Nicht aus noch ein. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.
eigenen Comptoir, indem er den Hut vom Riegel nahm, um seinen Worten die That folgen zu lassen. Danach hing er den Hut wieder auf, um nicht unbescheidener zu erscheinen als er war.
Ein unverdorbenen offen blickender, treuherziger Mann war Mr. Walter Wilding, mit merkwürdig weißem und rosigem Gesicht. Seine Gestalt war fast zu stark für einen jungen Mann, obgleich sie recht stattlich aussah. Mit krausem braunen Lockenhaar und blauen, glänzenden, einnehmenden Augen gab er sich als einen äußerst mittheilsamen Mann, als einen Mann, dessen Beredsamkeit der nicht zu hemmende Ausfluß innerer Zufriedenheit und Dankbarkeit war. Mr. Bintrey dagegen war ein vorsichtiger Mann mit immer feuchten Augen und einem großen vorgebeugten kahlen Kopf. Er belustigte sich innerlich höchlich über das Komische einer offenen Sprache, einer offenen Hand und eines offenen Herzens.
»Ja,« sagte Mr. Bintrey. »Ja. Ha, ha!«
Eine Flasche, zwei Weingläser und ein Teller mit Kuchen standen auf dem Tisch.
»Mögen Sie den fünfundvierzigjährigen Portwein?« fragte Mr. Wilding.
Ihn mögen?« wiederholte Mr. Bintrey. »Ob ich es thue, Sir!«
»Er ist aus der besten Ecke unseres besten Weinverschlages, der fünfundvierzigjährigen aufweist,« sagte Mr. Wilding.
»Danke Ihnen, Sir,« sagte Mr. Bintrey. »Er ist ausgezeichnet.«
Der Advokat lachte, als er das Glas in die Höhe hielt und es beäugelte, vergnügt über die eigentlich höchst possierliche Idee, solchen Wein fortzugeben.
»Und nun,« sagte Mr. Wilding, der am Sprechen über Geschäftssachen eine wahrhaft kindische Freude empfand, »haben wir Alles in’s Reine gebracht, Mr. Bintrey, wie ich glaube.«
»Alles,« sagte Mr. Bintrey.
»Einen Compagnon gesichert —«
»Compagnon gesichert,« sagte Bintrey.
»Bekannt gemacht, daß wir eine Haushälterin brauchen —«
»Eine Haushälterin brauchen,« sagte Bintrey, »welche sich persönlich melden soll in Cripple Corner, Great Towerstreet von zehn bis zwölf – morgen nämlich.«
»Die Geschäfte meiner lieben verstorbenen Mutter abgewickelt —«
»Abgewickelt,« sagte Bintrey.
»Und alle Auslagen bezahlt.«
»Alle Auslagen bezahlt,« sagte Bintrey, aus vollem Halse lachend des spaßhaften Umstandes wegen, daß sie ohne Feilschen bezahlt worden waren.
»Das Andenken meiner geliebten verstorbenen Mutter überwältigt mich immer, Mr. Bintrey,« fuhr Mr. Wilding fort, indem sich seine Augen mit Thränen füllten, die er mit dem Taschentuch abtrocknete. »Sie wissen, wie ich sie geliebt habe, Sie [ihr Geschäftsmann] wissen, wie sie mich geliebt hat. Die höchste Zärtlichkeit, die zwischen Mutter und Kind denkbar ist, hat zwischen uns geherrscht, und von der Zeit an, wo sie mich in ihre Obhut nahm, kann ich mich nicht der kleinsten Uneinigkeit, nicht der kleinsten Mißstimmung unter uns erinnern. Dreizehn Jahr im Ganzen! Dreizehn Jahr unter der Obhut meiner lieben verstorbenen Mutter, Mr. Bintrey und davon die letzten acht als ihr Sohn anerkannt! »Sie kennen die Geschichte, Mr. Bintrey, wer kennt sie besser als Sie, Sir!« Mir. Wilding seufzte und trocknete sich die Augen, ohne während der letzten Bemerkungen den Versuch zu machen, seine Rührung zu verbergen.
