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In den Schluchten des Balkan. Karl MayЧитать онлайн книгу.

In den Schluchten des Balkan - Karl May


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weil es Eigentum seiner Herrin ist. Beim nächsten Ritt darfst du nicht versäumen, es ihm klar zu machen.«

      »O, das werde ich gleich jetzt, und ich hoffe, daß er meine Worte sehr gut verstehen wird!«

      Sie zog meine Reitpeitsche aus der Sattelöse und trat damit zu dem Esel, welcher sie mißtrauisch anblickte und dabei besorgt mit den Ohren wedelte.

      »Was hast du getan?« schrie sie ihn an. »Weißt du, was du bist? Ein Spitzbube, ein großer Spitzbube! Hier hast du deine Strafe!«

      Er erhielt einen kräftigen Hieb über den Kopf.

      »Ein Leckermaul!«

      Sie versetzte ihm einen zweiten Hieb.

      »Ein heimtückischer Schurke!«

      Ein dritter Hieb sauste durch die Luft. Aber der Maulesel schien keine gute Erziehung genossen zu haben und seine Herrin in nur geringem Grade zu respektieren. Er machte eine blitzschnelle Wendung und schlug mit den beiden Hinterhufen nach ihr aus. Das ging so schnell, daß ich kaum Zeit gefunden hatte, sie auf die Seite zu reißen.

      Jetzt war aller Aerger vorüber. Sie zitterte vor Angst.

      »Effendi,« sagte sie bebend, »was hat er getan? Nach mir ausgeschlagen hat er!«

      »Ja.«

      »Der Elende! Das undankbare Vieh! Weißt du nicht, ob er mich getroffen hat?«

      »Ich glaube nicht, daß du getroffen worden bist. Fühlst du denn Schmerz?«

      »Natürlich, ja! Mein ganzer Körper scheint eine einzige Beule zu sein.«

      »O weh! Eine solche Beule wird schwer zu heilen sein!«

      »Ja. Aber doch glaube ich, daß die Hufe an mir vorübergegangen sind. Nicht?«

      »Ich glaube, dasselbe bemerkt zu haben.«

      »Allah sei Dank! Wenn er mich auf die Brust getroffen hätte, so wäre ich eine Leiche; oder gar in das Gesicht! Er hätte mir einen Zahn ausschlagen können, vielleicht auch alle. Ich werde dieses Ungeheuer nie wieder schlagen!«

      »Daran tust du recht. Ich sagte dir, daß ich es nicht tun würde; du aber achtetest nicht auf meinen Rat.«

      »Aber der Esel ist mein Eigentum. Wie darf er es wagen, nach mir zu schlagen! Ich bin erschrocken, daß ich am ganzen Leibe bebe. Siehst du mich zittern?«

      »Ja, ich sehe es!«

      »Halte mich!«

      »Wird dies wirklich notwendig sein? Ist es so schlimm?«

      »Ja, es ist sehr schlimm! Es ist sogar so schlimm, daß ich mich setzen muß, um mich zu erholen.«

      Eine ätherischer gestaltete Dame hätte sich in ästhetisch malerischer Weise niedersinken lassen. Tschileka machte zwar auch den Versuch dazu, aber das Gewicht ihres Körpers war zu groß; sie verlor das Gleichgewicht und kam infolgedessen mit so rapider Schnelligkeit zur Erde, daß ich kaum Zeit fand, den Korb wegzureißen, in welchen sie sich sonst gesetzt hätte.

      »Ah, ich danke dir!« sagte sie. »Jetzt muß ich Atem holen. Ich schnappe nach Luft.«

      Dies tat sie auch buchstäblich. Dann, als sie regelmäßig zu atmen vermochte, sagte sie:

      »Jetzt wirst du mir alles, was übrig ist, hier in die Körbe tun und dann den Sattel wieder in Ordnung bringen. Dann brechen wir auf.«

      Ich gehorchte auch diesem Befehl, im Innern sehr gespannt darauf, wie es mir möglich sein werde, sie in den Sattel zu bringen. Es kostete schon eine bedeutende Anstrengung, ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Als dies gelungen war, blickte sie sich ratlos um.

      »Was suchst du?« fragte ich.

