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Das adelige Nest. Иван ТургеневЧитать онлайн книгу.

Das adelige Nest - Иван Тургенев


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Fedorowitsch,« sagte er, »Elisabeth Michailowna will mit mir eine Sonate von Beethoven vierhändig spielen.«

      Der Alte brummte etwas in den Bart, Panschin aber fuhr auf deutsch, die Worte schlecht aussprechend, fort:

      »Elisabeth Michailowna hat mir die geistliche Cantate gezeigt, die Sie ihr gewidmet haben, – eine reizende Composition! Glauben Sie ja nicht, daß ich ernste Musik nicht zu würdigen weiß, – im Gegentheil: sie ist zuweilen langweilig, aber dafür sehr nützlich.«

      Der Alte wurde bis hinter die Ohren roth; warf auf Liesen einen Seitenblick und eilte aus dem Zimmer.

      Maria Dmitriewna bat Panschin die Romanze zu wiederholen; er entgegnete aber, er wünsche nicht die Ohren des gelehrten Deutschen zu zerreißen, und schlug Liesen vor, Beethovens Sonate vorzunehmen. Da seufzte Maria Dmitriewna und schlug ihrerseits Gedeonowsky vor, mit ihr in den Garten zu gehen. »Ich möchte,« sagte sie »mit Ihnen noch etwas sprechen und Sie um Rath wegen unseres armen Fedia fragen.«

      Gedeonowsky zeigte seine Zähne, dankte, nahm mit zwei Fingern seinen Hut, auf dessen Krempe seine Handschuhe glatt und sauber lagen, und entfernte sich mit Maria Dmitriewna. In der Stube blieben nur Panschin und Liese; sie brachte und schlug die Sonate auf, beide setzten sich schweigend an’s Clavier. Undeutlich drangen von oben die Töne von Scalen, gespielt von Lenchens noch unsicheren Händen.

      Fünftes Kapitel

      Christoph Theodor Gottlieb Lemm war im Jahre 1786 in Sachsen, in der Stadt Chemnitz, von armen Musikern geboren. Sein Vater blies das Waldhorn, seine Mutter spielte die Harfe, er selbst spielte, noch nicht fünf Jahr alt, auf drei verschiedenen Instrumenten. – Acht Jahr alt verlor er seine Eltern, von seinem zehnten Jahre an aber verdiente er sich selbst sein Brod durch seine Kunst.

