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Durch das Land der Skipetaren. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Durch das Land der Skipetaren - Karl May


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danke dir, Nebatja; morgen sollst du deine Belohnung dafür haben. Geh jetzt heim! Ich habe nicht länger Zeit.«

      Nun kehrte ich in das Haus zurück. Zu wecken brauchte ich niemanden. Daß man mir gepocht hatte, war ein sicheres Zeichen gewesen, es sei etwas vorgefallen; man war also aufgestanden. Nach kaum zwei Minuten waren wir bewaffnet und unterwegs: Halef, Osko, Omar und ich. Die beiden Wirte hatten die Stadt alarmieren wollen, ich aber hatte es ihnen verboten; denn die Flüchtlinge hätten den Lärm hören müssen und wären durch denselben gewarnt worden. Ich beauftragte die Wirte, im Stillen noch einige wackere Männer zu holen und mit ihnen die nach Radowich führende Straße zu besetzen. So mußten ihnen die Flüchtlinge auf alle Fälle in die Hände laufen, wenn es uns nicht vorher gelang, sie unschädlich zu machen.

      Wir Vier eilten zunächst den Bergpfad empor; dann aber, als wir den Wald erreichten, waren wir gezwungen, langsamer zu gehen. Da das Terrain nicht offen war, mußten wir uns in acht nehmen, nicht zu stürzen. Der Weg ging steil bergan, und der Boden war zwischen den Bäumen mit Steinen besät, da das herabströmende Regenwasser allmählich die weicheren Erdbestandteile weggewaschen hatte.

      Da war es mir, als ob ich vor uns einen scharfen, spitzen Menschenlaut vernehme, wie wenn jemand im Schrecken ein hohes, kurzes »I« ausstößt. Dann hörte ich einen dumpfen Schall, wie wenn jemand stürze.

      »Halt!« flüsterte ich den Andern zu. »Es ist ein Mensch da vor uns. Bleibt stehen, und verhaltet euch ganz ruhig.«

      Nach wenigen Augenblicken näherten sich uns langsame Schritte. Sie waren unregelmäßig, denn der Mann setzte den einen Fuß langsamer und auch leiser vorwärts als den andern. Er hinkte. Vielleicht hatte er sich bei dem Fall verletzt.

      Jetzt war er ganz nahe vor mir. Die Nacht war nicht hell, und hier zwischen und unter den Bäumen lagerte nun gar eine dicke Finsternis. Darum ließ mich mehr der Instinkt als das Auge eine lange dünne Gestalt erkennen, ganz ähnlich derjenigen des Kodscha Bascha.

      Ich faßte ihn bei der Brust.

      »Dur we sus – halt und schweig!« gebot ich ihm mit unterdrückter Stimme.

      »Ia Allah!« rief er erschrocken.

      »Sei still, sonst schlage ich dich nieder.«

      »Wer bist du?« fragte er.

      »Kennst du mich nicht?«

      »Ah, du bist der Fremde! Was willst du hier?«

      Vielleicht hörte er es an meiner Stimme, vielleicht auch war meine Gestalt besser zu erkennen, als die seinige – er wußte, wen er vor sich hatte.

      »Und du, wer bist du?« fragte ich. »Wohl gar der Kodscha Bascha, welcher die Gefangenen frei gelassen hat!«

      »Ej müdschizat! O Wunder!« schrie er laut. »Er weiß es!«

      Er machte einen Seitensprung, um sich zu befreien. Ich hielt zwar fest, da ich wohl einen Fluchtversuch erwartet hatte; aber sein alter, morscher Kaftan hielt nicht so fest wie ich. Ein Riß, ich hatte ein Stück des Zeuges in der Hand, und der Mann sprang unter die Bäume hinein, wo eine Verfolgung ganz nutzlos gewesen wäre. Dabei schrie er aus Leibeskräften:

      »Hajde, sa-usch kulibeden, choriadscha, tschapuk – fort, fort aus der Hütte, rasch, schnell!«

      »O Sihdi, was bist du für ein Dummkopf!« sagte Halef. »Hast den Kerl schon beim Schopf und lässest ihn doch wieder los! Wenn ich das getan hätte, so – —«

      »Still!« unterbrach ich ihn. »Zu Vorwürfen haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen schnell zu der Hütte, denn sein Warnungsruf läßt vermuten, daß sie dort sind.«

      Da erschallte von oben herab ein fragender Ruf:

      »Nitschün, ne deji – warum, aus welchem Grund?«

      »Jabandschylar, edschnebiler! Katschyn, koschyn, sytschryn – die Fremden, die Fremden! Flieht, lauft, springt!« antwortete der Flüchtende von der Seite her.