Mr. Bintrey genoß wieder von dem Portwein, der ihn so vergnügt stimmte, und sagte, nachdem er ihn im Munde hin- und hergespült hatte: »Ich kenne die Geschichte!«
»Meine geliebte, verstorbene Mutter, Mr. Bintrey,« fuhr der Weinhändler fort, »ist schändlich hintergangen worden und hat viel gelitten. Aber über diesen Punkt blieben die Lippen meiner geliebten, verstorbenen Mutter geschlossen. Von wem hintergangen und unter welchen Verhältnissen? weiß der Himmel allein. Meine geliebte verstorbene Mutter hat nie den Namen des Verräthers ausgesprochen.«
»Sie hatte mit sich abgeschlossen,« sagte Mr. Bintrey, aufs Neue seine Gaumen mit Wein bespülen, »und war darüber ruhig geworden.« Sein Zwinkern mit den Augen fügte ziemlich deutlich hinzu: »Verteufelt viel ruhiger, als Sie es jemals sein werden.«
»Ehre Vater und Mutter,« – Wilding seufzte beim Anführen des Gebotes – »auf daß du lange lebest auf Erden.« Als ich im Findelhause war, Mr. Bintrey, quälte ich mich verzweiflungsvoll, wie ich das anzustellen habe, und fürchtete, meiner Tage könnten nur wenige sein aus Erden. Späterhin aber wurde mir das Glück, meine, Mutter von Herzen verehren zu können. Und ich ehre sie und halte ihr Andenken hoch. Vor sieben Jahren, Mr. Bintrey,« fuhr Wilding mit demselben kindlichen Schluchzen und überströmenden Thränen fort, »that mich meine vortreffliche Mutter zu meinen Vorgängern im Geschäft Pebbleson Nephew in die Lehre. Ihre zärtliche Fürsorge brachte mich zu gleicher Zeit in die Weinhändlerzunft und machte mich bei Zeiten zum selbstständigen Weinhändler, und – und – noch vieles Andere, was die beste der Mütter für mich ersann. Als ich großjährig wurde, übertrug sie den von ihr ererbten Antheil an dem Geschäft auf mich. Mit ihrem Gelde kaufte sie Pebbleson Nephew aus und setzte dafür Wilding und Co. auf das Schild. »Sie hinterließ mir Alles, was sie besaß, nur den Trauerring nicht, den Sie tragen. – Und nun, Mr. Bintrey,« rief er, indem seine kindlichen Gefühle aufs Neue hervorbrachen, »ist sie nicht mehr. Kaum ein halbes Jahr ist verflossen, seitdem sie nach Corner kam, um mit ihren eigenen Augen an dem Thürpfosten zu lesen: Wilding und Co., Weinhändler, und nun ist sie nicht mehr!«
»Traurig. Aber unser aller Loos, Mr. Wilding!« bemerkte Bintrey. »Heut oder morgen sind wir alle nicht mehr.« Damit brachte er den fünfundvierzigjährigen Portwein, über dessen Wohlgeschmack seufzend, zu seiner allgemeinen Bestimmung.
»Jetzt, Mr. Bintrey,« fuhr Wilding fort, sein Taschentuch bei Seite steckend und seine Augenlider mit den Fingern reibend, »jetzt kann ich meiner lieben Verstorbenen keine Achtung und Ehrfurcht mehr beweisen, ihr, zu der sich mein Herz instinktmäßig und geheimnißvoll hingezogen fühlte, als ich sie zuerst sah. Sie, eine fremde Dame, sprach mit mir, einem Findling, der am sonntagtäglichen Mittagstische saß; ich will beweisen, daß ich mich nicht schäme ein Findelkind gewesen zu sein; ich, der ich nie den eigenen Vater gekannt habe, will allen denen ein Vater sein, die in meinem Dienste stehen. Deshalb« fuhr Wilding fort bei seinem Schwatzen in Begeisterung gerathend, »deshalb brauche ich eine durch und durch vortreffliche Haushälterin, welche die Wirthschaft von Wilding u. Co., Weinhändler, Cripple Corner vorzustehen vermag, damit ich, wie in früheren Zeiten eine enge Verbindung des Brodherrn mit seinen Beamten wieder herstellen kann. Damit ich an dem Ort, wo mein Geld verdient wird, auch wohnen kann! Damit ich zu Häupten der Tafel sitzen kann, an der die bei mir Angestellten gemeinsam speisen und mit ihnen von demselben Gebratenen und Gekochten essen und von demselben Bier trinken kann! damit die in meinem Dienststehenden Leute mit mir unter einem Dache leben und so wir alle zusammen. – Ich bitte um Verzeihung, Mr. Bintrey, aber mein altes Sausen im Kopf hat mich wieder überfallen und ich würde Ihnen recht dankbar sein, Wenn Sie mich zum Brunnen führen wollten«
Von der tiefen Röthe im Gesicht seines Clienten beunruhigt, geleitete ihn Mr. Bintrey augenblicklich nach dem Hof. Es war sogleich geschehen, denn das Comptoir, in welchem sie sich befanden, ging, an der einen Seite des Wohnhauses gelegen, zum Hof hinaus. Auf ein Zeichen seines Clienten setzte der Geschäftsführer bereitwillig den Brunnenschwengel in Bewegung und der Client wusch sich Kopf und Hände und trank einen kräftigen Zug. Nach diesen Mitteln erklärte er sich besser zu befinden.
»Lassen Sie sich nicht durch Ihr gutes Herz so aufregen,« sagte Bintrey, als sie wieder im Comptoir anlangten und Mr. Wilding sich an dem Handtuch, welches hinter der Thür hing, abtrocknete.
»Nein, nein. Ich werde mich in Acht nehmen,« erwiderte er, aus dem Handtuch aufsehend. »Ich werde es nicht wieder thun. Ich habe nichts Verworrenes gesagt, nicht wahr?«
»Durchaus nichts. Nur vollständig Klares.«
»Wo blieb ich doch stehen, Mr. Bintrey?«
»Sie blieben stehen – Aber in Ihrer Stelle würde ich mich nicht damit aufregen fortzufahren, besonders jetzt.«
»Ich werde mich in Acht nehmen. Wobei stellte sich das Sausen in meinem Kopfe ein, Mr. Bintrey?«
»Beim