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Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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das ist auch der Grund, warum ich weggelaufen bin. Ich lebe nun schon so lange in diesem Heim, und im Grunde genommen kennt mich niemand!« stieß Yasmin hervor.

      »Du hast Fanny ja keine Chance gegeben. Sie hat sich immer bei mir beschwert, daß du sie nicht mehr an deinem Leben und deinen Gefühlen teilhaben läßt«, sagte Elisabeth. Das entsprach zwar nicht ganz den Tatsachen, denn Fanny hatte sich beileibe nicht beschwert, sondern immer nur besorgt geäußert, doch für Elisabeth war es eine willkommene Lüge.

      Sie ahnte nicht, welche Wirkung diese Worte bei Yasmin hatten.

      »Fanny hat sich über mich bei Ihnen beschwert?« fragte sie tonlos.

      »Das hat sie. Und nicht nur einmal.« Elisabeth wähnte sich als Siegerin in diesem Gespräch. Wenn Yasi erkannte, wie groß ihr Einfluß als Heimleiterin war, würde sie sicher klein beigeben und folgsam mit zurückkommen.

      »Du siehst, wir ziehen alle an einem Strang. Wir alle wollen nur dein Bestes. Deshalb haben wir auch beschlossen, daß du ins Heim zurückkommen sollst. Was hältst du davon?«

      Immer noch starrte Yasmin erschüttert vor sich hin. Obwohl sie ihr nicht alles anvertraut hatte, war Fanny doch ihre einzige Vertrauensperson im Heim gewesen. Aber selbst in ihr schien sie sich getäuscht zu haben. Gab es denn niemanden auf dieser Welt, dem sie vertrauen konnte? Elisabeth Weinzierls Worte nahm sie mit scheinbarem Gleichmut hin, doch innerlich reifte ein Entschluß.

      »So antworte doch!« tönte die ungeduldige Stimme Elisabeths an ihr Ohr.

      »Ich tue, was Sie von mir verlangen«, antwortete Yasmin tonlos, und die Heimleiterin lächelte triumphierend. Plötzlich war alles Scharfe aus ihrer Stimme gewichen.

      »Ich wußte doch, daß du ein braves Kind bist«, erklärte sie zufrieden und erhob sich. »Morgen werde ich alles in die Wege leiten, damit du noch vor der Entbindung wieder zu Hause sein kannst. Wie lange dauert es eigentlich noch?«

      »Ungefähr eine Woche, wenn es pünktlich ist«, antwortete Yasmin mechanisch.

      »Gut. Du mußt mir nur versprechen, daß du Dr. Leitner sagst, daß es dein eigener Wunsch ist, die Klinik zu verlassen.«

      »Ich habe doch schon gesagt, ich tue, was Sie von mir verlangen«, antwortete Yasmin ungeduldig. Einen kurzen Augenblick ahnte Elisabeth Weinzierl, daß das Gespräch nicht den gewünschten Erfolg haben würde. Doch sie ließ diesem Gefühl keinen Raum. Sie hatte erreicht, was sie wollte und verabschiedete sich zufrieden. Hätte sie geahnt, welches Unglück sie mit ihren Worten ausgelöst hatte, dann hätte sie in dieser Nacht kein Auge zugetan.

      Wie erstarrt saß Yasmin in ihrem Bett, als Elisabeth Weinzierl sie verlassen hatte. Sie schenkte dem heftig strampelnden Kind in ihr keine Beachtung. All ihre Gedanken waren nur auf ein Ziel gerichtet: nicht ins Heim zurück! Sie wußte nicht, wie lange sie so gesessen hatte, doch auf einmal erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Ihr war klar, was sie zu tun hatte. Yasmin stieg aus dem Bett und ging zum Schrank. Dort waren ihre wenigen Habseligkeiten verstaut, die Fanny ihr bei dem Besuch bei Hans-Georg Leitner mitgebracht hatte. Da sie selbst sie nicht besuchen durfte, hatte ihr eine Schwester die Tasche gebracht. Yasmin hob sie aufs Bett und holte eine weite Hose und einen Pullover hervor. Nachdem sie sich umgezogen hatte, legte sie den kleinen weißen Bären hinein, den ihr Marlene Gordon geschenkt hatte. Er hatte sie wirklich getröstet, aber wohl mehr aus dem Grund, weil er ihr die Hoffnung auf eine Veränderung in ihrem Leben geschenkt hatte. Diese Träume hatte Elisabeth Weinzierl mit einem einzigen Satz zerstört. Es war nicht ihre Bestimmung, glücklich zu werden. Tränen stiegen Yasmin bei dieser Erkenntnis in die Augen, und sie war sich sicher, Marlene nie mehr wiederzusehen. Heftig zog sie den Reißverschluß der Tasche zu und machte sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft.