      Jetzt befleißigten wir uns natürlich der größtmöglichsten Eile; aber der holprige Weg hielt uns doch zu sehr auf. Wir waren nur wenige Schritte weit fortgekommen, da tat es oben einen Krach: wir sahen einen Feuerstrahl emporschießen, dann wurde es für einige Augenblicke wieder dunkel.

      »Sihdi, bir top fischenkler ile – Herr, das war eine Kanone mit Raketen!« meinte Halef, indem er hinter mir her keuchte. »O Allah, es brennt sogar noch!«

      Wir sahen jetzt zwischen den Baumstämmen hindurch einen Feuerschein, und als wir dann den freien Platz erreichten, lag die Hütte vor uns, über und über brennend. Und von dort her rief eine Stimme:

      »Dort kommen sie! Seht ihr sie? Gebt Feuer!«

      Wir waren vom Flammenschein hell erleuchtet und boten also ein sehr sicheres Ziel.

      »Zurück!« rief ich und tat zu gleicher Zeit einen Sprung, der mich hinter den nächsten Baum brachte.

      Die Andern folgten augenblicklich meinem Beispiel, und just noch zur rechten Zeit, denn es krachten drei Schüsse auf uns, von denen aber keiner traf.

      Noch im Sprunge hatte ich das Gewehr emporgenommen. Der Aufblitz der Schüsse mußte mir die Stelle verraten, an welcher sich die Halunken befanden. Ich drückte keine Sekunde später ab als sie und hatte getroffen, denn eine Stimme schrie:

      »Ej felaket, bre ha! Jaralanmyschim! – O Unglück, zu Hilfe! Ich bin verwundet!«

      »Drauf und dran!« rief der tapfere kleine Hadschi Halef Omar, indem er hinter seinem Baum hervorsprang.

      »Halt!« warnte ich, ihn am Arm erfassend. »Sie haben vielleicht zwei Läufe.«

      »Mögen sie hundert haben, die Schurken, ich haue sie nieder!«

      Er riß sich los, drehte sein Gewehr um und sprang über den hell erleuchteten Platz. Da blieb uns nichts Anderes übrig, als ihm zu folgen. Es war das sehr gefährlich, aber glücklicherweise war da drüben kein Doppelgewehr vorhanden, und zum Wiederladen hatten sie auch keine Zeit gehabt. Wir gelangten mit heiler Haut zu dem Felsen, an welchem die Schüsse gefallen waren; doch war dies auch der einzige Erfolg, den uns der unvorsichtige Sturmlauf einbrachte. Es befand sich niemand mehr da.

      »Sihdi, wo sind sie?« fragte Halef. »Hast du eine Ahnung davon?«

      »Wo sie sind? Nein! Aber wie sie sind, das weiß ich sehr genau.«

      »Nun, wie denn?«

      »Gescheiter als wir, vor allen Dingen gescheiter als du.«

      »Willst du mich schon wieder tadeln?«

      »Du verdienst es. Wir hätten sie ganz sicher ergriffen, wenn du nicht ausgebrochen wärest.«

      »Auf welche Weise denn?«

      »Wenn wir, gedeckt durch die Bäume, um die Lichtung schlichen, wären wir an sie gekommen.«

      »Sie wären auch schon fort gewesen.«

      »Das fragt sich. Einem offenen Angriff sind sie natürlich ausgewichen; das heimliche Beschleichen hätte aber wohl Erfolg gehabt, besonders wenn einer von euch zurückgeblieben wäre und einige blinde Schüsse abgegeben hätte. Da hätten sie geglaubt, wir alle seien noch dort.«

      »So meinst du, daß wir sie nun nicht bekommen können?«

      »Sie sind jedenfalls noch nahe; aber suche sie in dieser Finsternis. Das Feuer erleuchtet nur die Lichtung. Und selbst wenn wir wüßten, wo sie sich befinden, müßten wir sie in Ruhe lassen; sie müßten uns ja kommen hören, und was dann erfolgen würde, kannst du dir denken.«

      »Ja, sie würden uns mit Kugeln empfangen, und ich habe mir sagen lassen, daß so eine Kugel zuweilen imstande sei, die Jugend im Wachstum zu hindern. Aber was tun wir nun?«

      »Horchen wir!«

      Dieser kurze Gedankenaustausch war selbstverständlich nicht mit überlauten Stimmen geführt worden. Es war anzunehmen, daß die vier Männer sich gar nicht weit von uns befanden, und wir durften sie nicht durch unvorsichtiges Sprechen nach unserm Standpunkt locken.

      Ueberdies hatten wir uns


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