Mann und Weib. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.
und fühlte sich endlich durch einen Strom von Thränen erleichtert.
Arnold stand auf und trat im seiner Verzweiflung an’s Fenster und blickte hinaus.
»Ich meine es gut«, sagte er, »und kann doch nichts thun, als Sie betrüben.«
Sie versuchte es ruhig zu erscheinen. »Nein«, sagte sie, »Ihre Worte sind mir tröstlich, kehren Sie sich nicht an mein Weinen, es thut mir wohl.«
Dabei warf sie ihm einen dankbaren Blick zu. »Ich möchte Sie nicht betrüben, Herr Brinkworth, ich bin Ihnen Dank schuldig und danke Ihnen. Kommen Sie wieder her, wenn ich nicht glauben soll, daß Sie mir zürnen.«
Arnold setzte sich wieder zu ihr.
Sie reichte ihm abermals die Hand. »Man versteht die Menschen nicht gleich,« sagte sie anspruchslos. »Ich glaubte Sie seien wie andere Männer, ich hatte bis heute keine Ahnung davon, wie gut Sie sein können! Sind Sie zu Fuß hergekommen?« fügte sie, um die Unterhaltung aus einen andern Gegenstand zu lenken, hinzu. »Sind Sie müde? Man hat mich freilich hier nicht besonders freundlich ausgenommen, aber ich kann Ihnen doch unbedenklich zur Verfügung stellen, was der Gasthof bietet.«
Es war unmöglich, sie ohne Mitgefühl und ohne Interesse zu betrachten; aber Arnold’s rechtschaffenes Verlangen, ihr zu helfen, trat doch etwas zu deutlich an den Tag, als er jetzt sagte:
»Alles, was ich will ist, mich Ihnen womöglich nützlich zu erweisen, Miß Silvester, kann ich möglicherweise Ihre Stellung hier angenehmer machen? – Sie wollen doch hier bleiben, nicht wahr Geoffrey wünscht es!«
Sie schauderte und wandte sich ab.
»Ja, ja!« antwortete sie rasch.
»Sie werden morgen oder übermorgen von Geoffrey hören«, fuhr Arnold fort, »er will Ihnen schreiben.«
»Um’s Himmelswillen, reden Sie nicht mehr von ihm, ich kann Ihnen sonst nicht mehr in’s Gesicht sehen.«
Ihre Wangen überflog ein tiefes Roth, aber in festerem Tone fügte sie hinzu:
»Merken Sie wohl, ich bin sein Weib, wenn sein gegebenes Wort mich dazu machen kann,. das er mir bei Allem was heilig ist verpfändet hat.«
Ungeduldig unterbrach sie sich selbst:
»Was sagte ich da? Wie kann Sie diese unglückliche Angelegenheit interessiren? Laffen Sie uns nicht weiter davon reden, ich muß von etwas Anderem zu Ihnen sprechen. Lassen Sie uns auf meine Situation hier im Gasthofe zurückkommen. Haben Sie die Wirthin bei Ihrer Ankunft gesehen?«
»Nein, erwiderte er, »nur den Kellner.«
»Die Wirthin hat abgeschmackter Weise Schwierigkeiten gemacht mir die Zimmer zu vermiethen, weil ich allein bin.«
»Jetzt wird sie keine Schwierigkeiten mehr machen, das habe ich schon in Ordnung gemacht!«
»Sie?«
Arnold lächelte. Nach dem Vorgefallenen war es eine Unaussprechliche Erleichterung für ihn, seine Lage im Gasthofe jetzt einmal in einem humoristischen Licht zu betrachten.
»Gewiß«, antwortete er, »als ich nach der Dame fragte, die, diesen Nachmittag allein hier angekommen sei —«
»Nun?«
»Habe ich Geoffrey’s Weisung gemäß nach Ihnen als nach meiner Frau gefragt?«
Anne sah ihn überrascht und bestürzt an: »Sie haben nach mir als nach Ihrer Frau gefragt?
