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Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Waldröschen I. Die Tochter des Granden - Karl May


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besinnungslos niedersank. Als er sich nach dem nächsten Angreifer umsah, war dieser entflohen.

      Nun konnte er sich zu Rosa wenden. Der Schreck hatte ihr die Bewegung geraubt. Sie lehnte an einem Baum, dessen Stamm sie umschlungen hielt. Ihr Antlitz hatte die Blässe des Todes, und ihre Augen waren geschlossen, als trauten sie sich nicht, den Kampf des Geliebten gegen eine solche Überzahl mit anzusehen.

      Dieser Kampf hatte kaum mehr als eine Minute in Anspruch genommen. Einen solchen Gegner hatten die Briganten doch nicht vermutet, er wog ein volles Dutzend solcher Leute auf, wie sie waren.

      »Condesa«, sagte Sternau, indem er seine Hand auf den Arm Rosas legte, »Ist Ihnen unwohl?«

      Der Klang seiner Stimme brachte sie wieder zu sich. Sie schlug die Augen auf, und als sie ihn vor sich stehen sah, kehrte die Röte des Lebens in ihre Wangen zurück.

      »Carlos!« rief sie, beinahe jauchzend.

      Der Übergang vom tiefsten Schreck zu einer solchen Freude war zu schnell und gewaltig. Sie dachte an keine Rücksicht, an keine Scheu, sie dachte nur daran, daß er getötet werden sollte und doch noch lebend war, und warf sich an seine Brust, schlang die Arme um ihn und legte mit lautem Schluchzen des Entzückens ihr Köpfchen an sein Herz.

      »Rosa!«

      Dieses Wort sagte er leise, beinahe unhörbar, aber es klang eine ganze Welt voll Liebe und Glück aus den beiden Silben heraus.

      »Rosa, beruhigen Sie sich. Diese Menschen sind zurückgewiesen worden.«

      Da fiel ihr Blick auf seinen blutenden Arm; erschrocken fuhr sie zurück und rief:

      »Heilige Madonna, Sie bluten! Sie sind verwundet! O mein Gott, was soll ich tun!« – »Tragen Sie keine Sorge«, bat er. »ich fühle, daß es nur eine kleine unbedeutende Fleischwunde ist. Der Stich galt meinem Herzen.« – »Diese bösen, fürchterlichen Menschen!« sagte sie schaudernd, während sie einen furchtsamen Blick auf die am Boden Liegenden warf. »Wer sind sie? Und was haben Sie ihnen getan? Vier Mörder, Carlos, Sie starker, mutiger Mann, Sie sind ein Held!«

      Sie lehnte sich abermals an seine Brust, und als sie ihre herrlichen Augen zu ihm erhob, strahlte aus ihnen ein solcher Blick von Liebe, Hingebung und Bewunderung, daß er nicht widerstehen konnte; er beugte sich zu ihr hernieder und legte seine Lippen zu einem langen, innigen Kuß auf ihren Mund.

      Da fuhr sie zurück.

      »Man kommt!«

      Es ertönten wirklich soeben eilige Schritte, die sich vom Schloß her nahten, und gleich darauf kamen drei Männer herbei. Es waren zwei Gehilfen des Gärtners und der kleine Kastellan, Señor Juan Alimpo. Dieser letztere war in den Garten gegangen, um einen Blumenstrauß für das Zimmer Sternaus zu holen. Während des Abschneidens der Blumen hatte man die beiden so kurz aufeinanderfolgenden Schüsse gehört. Das war im Park auffällig; darum vermuteten die drei ein ungewöhnliches, vielleicht gar unglückliches Ereignis und eilten der Gegend zu, in der die Schüsse gefallen waren.

      Als der Blick des Kastellans auf die Szene fiel, blieb er erschrocken stehen.

      »Gnädige Condesa! Señor Sternau! Was ist geschehen?« rief er. – »Man hat den Señor töten wollen«, antwortete Rosa in noch immer großer Erregung. – »Töten?« fragte der Kleine. »O Gott, wie ist das möglich? Das muß ich meiner Elvira sagen!«

      Damit schlug er die Hände zusammen und blickte sich um, als erwarte er, daß seine Elvira in der Nähe sei.

      »Aber der Señor hat gesiegt«, fuhr Rosa fort. »Er hat die vier getötet« – »Vier? Oh! Ah!« rief Alimpo erstaunt »Vier Männer auf einmal!« – »Wohl nur drei«, verbesserte Sternau. »Diesen hier traf ich mit der Faust. Er wird nur betäubt sein. Kommt, helft mir, den Leuten die Kapuzen abzunehmen. Wir wollen einmal sehen, ob jemand sie kennt« – »Aber, Señor, wollen Sie sich nicht vor allen Dingen verbinden lassen?« fragte Rosa. – »Das hat Zeit, Dona Rosa«, antwortete er.»Der Stich ist wirklich nicht gefährlich.« – »Einen Stich! Einen richtigen, wirklichen Stich!« rief Alimpo. »Oh, mein Gott, das ist schrecklich. Das Blut läuft ja zur Erde nieder! Ach, wenn doch nur gleich meine Elvira da wäre, sie würde Euch verbinden! Kommt her, Señor, ich will Euch wenigstens einstweilen das Taschentuch um den Arm binden!«

      Sternau streckte ihm lächelnd denselben entgegen, und der brave Kastellan band sein Tuch so fest darum, daß das Blut nicht mehr hindurchdringen konnte.