      »Eine Treppe, eine kleine Treppe.«

      »Eine Treppe? Wo soll hier im freien Felde eine Treppe herkommen?«

      »Aber ich brauche sie doch, um aufzusteigen!«

      »O weh! Das ist allerdings sehr schlimm!«

      Nun ließ auch ich meinerseits den Blick ziemlich ratlos in die Runde schweifen.

      »Dort,« sagte sie, »Dort sehe ich einen Baumstumpf. Führe mich hin!«

      Es gelang mir mit einiger Anstrengung, sie auf den Stumpf und von da in den Sattel zu bringen. Der arme Maulesel brach unter ihrer Last fast zusammen, schien aber doppelte Kräfte zu bekommen, als er bemerkte, daß der Ritt heimwärts ging. Schon nach kurzer Zeit sah ich einige weit zerstreute Häuser von weitem.

      »Ist das Dschnibaschlü?« fragte ich.

      »Nein; das ist erst Klein-Dschnibaschlü. Aber wir wohnen da,« antwortete sie.

      Wir langten dort an und ritten an einigen armseligen Gebäuden vorüber, bis wir ein etwas größeres Haus erreichten, nach dessen hinterer Fronte meine Begleiterin einlenkte.

      Dort gab es mehrere Gruben, in welche man Fässer eingelassen hatte. Diese Fässer waren mit farbigen Flüssigkeiten gefüllt. Wir befanden uns also bei der Wohnung des Färbers und Bäckers Boschak.

      Die Amazone stieß einen schrillen Schrei aus, den sie noch einige Male wiederholte. Dann öffnete sich ein kleines, in der Nähe stehendes Bretterhäuschen, und eine männliche Gestalt mit einem Vogelgesicht kam herbei.

      Der ganze Anzug dieses Menschen bestand aus einer Art von Badehose. Aber nicht dieser Umstand fiel mir auf, sondern die Färbung der Haut frappierte mich. Sein Körper schillerte in allen Nuancen vom tiefsten Dunkelbraun bis zum schreiendsten Orange. Und dabei machte der Mensch ein so unbefangenes, ernstes Gesicht, als ob diese Malerei sich ganz von selbst verstehe.

      Ich war vom Pferde gestiegen und erwartete das Kommende mit lebhafter Neugierde.

      »Sydschyrda, meine Treppe!« befahl sie.

      Also Sydschyrda, das ist Star, hieß der Mann. Hm, es gibt ja allerdings auch Prachtstare, wie jeder Ornitholog weiß. Der Gerufene schritt gravitätisch zur Hintertür ins Haus hinein und brachte wirklich eine mehrstufige Treppenleiter herbei, welche er neben den Maulesel stellte. Die Reiterin stieg ab.

      »Was macht mein Mann?« fragte sie.

      »Ich weiß es nicht,« war die Antwort.

      »Nun, er muß doch etwas machen!«

      »Nein.«

      »Dummkopf! Wo ist er denn?«

      »Weiß es nicht.«

      »Doch im Zimmer?«

      »Nein.«

      »In der Kammer?«

      »Nein.«

      »Wo denn sonst?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Er ist doch daheim?«

      »Nein.«

      »Also fortgegangen?«

      »Ja.«

      »Warum sagtest du‘s nicht gleich? Schaffe den Esel fort!«

      Der farbenprächtige Mensch hatte seine Antworten in höchst feierlicher Weise gegeben, mit einem Ernste, als ob es sich um die hochwichtigste Angelegenheit handele. Jetzt ergriff er den Esel beim Zügel und wollte fort.

      »Erst abladen, natürlich!« schrie sie ihn an.

      Er nickte ihr verständnisvoll zu und machte sich nun daran, die Körbe abzunehmen.

      »Komm nun mit herein, Effendi!« lud sie mich ein.

      Ich hatte mein Pferd an einen in den Boden gerammten Pfahl gebunden und folgte ihr. Es drang mir ein starker Geruch von Butter und heißer Sodalauge entgegen. Links bemerkte ich eine Vorrichtung, welche ich für den Backofen zu halten geneigt war, denn ein Dachsbau konnte sich doch nicht hier im Wohnhause befinden. Rechts war der Eingang in den Wohnraum.

      Als wir da eintraten, stand ich dem leibhaftigen, allerdings jüngeren Ebenbilde meiner »Erdbeere« gegenüber. Ich konnte nicht im Zweifel sein, daß es ihre Tochter sei.

      Diese war nach bulgarischer Weise, doch häuslich


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