Эротические рассказы

Über die Kolyma / О Колыме. Книга для чтения на немецком языке. Варлам ШаламовЧитать онлайн книгу.

Über die Kolyma / О Колыме. Книга для чтения на немецком языке - Варлам Шаламов


Скачать книгу
einem Fußtritt – sich zum Knäuel ballen[69] und den Bauch stärker schützen als das Gesicht.

      Denunzianten sind alle, man denunziert einander gegenseitig von den allerersten Tagen an. Der Bauer aber verpfiff all die, die in den Gruben neben ihm standen und ein paar Tage vor ihm selbst starben.

      »Sie sind es, Iwan Iwanowitsch, der uns vernichtet hat, Sie sind der Grund für all unsere Verhaftungen.«

      Alles, um den Nachbarn ins Grab zu stoßen – durch ein Wort, mit dem Stock, mit der Schulter, mit einer Denunziation.

      In diesem Kampf starben die Intelligenzler stumm, und wer hätte auch auf ihre Schreie gehört unter den erbitterten fuchsteufelswilden Charakteren – keinen Visagen natürlich, sondern ebensolchen dochodjagi. Doch sofern sich an einem Bauern, einem dochodjaga auch nur ein Stückchen Fleisch, ein Nervenfragment gehalten hatte – dann nutzte er es, um zu denunzieren oder seinen Nachbarn Iwan Iwanowitsch zu beleidigen, zu stoßen, zu schlagen, sich abzureagieren. Er selbst wird sterben, aber bevor er tot ist, soll zuerst der Intelligenzler ins Grab gehen.

      Einer der Allerersten hat sich im [Gedächtnis] erhalten. Derfel, ein französischer Kommunist, aus Cayenne, ehemaliger TASS*-Mitarbeiter, flink und klein, was sehr günstig war – an der Kolyma ist es günstig, klein zu sein. Derfel hackte, und ich füllte in die Karre.

      Derfel:

      »In Cayenne, wo ich vor der Kolyma war, gibt es auch solche Steinbrüche, habe ich ebenfalls gehackt, Hacke und Karre, bloß gibt es dort nicht solche Kälte.«

      Und es war noch goldener Herbst, darum habe ich mir auch den Tag gemerkt, den grauen Stein und das kleine Figürchen Derfels, der plötzlich mit der Hacke ausholte und umfiel, tot.

      In dieser Zeit wurden alle in eine einzige Baracke getrieben, in ein Segeltuchzelt, wo man uns stehen ließ, etwa vierhundert Mann. Sie überprüften irgendetwas und schossen in die Luft. Und ich merkte, dass mein Nachbar, ein holländischer Komintern*-Mann im Samtwestchen, an meiner Schulter schläft, vor Schwäche das Bewusstsein verliert. Ich stieß ihn an, aber Fritz wachte nicht auf, sondern wurde langsam schwach und glitt auf den Boden. Doch da fingen sie an, uns aus dem Zelt hinauszuführen, hinauszustoßen, und er wachte auf und lief zusammen mit mir, und beim Rausgehen fiel er an der Baracke hin, und ich habe ihn nie wieder gesehen.

      All das – Derfel, den Holländer Fritz – hat mein Gedächtnis eingefangen, aber an das Namenlose, das starb, haute, schubste und einen großen Teil meines Wesens füllte, jene Tage und Monate – kann ich mich einfach nicht erinnern.

      Was war denn dort?

      Als Vertreter der »Intelligenz« fühlte ich keinerlei »Schuld« vor dem Volk. Karrieristen und Geschäftemacher aber wittere ich dafür mit aller Kraft des Spürsinns[70] – und täusche mich nicht.

      All das – Derfel wie auch das Festhalten bei der Arbeit der Kljujew-Brigade im Dezember 1937 – all das sind sozusagen die oberen Etagen meines Körpers. Schwer rückrufbar ist das, was das Gedächtnis nicht behielt – der Schmerz des Körpers und allein des Körpers.

      Wir hatten keine Zeitungen, und die Korrespondenz wurde mir schon von einem Moskauer Papier* entzogen. Ich hatte keinen Wunsch, irgendetwas von Ereignissen außerhalb unserer Baracke zu wissen. All das war so unendlich unwichtig und auf lange, ein Dutzend oder noch mehr Jahre, aus dem Kreis meiner Interessen verdrängt.

      Wie ist denn das passiert an meinem persönlichen Beispiel, dem Beispiel meines Körpers?

      Schon die zweimonatige Etappe mit der Hungerration war Vorbereitung auf ernstere Dinge – die Schläge, die Kälte, die unendliche Arbeit, die mich im Dezember 1937 im »Partisan« empfing.