      »So, das war das Notwendigste«, meinte er. »Oh, heiliger Sebastiano, ein Mordanfall auf dem Schloß Rodriganda!«

      Er bückte sich nieder, und die beiden Gärtner halfen ihm, von den Gefallenen die Kapuzen zu entfernen. Es stellte sich heraus, daß man die vier Männer nicht kannte. Drei von ihnen waren wirklich tot. Zweien waren die Schüsse aus unmittelbarer Nähe gerade durch das Herz gedrungen, und dem dritten war durch den Kolbenschlag der Schädel vollständig zerschmettert worden. Rosa wandte sich schaudernd von diesem Anblick ab.

      »Welch ein Hieb!« meinte Alimpo. »Wie mit einem Dampfhammer! Señor, Ihr habt mehr Körperstärke als zehn andere Männer zusammen.« – »Hat jemand eine Schnur oder dem ähnliches bei sich?« fragte Sternau, der soeben den vierten untersuchte. »Dieser ist wirklich nur besinnungslos. Wir müssen ihn binden. Er wird uns sagen, wer er ist und weshalb mich seine Gefährten töten wollten.« – »Ja, das wird er sagen müssen«, beteuerte Alimpo; »sonst, ja sonst zerreiße ich ihn! Ja, Señor, ich bin ein grimmiger Mensch, wenn ich einmal in Wut gerate!«

      Sternau lächelte und fragte:

      »Seid Ihr denn schon einmal in Wut gewesen, Señor Alimpo?« – »Nein, noch niemals; aber ich ahne, daß ich dann ganz schrecklich bin, ungefähr so wie ein Tiger oder ein Krokodil oder gar wie eine – Fledermaus.«

      Dem guten Juan Alimpo schienen die Fledermäuse also die allergrimmigsten Tiere zu sein. Übrigens zog er jetzt eine Schnur aus der Tasche und band dem Besinnungslosen die Hände so fest auf dem Rücken zusammen, daß dieser sie sicher nicht zu rühren vermochte, falls er wieder zum Bewußtsein kam.

      »So, der ist gebunden«, meinte er. »Was befehlt Ihr noch, Señor?« – »Ich werde jetzt mit der gnädigen Condesa zum Schloß gehen, um Euch Leute zu senden«, antwortete Sternau. »Dieser eine wird sofort, nachdem er erwacht ist, in ein sicheres Gewahrsam gebracht, die anderen aber müssen wir liegenlassen, bis der Alkalde kommt, um den Tatbestand aufzunehmen.« – »Ein sicheres Gewahrsam haben wir, Señor, ein Gewahrsam, aus dem er mir nicht entkommen soll!« – »Schön! Das ist sehr notwendig! Aber nehmt Euch jetzt hier noch sehr in acht! Es sind Mörder entkommen. Wir wissen nicht, wie viele es ihrer sind, und es ist also möglich, daß sie zurückkehren, um den Gefesselten zu befreien.« – »Wiederkommen? Befreien?« fragte der Kastellan erschrocken. »Und da soll ich hier bleiben?« – »Ja.« – »Aber, wenn sie nun gar stechen oder schießen, Señor? Das ist sehr gefährlich! Oh, wenn das meine Elvira wüßte!« – »Ich halte Euch für einen sehr mutigen Mann, Señor Juan Alimpo!« sagte Sternau lächelnd. – »Mutig? Oh, das ist noch nichts!« antwortete der Kleine. »Ich bin nicht nur mutig, sondern sogar tapfer und verwegen, ja, über alle Maßen verwegen, und zwar ganz besonders in Gefahren! Aber ein Stich ist eine böse Sache, und ein Schuß kann noch viel schlimmer sein!« – »Nun gut! Ich werde Euch meine Büchse laden und zurücklassen, und außerdem sind ja die Messer dieser Toten da. Das ist genug, sich zu verteidigen.«

      Sternau lud die Büchse und reichte sie dem Kastellan hin, dieser aber trat drei Schritt zurück und sagte mit einer abwehrenden Gebärde:

      »Mir nicht, Señor! Ich mag das Gewehr nicht! Wenn man es falsch hält, und es geht los, so kann man sich ganz leicht selbst treffen. Gebt es diesen beiden Gärtnern! Es sind zwei Läufe geladen, und da kann jeder von den beiden einen Schuß tun, wenn wir überfallen werden, ich aber will die Messer dieser vier Besiegten nehmen. Damit kann ich unter Umständen vier Feinde stechen und vollständig töten.«

      Es geschah so, wie Alimpo verlangte, worauf Sternau der Gräfin von neuem den Arm bot und sie dem Schloß entgegenführte. Dort angekommen, bat er sie, den Grafen Emanuel aufzusuchen und dafür zu sorgen, daß ihn die Kunde von dem Überfall nicht unvorbereitet finde und vielleicht in eine schädliche Aufregung versetze.


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