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Der Mann im Mond. Вильгельм ГауфЧитать онлайн книгу.

Der Mann im Mond - Вильгельм Гауф


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Der Hofrat setzte sich zu ihr, und unwillkürlich waren sie wieder mitten im Gespräch über den Fremden.

      "Ach, sehen Sie nur," sagte Ida mit der himmlischen Gutmütigkeit ihres Engelköpfchens, "sehen Sie nur, ich meine, er wird zusehends immer blässer; wenn er nur nicht krank wird." Der Hofrat fand ihre Bemerkung richtig, er zeigte ihr aber, wie dieser feste, heldenmäßige Körper nicht so leicht von einem Krankheitsanfall gestört werden könne; aber Ida wurde immer unruhiger, sie sah, wie Martiniz die Lippen zusammenpreßte, als wolle er einen Schmerz verbeißen; der Ernst in seinem Gesicht wurde nach und nach zur Trauer, das Wehmütige, der tränenschwere Trübsinn in seinem Auge wurde immer unverkennbarer.

      "O Gott, sehen Sie ihn nur an, guter Berner, ist mir doch, als sollte ich zu ihm gehen und fragen: Was fehlt dir, daß du nicht fröhlich bist mit den Fröhlichen? Wie gern wollte ich alles tun, dir zu helfen."—

      Der Mensch denkt's, Gott lenkt's!!!

      Auch der Hofrat wurde jetzt unruhig; denn mit einem Ruck hatte sich der bleiche Fremde aufgerafft und stand nun in seiner ganzen Größe, in gebietender und doch graziöser Haltung da; aber sein Auge heftete sich furchtbar starrend nach der Saaltüre. Berner wollte eben aufstehen und zu ihm hin—

      Da öffnete sich die Tür, ein alter, reichgekleideter Bedienter, derselbe, welchen Ida gestern gesehen, trat ein, ging auf den Fremden zu und neigte sich schweigend vor ihm. Dieser riß eine Uhr heraus, warf einen Blick auf sie und einen zweiten voll Wehmut auf Ida herüber und verließ langsamen Schrittes den Saal.

      Ehe noch der Hofrat seiner Nachbarin seine Vermutungen über diesen sonderbaren Abzug mitteilen konnte, war die Ekossaise zu Ende. Der Präsident kam und führte sein liebes, holdes, wunderherziges Töchterchen zur Tafel.

* * * * *

      DIE KIRCHE

      Der alte Küster am Münster zu Freilingen saß in dieser Nacht nach seiner Gewohnheit noch lange in seinem kleinen Stübchen; der Abendsegen war schon vor einer Stunde seiner Ehehälfte vorgelesen, er hatte sich jetzt hinter die alte Chronik gesetzt und las mit brummender Stimme halblaut vor sich hin, wie man den herrlichen, vierhundert Schuh hohen Münsterturm erbaut und wie solches viel Zeit und Geld gekostet habe. Eben wollte die Alte den weiß- und blaugestreiften Umhang der zweischläfrigen Himmelbettlade auseinanderschlagen, um ihren Ehezärter zu ermahnen, sein gewohntes Lager zu suchen, als man stark an den Fensterladen des niedern Parterrestübchens pochte. "Macht auf, Meister Küster! Seid so gut und macht auf!" rief eine tiefe, aber bescheidene Stimme draußen. "Wird wohl ein Bote von einem Kranken sein," näselte der Küster, "der die Sakramente noch will." Er legte die Brille ins Chronikbuch, daß die Stelle nicht verblättere; denn er hatte von dem Kalk gelesen, den man mit Wein angemacht habe, und hatte dabei unmutig an das Dünnbier gedacht, das seine Ursula ihm, einem Nachkommen dieser Weinmaurer, tagtäglich vorsetzte. Draußen schob er die mächtigen Schlösser und Riegel der Haustür auf, und herein trat ein kleiner ältlicher Mann in reichbordiertem Bedientenrock. "Was soll's so spät?" fragte der Küster.

      "Kamerad," antwortete der Bediente, indem er den Küster aus dem kalten Hausgang in die wärmere Stube hineinzog, "Kamerad, wollt Ihr mir und noch jemand einen Liebesdienst erweisen?" Zugleich legte er einen blanken, harten Taler auf den Tisch.

      Der Küster wog den Taler in der Hand, ließ ihn wieder auf den Tisch fallen, daß es einen wohllautenden Klang gab, und sagte: "Wenn's nichts gegen Amt und Gewissen ist, warum nicht!"

      "So nehmt Eure Schlüssel," fuhr der andere fort, "und schließt die Münsterkirche auf!"

      "Jetzt in dieser Stunde?" rief der Alte mit Entsetzen. "Jetzt in dieser stürmischen Nacht? Geht nicht, Kamerad, so wahr ich—nein, es geht nicht, mich bringt kein Hund hinüber!"

      "Beileibe," rief die Küsterin aus dem Bette und riß den Umhang zurück, daß man das ganze Paradiesgärtlein ihres geblümten Bettes übersehen konnte, "führe uns nicht in Versuchung! Alter, laß dich nicht betören! Wer weiß, was draußen lauert?"