      Die Beine wurden schwer, die Haut eiterte, es kamen Läuse, und die Hände erfroren und bekamen Blasen[71]. Doch all das war nicht das Wichtigste. Das Wichtigste war der ständige Hunger. Ich lernte schnell, das Brot getrennt von der Suppe zu essen, es später in einer Konservendose aufzukochen und aufzublähen[72] und aus dieser Dose zu schlürfen. Keinerlei Interesse an irgendeinem der Gespräche in der Baracke. Ich wollte meine Wäsche eintauschen gegen Brot, aber kam zu spät – es gab eine Durchsuchung, und alles Überzählige ging als Einnahme an den Staat. Aber auch das war mir egal. In Teilen meines Gehirns empfand ich wohl zwei <Dinge>. Die vollkommene Sinnlosigkeit des menschlichen Lebens. Dass der Tod ein Glück wäre. Doch zum Tod konnte ich mich nicht entschließen aus irgendwelchen sonderbaren Gründen – der Schmerz in den Fingern nach der Erfrierung, ins Ambulatorium ging ich nicht, der Krankenhausfeldscher Ljogkoduch würde mich, wie damals alle Feldscher, als Intelligenzler und Trotzkist gleich zu den »Soldaten« geben. So machten es alle Feldscher und Ärzte in den Bergwerken, so machten es Lunin wie auch Mochnatsch. Acht Jahre nach 1937 taten dasselbe auch Winokurow, auch Doktor Doktor, auch Jampolskij – Kontakt mit dem Krankenhaus war gefährlich. Jedoch nicht qua Logik, sondern mit dem Instinkt eines Tiers begriff ich, dass ich nicht hingehen sollte, wo sich die »Stachanowarbeiter der Krankheit« drängen. Und tatsächlich, sie alle wurden in Garanins Tagen erschossen als Ballast. Und wer machte die Erschießungslisten? Für das »Partisan« waren das der Arbeiter Rjabow, Anissimow – der Bergwerkschef, Kowalenko, Chef des Lagerpunkts, und Romanow, der Bevollmächtigte.

      Die Schlafstellen neben mir waren leer. Unsere Brigade wurde mal in eine andere Baracke verlegt und mit einer anderen vereinigt, mal aufgelöst, und ich zog von Baracke zu Baracke. Als Arbeiter war ich mies, mein Erscheinen in der Baracke war für den Brigadier keine Freude. Aber mir und vielleicht auch ihnen war es ganz egal. Mir ist nicht mal im Gedächtnis geblieben, wann sie anfingen mich zu schlagen, wann ich zum dochodjaga wurde, den jeder stoßen und schlagen will: der Bauer, um die Aufmerksamkeit der Chefs auf seine politische Ergebenheit gegenüber der Sowjetmacht zu lenken, der Ganove …

      Hier kommt es zu einem Zustand, dass du selbst schwach wirst und außerstande bist, Rückgeld zu geben. Und sofort beginnt man dich auch zu stoßen und zu schlagen. Ich bin diesen Weg etwa 1938 gegangen. Aber auch im Dezember 1937 schon wurde ich gestoßen und geschlagen …

      Ich kroch über irgendeinen Schneeweg und sammelte Reste von Kohlblättern, um sie in der Konservendose aufzubrühen, abzukochen. Ich kroch eine ganze Ewigkeit, aber sammelte nichts zusammen – es war schon jemand vor mir gekrochen, und aus dem, was ich sammelte, ließ sich keine Suppe kochen. Ich schluckte die Stücke gefroren herunter.

      In diesem Moment verlegte man unsere Brigade, die im zweiten Abschnitt arbeitete, in den ersten, und in diesem ersten Abschnitt in Sujews Brigade. Hier fragte Sujew, ein Bauernbursche so um die 30, nach Schreibkundigen, die ihm eine Beschwerde schreiben konnten, und so, dass alle Staatsanwaltsherzen weich werden. Sujew suchte nach einem solchen Autor in der Brigade. Sujew hatte gerade eine Haftstrafe für Bestechlichkeit bekommen – doch er versicherte seine Unschuld. Wichtig war, die Beschwerde gut abzufassen. Als er sah, dass ich neu bin in der Brigade, nahm mich Sujew beiseite und sagte: »Du wirst im Warmen sitzen und mir die Beschwerde schreiben.«

      »Gut«, sagte ich. »Gib mir Papier, gleich morgen fangen wir an.«

      Nicht mal ein Stück Brot gab mir Sujew für die Beschwerde, doch, so schwer es dem Hirn auch fiel sich zu rühren, ich fasste diese Beschwerde ab.

      Am folgenden Tag las sie Sujew den Arbeitsanweisern vor, sie fanden, dass die Beschwerde schlecht geschrieben ist und den Staatsanwälten nicht ins Herz stechen wird. Sujew tat es leid um seine Brotration, noch dazu hatte jemand gesagt, dass er sich um die literarische Hilfe an einen Volksfeind, einen Trotzkisten gewandt hatte.

      Am folgenden Tag gab es statt der fortgesetzten Arbeit an der Beschwerde ein Verprügeln des Advokaten. Sujew warf mich mit einem Schlag um und trampelte, trampelte auf mir herum im Schnee. An diese Backpfeife erinnere ich mich gut. Ich bin schon allzu leicht gefallen – war alles, was ich dachte. Und obwohl mir die Zähne blutig geschlagen waren, tat es aus irgendeinem Grund nicht weh.

      Die Kampagne zur physischen Vernichtung der Volksfeinde hatte begonnen an der Kolyma, und Sujew teilte dem Bevollmächtigten eilig mit, dass er, der Arbeitsanweiser, ein solch schreckliches


Скачать книгу

<p>69</p>

sich zum Knäuel ballen – сжаться в комок

<p>70</p>

mit aller Kraft des Spürsinns wittern – чувствовать всей силой чутья

<p>71</p>

die Hände erfroren und bekamen Blasen – руки обморозились в пузыри

<p>72</p>

aufblähen – вздуваться

Яндекс.Метрика