Durchs wilde Kurdistan. Karl MayЧитать онлайн книгу.
beschwerlichen, kaum reitbaren Weg, der uns zu den Tura-Ghara-Bergen emporführte. Es gehörten fast die Füße von Gemsen dazu, diesen Felsenpfad zu überwinden, aber wir langten glücklich auf der Höhe an. Hier hielt der Vorsteher sein Pferd an, nahm aus der Satteltasche ein Paket und sagte:
»Nimm dies, und gib es dem Manne meiner Tochter, wenn du nach Gumri kommen solltest. Ich habe ihr ein persisches Tuch und ihrem Manne für seine Mehin[43] einen Dizgin[44] versprochen, wie ihn die Kurden von Pir Mani führen. Wenn du ihnen diese Sachen bringst, so wissen sie, daß du mein Freund und Bruder bist, und werden dich so aufnehmen, als ob ich es selber wäre. Aber ich wünsche um deinetwillen dennoch, daß du wieder zu mir zurückkehren mögest.«
Er deutete auf einen Reiter, der uns gefolgt war und bei Halef und dem Baschi-Bozuk hielt.
»Das ist der Mann, der mir den Anzug dieses Fremdlings wieder bringen wird. Ihm könntest du auch das Paket geben, wenn du merkst, daß dich dein Weg nicht nach Gumri führt. Und nun scheiden wir! Aaleïk sallam, u rahhmet Allah – der Friede und die Barmherzigkeit sei mit dir!«
Wir umarmten und küßten uns, dann gab er auch den Andern die Hand und kehrte um. Ich hatte in ihm einen Mann kennen gelernt, an den ich noch heute mit Achtung und Wohlwollen zurückdenke.
Drittes Kapitel: In der Festung
Wir ritten weiter. Der Weg ging bergab in das Tal von Amadijah hinunter. Dieses Tal wird von einer Sandsteinablagerung gebildet und von sehr vielen Schluchten durchschnitten, in denen rauschende Waldbäche strömen. Sie führen alle ihr Wasser dem Zab entgegen. Die Schluchten und Gelände sind mit kräftigen Eichenwaldungen bestanden, die bedeutende Galläpfelernten liefern, mit denen die Bewohner einen einträglichen Handel treiben. In der Ebene liegen zahlreiche chaldäische Dörfer, die aber entweder öde und verlassen sind, oder nur wenige Bewohner zählen, da die Chaldäer sich vor den Bedrückungen der Türken und den Einfällen räuberischer Kurdenstämme gern in die Berge zurückziehen.
Durch diese Landschaft, deren Eichen mich heimatlich anmuteten, ritten wir unserm Ziele entgegen.
»Darf ich reden?« fragte Lindsay leise.
»Ja. Wir sind ja unbelauscht.«
»Aber der Kurde hinter uns?«
»Kommt nicht in Betracht.«
»Well! Dorf hieß Spandareh?«
»Ja.«
»Wie Euch gefallen?«
»Sehr. Und Euch, Sir?«
»Prächtig! Guter Wirt, gute Wirtin, feines Essen, schöner Tanz, prachtvoller Hund!«
Bei dem letzten Worte blickte er auf das Windspiel, welches neben meinem Pferde hertrabte; ich war so vorsichtig gewesen, es mittels einer Leine an meinen Steigbügel zu binden. Uebrigens hatte der Hund bereits Freundschaft mit meinem Pferde geschlossen und schien es genau zu wissen, daß ich sein Herr geworden sei. Er blickte mit seinen großen, klugen Augen sehr aufmerksam zu mir empor.
