Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten. Николай ЛесковЧитать онлайн книгу.
nicht gelten, aber einfach zu Ihrer Unterhaltung will ich Ihnen eine Geschichte aus dem allergewöhnlichsten Offiziersmilieu zum Besten geben.«
II
Ich diente bei der Kavallerie. Das Regiment lag in mehreren Dörfern des T-schen Gouvernements in Quartier; der Regimentskommandeur und sein Stab hielten sich aber natürlich in der Gouvernementsstadt selbst auf. Die Stadt war auch damals schon sauber und freundlich und hatte ein Theater, einen Adelsklub und ein riesengroßes, übrigens recht unsinnig angelegtes Hotel, dessen größten Teil wir mit Beschlag belegt hatten. Die Zimmer waren zum Teil von den Offizieren bewohnt, die sich ständig in der Stadt aufhielten, zum Teil für die Offiziere reserviert, die periodisch aus ihren Dorfquartieren in die Stadt kamen. Diese Zimmer wurden niemals an gewöhnliche Passanten vermietet. Sobald der eine Offizier auszog, kam sofort ein anderer gefahren, und diese »Offizierszimmer« waren immer besetzt.
Unser Zeitvertreib bestand natürlich im Kartenspiel und im Dienste des Bachus, sowie auch der Göttin der Herzensfreuden.
Man spielte zuweilen – besonders im Winter, während der Wahlen zur Adelsversammlung – sehr hoch. Man spielte nicht im Klub, sondern in den Hotelzimmern, wo man die Röcke ablegen durfte und sich überhaupt ungezwungener fühlte. Auf diese Weise verbrachte man Tage und Nächte. Es gibt wohl keinen sinnloseren und öderen Zeitvertreib, und Sie können daraus wohl selbst schließen, was für Menschen wir damals waren und was für Ideen uns begeistern konnten. Wir lasen wenig und schrieben noch weniger; letzteres nur nach großen Verlusten, wenn es galt, unsere Eltern anzulügen und von ihnen eine Extrasumme zu erpressen. Kurz und gut, man konnte von uns nichts Gutes lernen. Wir spielten teils unter uns, teils mit den durchreisenden Gutsbesitzern, die nicht viel ernster waren als wir; in den Zwischenpausen betranken wir uns, schlugen uns mit den Beamten herum und entführten Kaufmannsfrauen und Schauspielerinnen, die wir gleich darauf wieder laufen ließen.
Die Gesellschaft war furchtbar stupid und verbummelt; die Jüngeren eiferten den Älteren nach, und die einen wie die anderen zeigten nichts Gescheites und Beachtenswertes.
Über die Fragen der Ehre und des Anstandes wurde bei uns niemals gesprochen. Man trug seine Uniform und lebte nach der einmal eingeführten Sitte, – man bummelte und war bemüht, Herz und Seele gegen alles Erhabene, Empfindsame und Ernste abzustumpfen. Und doch gab es auch in unserem seichten Sumpfe die »latente Wärme«, die sonst nur tiefen Wassern eigen ist.
III
Unser Regimentskommandeur war ein nicht mehr junger, sehr anständiger und guter Soldat, aber ein rauher, strenger Mensch, ganz »ohne Zartgefühl für das weibliche Geschlecht«, wie man sich damals ausdrückte. Er war einige fünfzig Jahre alt und schon zweimal verheiratet gewesen; seine zweite Frau hatte er in T. verloren und war eben im Begriff, ein junges Mädchen, das aus einer nicht sehr reichen Gutsbesitzersfamilie stammte, zu heiraten. Sie hieß Anna Nikolajewna. Dieser so gewöhnliche Name entsprach durchaus ihrer ganzen gewöhnlichen Erscheinung. Sie war von mittlerem Wuchs, weder dick noch schlank, weder hübsch noch häßlich, hatte blonde Haare, blaue Äuglein, rote Lippen, weiße Zähne, ein rundes, weißes Gesicht und je ein Grübchen in jeder rosigen Wange, – mit einem Worte, ein Mädchen, das wenig Begeisterung wecken kann, eines von denen, die man »Trost des Greisenalters« zu nennen pflegt.
Unser Kommandeur lernte sie in Gesellschaft durch ihren Bruder, der bei uns als Kornett diente, kennen und hielt durch Vermittlung dieses selben Bruders um ihre Hand an.