»Ja, und habe doch wohl nicht Unrecht gethan? Wenn ich Geoffrey richtig verstanden habe, so blieb mir keine Wahl! Geoffrey sagte mir, Sie hätten mit ihm abgemacht, daß Sie sich hier als eine verheirathete Frau präsentiren wollten, der ihr Mann nachkommen werde.«
»Bei dieser Verabredung habe ich an ihn gedacht, aber nicht an Sie.«
»Natürlich, aber den Leuten hier im Gasthof gegenüber bleibt sich das gleich, nicht wahr?«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Ich will versuchen mich etwas deutlicher auszudrücken. Geoffrey sagte mir, Ihre Aufnahme hier im Gasthofe hänge davon ab, daß ich bei meiner Ankunft nach Ihnen als nach meiner Frau frage, wie er es gethan haben würde, wenn er selbst gekommen wäre.«
»Er hatte kein Recht, das zu sagen!«
Kein Recht? Nach dem was Sie mir eben von der Wirthin gesagt haben, bedenken Sie was daraus »hätte entstehen können, wenn er es mir nicht gesagt hätte. Ich selbst habe nicht viel Erfahrung in solchen Dingen, aber erlauben Sie mir, Sie zu fragen, wäre es nicht sonderbar für einen jungen Mann wie ich gewesen, hierher zu kommen und nicht nach Ihnen als nach meiner Frau gefragt zu haben? Glauben Sie nicht, daß die Wirthin in diesem Falle Ihnen noch größere Schwierigkeiten gemacht hätte, Ihnen die Zimmer zu vermiethen?«
Anne mußte sich sagen, daß die Wirthin ihr in diesem Fall die Zimmer sicherlich nicht vermiethet haben würde und daß die Täuschung, die Arnold gegen die Leute im Gasthofe geübt hatte, in ihrem eigenen Interesse nothwendig gewesen war. Sie traf deshalb kein Vorwurf; es war ja ganz unmöglich für sie gewesen, ein Ereigniß. wie Geoffrey’s Reise nach London vorauszusehen, aber doch empfand sie ein unangenehmes Gefühl der Verantwortlichkeit und konnte sich einer bangen Besorgniß wegen dessen, was aus Arnold’s Verhalten entstehen möchte, nicht erwehren. Unruhig, ihr Schnupftuch krampfhaft in den Händen bewegend, saß sie ohne zu antworten da.
»Denken Sie nicht, daß ich gegen diese kleine Kriegslist etwas einzuwenden habe«, fuhr Arnold fort, »ich will meinem alten Freunde und der Dame, die bald seine Frau sein wird, gern dienen.
Anne sprang plötzlich auf und setzte ihn durch eine sehr unerwartete Frage in Erstaunen. »Herr Brinckworth«, sagte sie, verzeihen Sie die unhöfliche Frage, »wann gehen Sie wieder fort?«
Arnold mußte laut lachen und erwiderte: »Sobald ich mich überzeugt haben werde, daß ich hier nichts mehr für Sie thun kann.«
»Bitte, denken Sie nicht mehr an mich!«
»An wen anders soll ich dann denken?
Anne legte ihre Hand auf seinen Arm und sagte: »An Blanche!«
»An Blanche?« wiederholte Arnold, der durchaus nicht verstand, was sie sagen wollte.
»Ja, an Blanche! sie hat mir noch vor meiner Abreise von Windygates erzählt, was diesen Morgen zwischen Ihnen und ihr vorgegangen ist. Ich weiß, daß Sie ihr einen Antrag gemacht haben und mit ihr verlobt sind.«
Arnold war durch diese Mittheilung entzückt. Bis jetzt hatte er sie nur ungern sich selbst überlassen wollen, jetzt war er fest entschlossen, bei ihr zu bleiben.
»Jetzt gehe ich erst recht nicht; kommen Sie, setzen Sie sich zu mir und lassen Sie uns ein wenig von Blanche plaudern.«
Anne lehnte das mit einer ungeduldigen Handbewegung ab.
Arnold war aber bei dieser Frage zu lebhaft interessirt, als daß er davon Notiz genommen hätte. »Sie kennen ihren Geschmack und ihre Gewohnheiten, was sie mag und was sie nicht mag; es ist höchst wichtig für mich, mich mit Ihnen darüber zu unterhalten. Wenn wir verheirathet sind, soll Blanche in jeder Beziehung ihren eigenen Willen haben, so fasse ich die Pflicht eines Ehemannes gegen seine Frau auf. Sie stehen noch immer? Erlauben Sie mir Ihnen einen Stuhl zu geben.«
»Ihm dies abzuschlagen, war grausam, unter anderen Umständen wäre es unmöglich gewesen. Aber Anne konnte sieh nicht einschließen, die unbestimmten Besorgnisse vor schlimmen Folgen, die sich ihrer bemächtigt hatten, leicht zu nehmen. – — – —
Sie und, um gerecht zu sein, auch Geoffrey, hatten keine klare Vorstellung von der Gefahr, welcher Arnold sich aussetzte, als er seine Mission nach dem Gasthofe unternahm. Keiner von ihnen wußte, wie überhaupt wenige Menschen es wissen, wie schmachvoll leicht das schottische Recht es macht, ledige Menschen, ohne daß sie durch irgend eine Warnung oder Vorsichtsmaßregel davor geschützt wären, in die Falle eines Ehebündnisses zu locken. Aber während Geoffrey ganz unfähig war, eine Sachlage über den nächsten Moment hinaus zu verfolgen, ahnte die seiner organisirte Anne, daß in einem Lande, in welchem heimliche Ehen mit einer Leichtigkeit