»Ja,« antwortete ich. »Alles war schön, besonders das Essen.«
»Exzellent! Sogar Taube und Beefsteaks!«
»Hm! Glaubt Ihr wirklich an die Taube?«
»Well! Warum nicht?«
»Weil es keine war.«
»Nicht? Keine Taube. War welche!«
»War keine!«
»Was sonst?«
»Es war das Tier, das von den Zoologen den lateinischen Namen Vespertilio murinus oder myotis erhalten hat.«
»Bin kein Zoologe. Auch nicht Latein!«
»Diese Taube heißt gewöhnlich Fledermaus.«
»Fleder – — —«
Er hielt inne. Seine Geschmacks- und Verdauungsnerven wurden beim Klange dieses Wortes in eine Anstrengung versetzt, durch welche sein Mund in eine trapezoide und perennierende Höhlenöffnung verwandelt wurde, in welcher man die schönste Entdeckungsreise vornehmen konnte. Sogar die lange Nase schien in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn ihre Spitze bekam jene weiße Färbung, von welcher der Dichter gesungen haben soll: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß mir so traurig ist!«
»Ja, Fledermaus war es, Sir. Fledermaus habt Ihr gegessen.«
Er hielt sein Pferd an und starrte in das Blaue.
Endlich hörte ich einen lauten Klapp; der Mund war wieder zugefallen, und ich ahnte, daß ihm nun auch das Vermögen, seine Gefühle in Worte zu fassen, zurückgekommen sei.
»– — – maus!!!«
Mit dieser kleinen Silbe setzte er das vorhin begonnene »Fleder – — —« fort; dann langte er von seinem Pferde herüber und faßte mich am Arme.
»Sir!«
»Was?«
»Vergeßt die Achtung nicht, die man einem jeden Gentleman schuldig ist!«
»Habe ich sie Euch gegenüber vergessen?«
»Sehr, sage ich!«
»Inwiefern?«
»Wie könnt Ihr behaupten, daß Sir David Lindsay Fledermäuse ißt!«
»Fledermäuse? Ich habe nur von einer einzigen gesprochen.«
»Gleich! Eine oder mehrere, die Injurie bleibt sich gleich. Ihr werdet mir Genugtuung geben! Satisfaktion! Well!«
»Die habt Ihr ja bereits!«
»Ich habe? Ich hätte? Ah! Wie?«
»Ihr habt eine Satisfaktion erhalten, die Euch vollständig genügen wird.«
»Welche? Weiß von keiner!«
»Ich habe selbst auch Fledermaus gegessen; auch Mohammed Emin.«
»Auch? Ihr und er? Ah!«
»Ja. Auch ich hielt es für Taube. Als ich mich aber erkundigte, hörte ich, daß es Fledermaus sei.«
»Fledermaus hat Häute!«
»Waren weg geschnitten.«
»Also wirklich wahr?«
»Wirklich.«
»Kein Scherz, kein Spaß?«
»Ernst!«
»Fürchterlich! Oh! Bekomme Kolik, Cholera, Typhus, oh!«
Er machte ein wirkliches Choleragesicht; ich mußte Erbarmen zeigen:
»Fühlt Ihr Euch unwohl, Sir?«
»Sehr! Yes!«
»Soll ich helfen?«
»Schnell! Womit?«
»Mit einem homöopathischen Mittel.«
»Habt Ihr eins? Mir ist wirklich übel! Armselig! Welches Mittel?«
»Similia Similibus.«
»Wieder Zoologe? Latein?«
»Ja. Latein ist es: gleiches mit gleichem. Und zoologisch ist es auch, nämlich Heuschrecken.«
»Was! Heuschrecken?«
»Ja, Heuschrecken.«
»Gegen das Uebelsein? Soll ich essen?«
»Ihr sollt sie nicht essen, sondern Ihr habt sie bereits gegessen.«
»Habe bereits? Ich?«
»Ja.«
»Dulness, Dummheit! Unmöglich! Wann?«
»Gestern abend.«
»Ah! Erklärung!«
»Ihr sagtet vorhin, die Beefsteaks seien sehr gut gewesen.«
»Sehr! Ungeheuer gut! Well!«
»Es waren keine Beefsteaks.«
»Keine? Keine Beefsteaks!
43
Stute.
44
Zügel, Zaum.