      Lange führte er ein unstätes Leben, spielte überall – in Gasthäusern, auf Jahrmärkten, auf Bauernhochzeiten und Bällen; endlich kam er in ein Orchester und immer höher und höher rückend, gelangte er bis zum Musikdirector. Als ausübender Künstler stand er nicht hoch, die Musik aber kannte er gründlich. In seinem achtundzwanzigsten Jahre wanderte er nach Russland aus; ihn hatte ein großer Herr, der selbst die Musik nicht leiden konnte, aber ein Orchester aus Eitelkeit hielt, verschrieben. Fast sieben Jahre lebte Lemm bei ihm als Capellmeister und verließ ihn mit leeren Händen. Der große Herr hatte sich ruinirt, wollte ihm einen Wechsel geben, schlug ihm aber auch dies später ab und bezahlte ihm keinen Pfennig. – Man rieth ihm, nach Hause zurückzukehren; doch wollte er Russland, das große Rußland, dies Saatfeld für Künstler, nicht als Bettler verlassen; er entschloß sich zu bleiben und sein Glück zu versuchen. Während zwanzig Jahren jagte der arme Deutsche dem Glücke nach, war bei verschiedenen Herrschaften, lebte in Moskau und in Gouvernementsstädten, litt und ertrug so Manches, lernte die Armuth kennen, kämpfte und rang. Doch der Gedanke, in seine Heimath zurückzukehren, verließ ihn in allen Drangsalen, die er zu ertragen hatte, nicht; dieser Gedanke allein hielt ihn aufrecht. Doch das Schicksal wollte ihn nicht mit diesem letzten und ersten Glücke erfreuen: in seinem fünfzigsten Jahre, krank, vor der Zeit alt geworden, blieb er in der Stadt O. fest sitzen und blieb dort auf immer. Er hatte jetzt ganz die Hoffnung aufgegeben, jemals das ihm verhaßte Rußland zu verlassen, und fristete sein Leben mühsam durch Stundengeben. Das Aeußere Lemm’s sprach nicht für ihn. H Er war von kleinem Wuchse, ging gebeugt, hatte schiefe Schultern, einen eingefallenen Bauch, große und flache Füße, weißlichblaue Nägel an den festen und biegsamen Fingern der sehnigen, rothen Hände; sein Gesicht war reich an Runzeln, seine Wangen waren eingefallen und die Lippen, die unaufhörlich zuckten und kauen schienen, waren zusammengekniffen, was bei seiner gewöhnlichen Schweigsamkeit ihm einen fast boshaften Ausdruck verlieh. Seine grauen Haare hingen in Büscheln über der niedrigen Stirn, wie eben verloschene Kohlen glühten seine kleinere unbeweglichen Angen; er trat schwer auf, bei jedem Schritte seinen ungelenken Körper bewegend. Einige seiner Bewegungen erinnerten an die unbeholfenen Gesten einer Eule im Käfig, wenn sie sieht, daß man auf sie blickt, aber selbst mit ihren ungeheuren gelben, erschreckt und schläfrig blinzelnden Augen kaum etwas zu unterscheiden vermag. – Der veraltete, unerbittliche Schmerz hatte aus den armen Musikus seinen unauslöschbaren Stempel geprägt, hatte seine ohnehin nicht schöne Figur verzerrt und verunstaltet; doch für den, welcher es verstand, nicht bei den ersten Eindrücken stehen zu bleiben, zeigte sich etwas Gutes, Ehrliches, etwas Ungewöhnliches in diesem halbzertrümmerten Wesen. Verehrer Bach’s und Händel’s, Kenner seiner Sache, begabt mit lebhafter Einbildungskraft und jener Kühnheit des Gedankens, die der germanischen Race allein zugänglich ist, wäre Lemm – wer weiß? – in die Reihe der großen Componisten seines Vaterlandes getreten, hatte sein Leben ihn anders geführt; – doch er war unter keinem glücklichen Eterne geboren! Viel hatte er in seinem Leben geschrieben – doch es gelang ihm nicht, irgend eines seiner Werke gedruckt zu sehen: er wußte die Sache nicht geschickt anzufangen, bei passender Gelegenheit einen Bückling zu machen, zur rechten Zeit ein Wort für sich einzulegen. Einst, vor langer Zeit hatte einer seiner Verehrer und Freunde, auch ein Deutscher und ebenfalls arm, auf eigene Rechnung zwei seiner Sonaten herausgegeben; diese blieben aber unangerührt auf den Lagern der Musikalienhandlungen, und verschwanden spurlos, als hätte sie Jemand des Nachts ins Wasser geworfen. – Endlich ward Lemm für alles gleichgültig; auch nahmen die Jahre das Ihrige, er wurde gefühllos, zu Holz, wie seine Finger zu Holz geworden waren. Allein mit einer alten Köchin, die er aus einem Armenhanse genommen hatte, (verheirathet war er niemals gewesen) lebte er in O. in einem kleinen Häuschen, nicht weit vom Hause der Kalitin; spazierte viel, las die Bibel, das Gesangbuch und Shakespeare in der Schlegel’schen Uebersetzung. Seit lange hatte er nichts mehr componirt, doch wahrscheinlich wußte Liese, seine beste Schülerin, sein Herz zu bewegen; er schrieb für sie eine Cantate, von der Panschin eben gesprochen hatte. Die Worte dieser Cantate hatte er dem Gesangbuche entlehnt, einige Verse hatte er selbst hinzugedichtet. Die Caritate bestand aus zwei Chören, – das Chor der Glücklichen und das Chor der Unglücklichen; zu Ende schlossen beide Frieden und sangen zusammen: »Allmächtiger Gott, erbarme Dich über uns Sünder und halte uns fern von allen listigen Gedanken und irdischen Hoffnungen.« Auf dem Titelblatt, das sehr hübsch geschrieben und sogar mit Zeichnungen verziert war, stand: »Nur die Gerechten haben Recht. – Geistliche Cantate. Componirt und dem Fräulein Elisabeth Kalitin gewidmet, seiner theuren Schülerin, von ihrem Lehrer H. T. G. Lemm.« Die Worte: »Nur die Gerechten haben Recht« und »Elisabeth Kalitin« waren von Strahlen umgeben, unten stand noch: »Für Sie allein.« Deswegen erröthete Lemm und hatte einen Seitenblick auf Liese geworfen; ihm schnitt es durch’s Herz, als Panschin in seiner Gegenwart von seiner Cantate sprach.

      Sechstes Kapitel

      Laut und entschlossen griff Panschin die erstere Accorde der Sonate, (er spielte den Baß) Liese aber begann ihre Partie nicht. Er hielt inne und blickte auf sie. – Liesens Augen, die auf ihn fest geheftet waren, drückten Unwillen aus; ihre Lippen lächelten nicht, ihr ganzes Gesicht war streng, fast traurig.

      »Was haben Sie?« fragte er.

      »Warum haben Sie nicht Ihr Wort gehalten?« sagte sie. »Ich habe Ihnen die Cantate von Christophor Fedorowitsch unter der Bedingung gezeigt, daß Sie ihm nichts davon sagen sollten.« —

      »Verzeihen Sie, Elisabeth Michailowna, es ist mir entfahren.«

      »Sie haben ihn betrübt und mich auch; jetzt wird er auch mir mißtrauen.«

      »Was soll ich thun, Elisabeth Michailowna? Von Jugend auf kann ich nicht gleichgültig einen Deutschen sehen, es zieht mich, so zu sagen, ihn zu necken.«

      »Was sagen Sie da, Wladimir Nikolaitsch! Dieser Deutsche ist arm, steht allein da, ist vom Schicksal geknickt – und er thut Ihnen nicht leid? Und Sie möchten ihn necken?«

      Panschin wurde verlegen.

      »Sie haben Recht, Elisabeth Michailowna,« murmelte er, »ein Allem ist meine Unbedachtsamkeit schuld. Nein, widersprechen Sie mir nicht, ich kenne mich selbst sehr gut; meine Unbedachtsamkeit hat mir schon vielen Schaden gebracht, ihr verdanke ich, daß man mich für einen Egoisten hält.«

      Panschin schwieg. Worüber er auch sprach, das Gespräch endigte gewöhnlich damit, daß er von sich selbst zu reden begann, und dies kam aus seinem Munde so hübsch und weich, so herzlich, als wäre es unwillkürlich.

      »In


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