Das wurde ganz einfach und kameradschaftlich gemacht. Er ließ den jungen Offizier zu sich ins Kabinett kommen und sagte ihm:
»Hören Sie einmal, Ihre würdige Schwester hat auf mich den angenehmsten Eindruck gemacht. Sie wissen wohl selbst, wie unangenehm es mir in meinem Alter und bei meiner Position wäre, einen Korb zu bekommen. Wir beide sind aber Soldaten, und Ihre Aufrichtigkeit kann mich unmöglich verletzen … Wenn mein Antrag angenommen wird, so ist es gut; wenn sie mir aber absagen sollte, wird es mir auch im Traume nicht einfallen, es Ihnen irgendwie übelzunehmen. Erkundigen Sie sich also …«
Jener erwiderte ebenso einfach:
»Gut, ich werde mich erkundigen.«
»Danke.«
»Kann ich vielleicht zu diesem Zweck einen Urlaub von drei oder vier Tagen bekommen?«
»Bitte sehr, auch für eine Woche.«
»Darf mich vielleicht mein Vetter begleiten?«
Sein Vetter war ein ebenso zarter und rosiger Jüngling wie er selbst. Wir nannten ihn alle »Sascha die Rose«. Beide jungen Leute waren gleich gewöhnlich und verdienen keine eingehende Schilderung.
Der Kommandeur fragte den Kornett:
»Was brauchen Sie Ihren Vetter in dieser Familienangelegenheit?«
Der Kornett antwortet, daß er den Vetter eben für diese Familienangelegenheit brauche.
»Während ich mit den Eltern verhandeln werde,« sagt der Kornett, »wird der Vetter meine Schwester in ein Gespräch ziehen und ihre Aufmerksamkeit ablenken, bis ich mit den Eltern fertig geworden bin.«
Der Kommandeur antwortet:
»Gut, fahren Sie in diesem Falle alle beide hin, ich will auch Ihrem Vetter einen Urlaub geben.«
Die beiden Kornetts fahren heim und führen den Auftrag zu voller Zufriedenheit des Kommandeurs aus. Der Bruder des jungen Mädchens kommt nach einigen Tagen zurück und meldet:
»Wenn Sie wollen, können Sie bei meinen Eltern brieflich oder mündlich um die Hand meiner Schwester anhalten. Sie haben keine Absage zu gewärtigen.«
»Und wie stellt sich Ihre Schwester dazu?«
»Auch die Schwester ist einverstanden.«
»Nun, freut sie sich oder nicht?«
»Ich weiß wirklich nicht.«
»Ist sie wenigstens zufrieden oder eher unzufrieden?«
»Die Wahrheit zu sagen, hat sie überhaupt nichts geäußert. Sie sagte nur zu den Eltern: Ganz wie Sie es befehlen, ich will mich Ihnen fügen.«
»Es ist ja sehr schön, daß sie das sagte, aber man kann doch in den Augen und im Gesicht lesen, was sich ein junges Mädchen dabei denkt!«
Der Kornett entschuldigt sich und sagt, er sei als Bruder an das Gesicht seiner Schwester so gewöhnt, daß er darin nicht zu lesen verstünde und den Ausdruck ihrer Augen nicht beobachtet habe; darum könne er darüber nichts Bestimmtes sagen.
»Aber Ihr Vetter hat doch etwas bemerken können. Haben Sie denn nicht auf der Rückfahrt mit ihm darüber gesprochen?«
»Nein,« antwortet jener, »wir haben darüber nicht sprechen können: ich wollte Ihnen die Antwort so schnell wie möglich überbringen, mein Vetter ist aber noch dort geblieben, und ich habe die Ehre, Ihnen gehorsamst zu melden: er ist plötzlich erkrankt, und wir haben sofort seine Eltern benachrichtigt.«
»So! Was hat er denn?«
»Es war eine plötzliche Ohnmacht und ein Schwindelanfall.«
»Eine echte Mädchenkrankheit. Schön. Ich danke Ihnen. Da wir nun miteinander so gut wie verwandt sind, bitte ich Sie, mit mir heute zu Mittag zu essen.«
Beim Mittagessen fragt er ihn immer nach dem Vetter aus: was der für ein Mensch sei, wie seine Eltern sich zu ihm verhielten, unter welchen Umständen er in Ohnmacht gefallen sei. Dabei schenkt er dem jungen Mann immer wieder Wein ein und macht ihn so betrunken, daß der Kornett sich wohl sicher verschnappt hätte, wenn er etwas gewußt hätte; glücklicherweise lag aber nichts vor, und der Kommandeur heiratete bald darauf Anna Nikolajewna. Wir alle waren bei der Hochzeit und tranken Bier und Wein. Die beiden Kornette – der Bruder und der Vetter – waren aber Brautführer, und man konnte keinem von den Beteiligten auch nur das Geringste anmerken. Die jungen Leute setzten ihr flottes Leben fort, unsere Kommandeuse aber wurde von Tag zu Tag voller und begann seltsame Gelüste zu äußern. Der Kommandeur freute sich darüber und bemühte sich, alle ihre Wünsche zu befriedigen, und die beiden jungen Leute – der Bruder und der Vetter – suchten ihn darin noch zu übertreffen.