Im Lande des Mahdi I. Karl MayЧитать онлайн книгу.
und gerecht gegen einander sein. Ich preise meinen Glauben nicht und schände keinen andern; ich mag nicht bekehren und lasse mich nicht bekehren. Meine Augen können nur das Irdische sehen und werden erst, wenn ich gestorben bin, das Himmlische erblicken. Warum soll ich darüber streiten, wer Gott in der rechten Weise anbetet? Wir sind eine einzige große Familie und haben einen einzigen Vater. Jedes Kind hat seine besonderen Gaben und Eigenschaften und spricht in seiner besonderen Art und Weise mit dem Vater. Gieb mir die Hand, Effendi! Du bist ein Christ, und ich bin ein Moslem; aber wir sind Brüder und gehorchen unserm Vater, weil wir ihn lieben!«
Er reichte mir seine Hand, und ich legte die meinige in dieselbe. Hätte ich das nicht thun, hätte ich ihm sagen sollen, daß ich ihm als Christ nicht beistimmen könne? Nein; ein solches Wort sagt man nicht in solchem Augenblicke. Indem ich schwieg, wurde ich nicht Muhammedaner; aber indem ich ihn reden ließ, gab ich ihm Gelegenheit, fast wie ein Christ zu sprechen. Indem er sich von der Aggressivität des Islam lossagte, hörte er auf, ein Muhammedaner zu sein. Er that einen großen Schritt zum Christentume herüber, und durch eine Gegenrede hätte ich ihn nur veranlaßt, diesen Schritt zurück zu thun. Man ist nicht Lehrer, nicht Missionar durch Worte allein; man lehrt auch durch die That; ja die That wirkt oft mächtiger als das Wort, und zuweilen ist auch das Schweigen eine That, wenn auch nur eine That, welche Ärgernis verhindert.
Ich erzählte weiter. Gerade als ich geendet hatte, kehrte die »rechte Hand«, der »Liebling« zurück. Er postierte seine zehn bewaffneten Männer auf verschiedene Stellen des Deckes, wo sie, um vom Ufer aus nicht bemerkt zu werden, sich hinter den hohen Bord niedersetzten. Dann kam er zu uns herauf und meldete:
»Emir, das Schiff ist besetzt; aber als wir jetzt kamen, stand da drüben unter dem Baume ein Mensch, welcher scharf nach der Dahabijeh blickte. Das kam mir verdächtig vor; ich befahl, ihn zu ergreifen, doch er floh noch zur rechten Zeit. Wenn Allah mir gute Augen verliehen hat, so kann ich darauf schwören, daß es derselbe Mensch war, welchen wir schon vorhin sahen, bevor wir das Schiff betraten.«
»Also der Taschendieb? Wie schade, daß er euch entgangen ist! Er weiß nun, in welcher Hand sich die Dahabijeh befindet, und wird sich aus dem Staube machen. Aber morgen bin ich in Kahira und werde ihn festnehmen lassen.«
»Wenn du ihn findest!« warf ich ein.
»O, ich finde ihn. Ich bringe die ganze Polizei in Alarm, und wo dieser Kerl sich herumzutreiben pflegt, das weiß man ziemlich genau. Also, Effendi, du bist nun fertig. Ich weiß, was geschehen ist; aber ich weiß auch noch etwas, nämlich, daß du ein Mann bist, den ich auf meinem ›Falken‹ haben möchte. Willst du mein Lieutenant sein?«
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