      "Hätte nicht geglaubt, daß Ihr, ein so stattlicher Mann, unter dem Weiberregimente stündet," sprach der alte Diener. "Glaubt mir, es ist auch ein Gottesdienst, wenn Ihr mitgeht, und bringt Euch guten Lohn." Noch einmal wog der Küster den Taler auf der Fingerspitze und schien sich zu besinnen. "Es wird zwar gleich zwölf Uhr brummen, und da ist es gar nicht geheuer drüben in der Kirche; denn ich weiß, was ich weiß, und habe gesehen, was ich gesehen habe; aber weil Ihr sagt, es sei ein Gottesdienst, so kommt!" Indem hatte er schon die Laterne zurechtgemacht. Er hing noch einen warmen Mantel um und ergriff die gewichtigen, wunderlich geformten Schlüssel.

      "Ei du meine Güte, läßt er sich doch verblenden vom Mammon," seufzte die Alte im Bette. Der Küster aber trat zu ihr mit dem größten seiner Schlüssel: "Du schweigst, Ursel! Der Herr da soll sehen, daß unsereiner nicht unterm Pantoffel steht," brummte er und verließ mit dem Diener das Haus.

      Die Nacht war grimmigkalt, der Himmel jetzt ganz rein, nur einzelne dunkle Wölkchen tanzten im Wirbel um den Mond. Schweigend schritten die beiden durch die Nacht der Kirche zu. Wenige Schritte, so standen sie am Portal des Münsters. Der Küster schrak zusammen, als dort aus dem Schatten eines Pfeilers eine hohe, in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt hervortrat. Es war jener Fremde, der Idas Interesse in so hohem Grade erregt hatte.

      "Schließ auf, schließ auf," sprach Martiniz, "denn es ist hohe Zeit!" Indem er sprach, fing es an zu surren und zu klappern, dumpf rollte gerade über ihnen im Turme das Uhrwerk, und in tiefen, zitternden Klängen schallte die zwölfte Stunde in die Lüfte.

      "Schließ auf!" schrie Martiniz, "schnell auf! Dort kommt er schon um die Ecke!"

      Seufzend ging die hohe Türe auf; in einem Sprung war jener in der Kirche. Der Küster schloß behutsam wieder hinter sich ab und ging dann voraus mit der Laterne; stille folgten ihm die Fremden. In wunderlichen Schatten und Figuren spielte das schwache Licht der Laterne an den hohen Säulen des Doms, nur auf wenige Schritte verbreitete es Helle und verschwebte dann in matte Dämmerung, bis es sich in der tiefen Nacht des Gewölbes verlor. Manchmal schien es, als schritten hohe Gestalten in weiten, schleppenden Gewändern hinter den Säulen ihnen nach. Scheu blickte Emil von Martiniz nach allen Seiten und ging dann schneller hinter dem Küster her. Dumpf schallten ihre Schritte auf dem hohlen Boden, unter welchem eine alte Gruft sich befand, und ein vielfaches Echo gab diese Töne aus allen Ecken zurück.

      So waren sie bis an den Altar gekommen. Martiniz setzte sich dort auf die Stufen; das Gesicht, das bei dem Schein der trübe brennenden Laterne auch viel bleicher erschien, stützte er auf die Hand, daß die glänzend rabenschwarzen Ringellocken darüber herabfielen. Der Diener winkte dem Küster, zog ihn auf eine Bank an der Seite zu sich nieder und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er schweigen und sich ganz ruhig verhalten möchte.

      Tiefe Stille herrschte mehrere Minuten in den großen dunklen Hallen, tiefe Stille draußen in der Nacht. Nur vom Altar her hörte man ein leises Wispern; Martiniz schien zu beten. Bald aber erhob sich lauter die Nachtluft und wehte um die Kirche. Je lauter es wurde, desto unruhiger wurde Emil. Er seufzte, er blickte einigemal auf und lauschte nach der Seite hin, wo der Luftzug stärker wehte.

      Näher und näher heulte der Wind, die Fenster bebten, das Licht der Laterne wehte seine Schatten her und hin, die alten verblichenen Banner, die an der Mauer hingen, rollten sich auf und bewegten ihre zerfetzten Bilder an der schwach beleuchteten Wand.

      Jetzt brauste der Sturm auf in gewaltigen Stößen. Krachend stürzte ein Fenster des Chors auf die breiten Quader des Bodens, daß der Schall durch die Halle tönte und—mit fürchterlichem Lachen des Wahnsinns fuhr der am Altar auf und sprang die Stufen hinan. Gellend tönten diese hohlen Töne der Verzweiflung durch die Gewölbe. "Er kann nicht herein, er kann nicht herein zu mir," schrie er, "darum hat er die Wolken aufgezäumt, auf dem Sturmwind reitet er um die Kirche, ça ça! Holla, Antonio—wie schäumt das Purpurblut deiner Wunde! Rase, tobe durch die Lüfte, du kannst doch nicht herein zu meiner Freistatt!"

      Der Sturm legte sich, ferner und ferner rollte der Wind, und säuselnd zog die Nachtluft durch die Kirche. Der Mond schien freundlich durch die hellen Scheiben, und mit des Sturmes Toben schien auch der Sturm in Emils Brust gewichen zu sein. "Seht Ihr," sprach er wehmütig und zeigte an die vom Mond beschienenen Fenster hinauf,


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