      *

      Fee Norden schlief schlecht in dieser Nacht. Von Alpträumen geplagt, warf sie sich unruhig im Bett hin und her. Sie träumte von Yasmin, die sich in größter Gefahr befand. Doch diesmal konnte sie ihr nicht helfen. Erschrocken fuhr Fee hoch und sah sich um. Erleichtert stellte sie fest, daß sie sich noch in der Klinik befand und es keinen Anlaß zur Sorge gab. Ihr Zustand hatte sich schon etwas gebessert, sie fühlte sich deutlich wohler. Erleichtert legte sie sich wieder hin und dachte an Yasmin. Wie mochte es dem unglücklichen Kind wohl gehen? Fee beschloß, gleich am nächsten Morgen Daniel danach zu fragen. Über ihrer eigenen Krankheit hatte sie Yasmin ganz vergessen, doch jetzt kehrte die Sorge um das Mädchen um so heftiger zurück. Sie ist doch bei Schorsch in guten Händen, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Doch ein ungutes Gefühl blieb, und als Fee endlich wieder einschlief, begleitete es sie durch ihre Träume.

      *

      Leise tappte Yasmin durch die dunklen Gänge der Klinik. Vorsichtig schlich sie an den Zimmern vorbei, in denen sich die Schwestern während ihres anstrengenden Dienstes ausruhten und eine Tasse Kaffee trinken konnten. Einen kurzen Moment dachte Yasmin daran, Hilfe bei Marlene zu suchen, aber vielleicht täuschte sie sich auch, und die Gordons wollten sie gar nicht haben. Diese Enttäuschung wollte Yasmin sich ersparen.

      Niemand bemerkte das schwangere Mädchen. Einerseits war sie darüber sehr erleichtert, andererseits wünschte sie sich nichts mehr, als von Marlene entdeckt und in Sicherheit gebracht zu werden. Doch nichts dergleichen geschah, und endlich stand Yasi im schwachen Licht der Straßenlaternen in der Dunkelheit. Es war nicht kalt, dennoch fröstelte sie vor Aufregung und Anstrengung. Unschlüssig, in welche Richtung sie gehen sollte, blickte sie sich um. Sie stand in der Nähe des Nebeneingangs der Leitner-Klinik in einer ruhigen Seitenstraße, und obwohl sie sich in der Großstadt befand, war es gespenstisch still.

      Als sie etwas entfernt eine

      dunkle Gestalt im schwachen Lichtschein bemerkte, die taumelnd auf sie zukam, kroch die Angst in ihr hoch. Schnell wandte sie sich ab und bog in einen kleinen Weg ein. Hier gab es keine Beleuchtung, und langsam ging Yasmin weiter. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gehen sollte und war nur darauf bedacht, von niemandem gesehen zu werden.

      Lange Zeit wanderte sie durch die verborgenen Winkel des Stadtviertels und fühlte bald eine große Erschöpfung. Sie setzte sich auf eine Bank, um sich ein wenig auszuruhen und ärgerte sich darüber, daß sie vergessen hatte, eine Flasche Wasser aus der Klinik mitzunehmen. Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist. Dieser Spruch kam ihr plötzlich in den Sinn. Es war Elisabeth Weinzierls Motto, das sie zu jeder Gelegenheit zitiert hatte. Waisenkindern gegenüber zeugten diese Worte nicht von großer Feinfühligkeit, doch auf einmal mußte Yasmin darüber lächeln.

      Dann verging ihr das Lächeln. Aus dem düsteren Hauseingang, der gegenüber der Bank lag, auf der sie sich gerade ausruhte, kam eine große Gestalt. Yasmin konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte, doch schnell war ihr klar, daß es ein Mann war, der sie eben entdeckt hatte. Erschrocken erkannte Yasmin, daß es zur Flucht zu spät war.

      »Hallo, junges Fräulein, was machst du denn hier mitten in der Nacht?« fragte er, als er nähergekommen war.

      Sie musterte ängstlich sein unrasiertes Gesicht mit den glasigen Augen. Obwohl er getrunken hatte, schwankte seine Stimme nicht. Als er sich neben Yasmin setzte, schlug ihr sein nach Alkohol und Zigaretten stinkender Atem entgegen.

      Erschrocken sprang sie auf, doch er packte sie grob am Handgelenk.

      »Ich erwarte eine Antwort!« erklärte er grob und drückte sie hart auf die Sitzfläche zurück.

      »Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig«, antwortete Yasmin, indem sie ihren ganzen Mut zusammennahm. Aber ihr Widerstand reizte den Fremden nur noch mehr.

      »Frech werden auch noch, was?« fragte er und lachte höhnisch.

      Yasmin wurde vor Angst schlecht. Die Sinne drohten ihr zu schwinden. Doch mit aller Kraft hielt sie sich aufrecht. »Dir gehört eine anständige Tracht Prügel. Aber ich glaube, ich habe noch eine bessere Idee!« Mit diesen Worten zog er sie zu sich heran und drückte seinen widerwärtigen Mund auf ihren Hals. Mit letzter Energie biß sie in seine stoppelige Wange und stieß den überraschten Mann gleichzeitig von sich.

      Er fluchte und wollte nach ihr greifen, doch Yasmin war schon aufgesprungen und rannte


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