, da er von einem Büschel dichten, dürren Schmeelgrases ganz umgeben war. Er rechtfertigte genau Nebatjas Beschreibung; ich schnitt ihn ab und besitze ihn noch heute. Als ich nach ungefähr vier Monaten wieder nach Annaberg kam, unternahm ich neugierig und trotz Mangel an Zeit die Fußpartie nach dem Fundort – die Untertanen waren eingegangen.

      Diesen Beweis von der Wahrheit der Beschreibung Nebatjas hatte ich freilich hier in Ostromdscha noch lange nicht; aber dennoch glaubte ich ihr. Der große Linné erzählt ja mit schöner Anerkennung, daß er seine besten Funde und Beobachtungen infolge von Winken gemacht habe, welche er von einfachen, oft noch weniger als einfachen Menschen erhielt. Das Kind des Volkes hat einen liebevolleren Blick für die Heimlichkeiten der Natur, als der sogenannte bevorzugte Mensch. —

      Im Ort angekommen, begaben wir uns zu dem Kodscha Bascha, bei welchem ich das Verzeichnis anfertigte. Seine Augen funkelten, als wir den Inhalt der drei Geldbeutel zählten. Er fragte nochmals an, ob ich ihm die Absendung nicht überlassen wollte, aber ich bestand darauf, daß ich das selbst besorgen werde. Es sollte sich sehr bald zeigen, daß ich daran wohl getan hatte. Aber er drang darauf, jedenfalls um mich zu ärgern, daß die Beutel versiegelt und mit seinem Petschaft gestempelt werden mußten. Ich weigerte mich natürlich keinen Augenblick.

      Dann ließ ich mir die Gefangenen zeigen. Sie befanden sich in einem kellerartigen Raum und waren gebunden.

      Ich sagte ihm, daß dies eine unnütze Quälerei sei; er aber meinte, daß man mit solchen Burschen gar nicht streng genug verfahren könne, und er werde während der Nacht sogar einen seiner Knechte als Wächter vor die Türe stellen.

      Ich fühlte mich also über die Sicherheit der Gefangenen ganz beruhigt und dachte wirklich nicht, daß er sie jetzt nur deshalb gebunden habe, weil zu erwarten war, daß ich kommen werde, um nach ihnen zu sehen.

      Von hier aus begab ich mich in den Konak, wo jetzt das verspätete Abendmahl eingenommen wurde. Wir saßen in demselben Zimmer wie am Mittag beisammen. Es ging recht munter her, denn die Ereignisse des Tages gaben genug Stoff zu einem lebhaften Gedankenaustausch, und so war Mitternacht längst vorüber, als wir uns zur Ruhe legten.

      Ich bekam die Ehrenstube angewiesen, in welche ich auf einer Stiege gelangte. Da zwei Betten dastanden, nahm ich den kleinen Hadschi zu mir. Ich wußte, wie wohl ihm solcher Freundschaftserweis tat.

      Meine Uhr zeigte wenig über zwei, als wir uns anschickten, uns der Kleider zu entledigen. Da pochte es unten an das jetzt verriegelte Tor. Ich öffnete den Laden und blickte hinaus. Es stand jemand am Tor: ich konnte aber nicht erkennen, wer es war.

      »Kim dir – wer ist da?« fragte ich.

      »O, das ist deine Stimme,« antwortete ein weiblicher Mund. »Nicht wahr, du bist der fremde Effendi?«

      »Ja. Und du bist die Pflanzensucherin?«

      »Ja, Herr. Komm herab! Ich habe dir etwas zu sagen.«

      »Ist‘s notwendig?«

      »Gewiß.«

      »Werde ich wieder schlafen gehen können?«

      »Sogleich wohl nicht.«

      »Warte! Ich komme.«

      Eine Minute später stand ich mit Halef unten bei ihr.

      »Effendi,« sagte sie, »weißt du, was geschehen ist – — oder halt, so viel Zeit hast du wohl noch: siehe da meinen König der Hadsch Marrjam!«

      Sie gab ihn mir in die Hand, eine stachelige Distel von zweimal Handbreite, aber wirklich so dünn, wie eine Messerklinge. Die helle Zickzackschlange oben auf der langen, schmalen Krone war trotz der Dunkelheit sehr deutlich zu erkennen. Sie »leuchtete« zwar nicht, aber sie hatte einen ziemlich bedeutenden Glanz, fast wie phosphoreszierend.

      »Glaubst du mir nun?« fragte sie.

      »Ich habe an deinen Worten gar nicht gezweifelt. Hier ist‘s zu dunkel; ich werde dich früh besuchen, um mir die Distel bei Tageslicht genau zu betrachten. Aber nun sage, was du mir mitzuteilen hast.«

      »Etwas sehr Schlimmes: die Gefangenen sind entflohen.«

      »Was? Wirklich?«

      »Ja, sie sind entflohen.«

      »Woher weißt du es?«

      »Ich habe es gesehen; ja sogar gehört, was sie sprachen.«

      »Wo denn?«

      »Droben auf dem Berg, an der Hütte des Mübarek.«

      »Sihdi!« sagte Halef. »Da müssen wir fort, augenblicklich fort, hinauf auf den Berg. Wir schießen sie nieder, sonst geht es uns an das Leben.«

      »Warte! Wir müssen erst alles wissen. Sage uns, Nebatja, wie viele ihrer waren.«

      »Die drei Fremden, der Mübarek und der Kodscha Bascha.«

      »Was? Der Kodscha Bascha war dabei?«

      »Ja; er selbst hat sie herausgelassen und von dem Mübarek fünftausend Piaster dafür erhalten.«

      »Weißt du das gewiß?«

      »Ich habe es deutlich gehört.«

      »So erzähle, aber alles doch nur kurz! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

      »Ich hatte den Distelkönig geholt und wollte zurückkehren über die Lichtung. Da sah ich vier Männer kommen, in der Richtung aus der Stadt. Ich wollte mich nicht sehen lassen und huschte in die Ecke, welche die Hütte mit der Mauer bildet, an die sie stößt. Die vier Männer wollten in die Hütte treten, welche aber verschlossen war. Drei von ihnen kannte ich nicht; der vierte aber war der Mübarek. Sie sprachen davon, daß der Richter sie nun frei gelassen habe und gleich kommen werde, um sich fünftausend Piaster dafür zu holen. Wenn sie ihn bezahlt hätten, wollten sie fort; aber rächen müßten sie sich an euch. Der eine sagte, du würdest jedenfalls nach Radowich und Istib reiten. Unterwegs sollten euch da die Aladschy überfallen.«

      »Wer sind die Aladschy?«

      »Ich weiß es nicht. Dann kam der Kodscha Bascha. Weil niemand den Schlüssel hatte, traten sie die Türe mit den Füßen ein. Es wurde Licht gemacht und ein Laden geöffnet, gleich da, wo ich versteckt war. Aus


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